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Pflegedienste klagen: "Die Bürokratie frisst uns auf"

In Neustadt betreibt Kathrin Vogel einen Pflegedienst. Ihrem Ärger machte sie unlängst auch beim Besuch von Ministerpräsident Kretschmer Luft.

Von Anja Weber
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Kathrin Vogel hat seit 24 Jahren einen Pflegedienst in Neustadt. Sie hält mit ihrer Kritik nicht hinter dem Berg.
Kathrin Vogel hat seit 24 Jahren einen Pflegedienst in Neustadt. Sie hält mit ihrer Kritik nicht hinter dem Berg. © Mike Jäger

Aufgeregt sei sie gewesen. Und dabei habe sie auch noch einiges vergessen, was sie dem sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer (CDU) bei seinem Besuch in Neustadt noch sagen wollte, wie schwer es Pflegediensten aktuell gemacht werde. Dass Kathrin Vogel den Finger auf die Wunde gelegt hatte, dafür hätten ihr einige der Berufskollegen schon Lob gezollt. "Die Bürokratie frisst uns auf. Das betrifft nicht nur mein Unternehmen. So geht das einfach nicht weiter", sagt sie. Eine Reaktion auf ihre Worte habe sie nicht von der Staatsregierung erhalten. Deshalb habe sie auch einen Brief geschrieben, mit der Bitte um einen Termin. Eine Antwort steht noch aus. Aber Kathrin Vogel will hartnäckig bleiben. Zu brisant sei alles für die Pflegedienste.

Kathrin Vogel führt seit mittlerweile 24 Jahren die nach ihr benannte Häusliche Alten- und Krankenpflege in Neustadt auf der Dresdner Straße, welche ältere und pflegebedürftige Menschen in den Regionen Neustadt und Neukirch betreut. Dazu gehört der private Kindergarten "Vogelnest" in Neustadt, eine Tagespflege jeweils in Neustadt und in Neukirch, eine Ergotherapie und die Intensivpflege.

Ihr Unternehmen ist inzwischen auf 90 Mitarbeiter angewachsen, die in den unterschiedlichen Bereichen tätig sind. Doch ihnen werde es schwer gemacht, auch ihr als Chefin. "Der Bürokram wird immer mehr. Die elektronischen Rezepte bedeuten eine Menge Mehraufwand. Das Pflegegeld bei den Pflegegradstufen reicht für die Betroffenen nicht aus", sagt Kathrin Vogel.

Ein Beispiel dafür sei die Intensivpflege, also die 24-Stunden-Betreuung. Wer die beansprucht, benötigt eine Verordnung. Die bestand bis vor kurzem noch aus einem Formular, inzwischen seien es drei. Unterschreiben dürfen diese nur die bei der kassenärztlichen Vereinigung dafür gelisteten Ärzte. Vor Oktober durfte das auch der Hausarzt tun. Inzwischen nicht mehr. "Für uns bedeutet das natürlich einen erheblichen zeitlichen Mehraufwand, denn die Verordnungen werden nur befristet genehmigt und müssen eben immer wieder erneuert werden", sagt sie. Dazu komme, dass bis Jahresende diese Verordnungen durch die Kassenärztliche Vereinigung nicht bestätigt waren und nicht nur ihr Pflegedienst in die Vorleistung gehen musste.

Pflegegeld reicht für die Betroffenen nicht aus

Ein nächster wunder Punkt sei das Pflegegeld. Das müsste in den Pflegegradstufen deutlich angehoben werden. Zum einen reiche es für die Betroffenen nicht mehr aus. Und zum anderen gebe es das Tarif-Treue-Gesetz mit seinen Auswirkungen auf die Unternehmen. "Es ist zwar schön, dass die Mitarbeiter mehr Geld erhalten. Doch irgendwo muss es ja herkommen", sagt Kathrin Vogel. Das heißt letztlich, dass die Pflegedienste die Preise für ihre Leistungen erhöhen müssen.

Die Betroffenen, vor allem Ältere mit schmalen Renten, stecken in der Zwickmühle. Entweder sie zahlen selbst zu, gehen zum Sozialamt oder reduzieren die Pflegedienstleistungen. "Für uns heißt das nicht, dass wir weniger zu tun haben, aber es fehlen ja die Einnahmen", sagt die Unternehmerin.

Mit den viel gepriesenen elektronischen Rezepten kämen manche ältere Menschen nicht klar. Für die Pflegedienste hießt das wiederum Mehraufwand und mehr Zeit, da die Chipkarten eingesammelt werden müssen, um die Rezepte bearbeiten zu lassen.

Sie könnte noch einiges mehr aufzählen. Für die Pflegedienste werde es auf jeden Fall immer schwieriger. Sie als größeres Unternehmen könnte da noch einiges abfedern. Doch sie weiß von kleineren Pflegediensten, dass es für diese kaum noch zu schaffen sei. "Dazu kommt, dass die Branche immer unattraktiver wird und es manche auch schwer haben, einen Nachfolger zu finden", sagt Kathrin Vogel.

Deshalb hat sie ganz klare Forderungen an Bund und Land, dem jeweiligen Gesetzgeber. Eine davon heißt "Entbürokratisierung". Für die Erhöhung des Pflegegeldes etwa ist der Bund zuständig. Und ganz wichtig sei ihr, dass die medizinische Versorgung in den ländlichen Regionen nicht komplett absterbe. Dazu hatte sich Ministerpräsident Michael Kretschmer bereits im Gesprächsforum in Neustadt positioniert.

Aus Sicht des Ministerpräsidenten sei es unter anderem wichtig, dass kleinere Krankenhäuser nicht geschlossen, sondern in medizinische Versorgungszentren umgewandelt werden, wo Ärzte weiter arbeiten können. Außerdem habe man gemeinsam mit dem Land Brandenburg die Medizinische Hochschule Lausitz auf den Weg gebracht, mit dem Ziel, junge Leute in den ländlichen Gebieten zu halten. Kathrin Vogel indessen hofft nun auf einen Termin in der Staatsregierung. Denn so gehe das nicht weiter, sagte sie.