Sächsische Schweiz: Tourismusregion in Gefahr

Knapp 20 Wanderwege und Bergpfade sind in der Sächsischen Schweiz unpassierbar und deshalb gesperrt. Und die Wandersaison ist bereits voll im Gang. Für einige von ihnen fallen die Prognosen düster aus. Sie könnten auf immer gesperrt bleiben. Sächsische Bergsteigerbund will das nicht hinnehmen und hat einen Stufenplan aufgestellt, nach dem die Wege wieder begehbar gemacht werden sollten. So zumindest die Forderung der Interessenvertretung.
Allerdings will der Nationalpark nicht alle Routen frei schneiden, sondern nur einen Teil, und auch den erst nach Prüfung durch die Landesdirektion. Diese naturschutzfachliche Prüfung ist die Voraussetzung, dass auf den geschützten Flächen neben den Wegen tote Bäume gefällt werden dürfen. Allein das Verfahren, bei dem auch Naturschutzverbände beteiligt werden, dauert bis zum Herbst. Doch dann ist die Wandersaison in der Sächsischen Schweiz gelaufen. Aus diesem Grund machen Tourismusverband und Politik jetzt Druck.
Tourismusregion darf nicht sterben
Das Vertrauen von Landratsamt, Bürgermeister, dem Tourismusverband sowie dem Sächsischen Bergsteigerbund (SBB) in die Nationalparkverwaltung hat gelitten. Aus diesem Grund haben sich alle entschlossen, Briefe an den Ministerpräsidenten Michael Kretschmer (CDU) zu schreiben. Nach mehreren Anläufen, sich bei der Nationalparkverwaltung durchzusetzen, sehe man sich gezwungen, an höchster Stelle im Freistaat Sachsen Alarm zu schlagen.
Hauptsaison im Elbsandstein steht vor der Tür
Die Botschaft an Sachsens Regierungschef: "Bitte machen Sie sich für den Erhalt der Sächsischen Schweiz als traditionelle Tourismusregion stark!", heißt es in dem Brief von Landrat, Bürgermeistern und Tourismusverband an den Ministerpräsidenten. Denn eines ist sicher: Schon in wenigen Tagen zu Pfingsten, spätestens aber wenn die Gaststätten und Beherbergungsbetriebe wieder öffnen dürfen, wird die Sächsische Schweiz voll mit hunderttausenden Besuchern sein. So die Erfahrung vom Sommer letzten Jahres.
"Als touristische Destination der Superlative sind im Nationalpark dieses Jahr bereits markierte Wanderwege von etwa 40 Kilometern und weitere 50 Kilometer unmarkierte Wege außerhalb der Kernzone des Nationalparkes gesperrt. Zahlreiche dieser Wege fungieren gleichzeitig als Anbindung an gastronomische und Beherbergungsbetriebe. Deren wirtschaftliche Betätigung ist damit weiterhin ausgeschlossen", kritisiert Landrat Michael Geisler (CDU). Damit werde diesen Unternehmen, die seit über sechs Monaten geschlossen sind, auch noch die letzte Möglichkeit genommen, Einnahmen zu erwirtschaften. Man sehe dadurch eine große Gefahr von Geschäftsschließungen, Arbeitslosigkeit und Imageverlust auf die Region zukommen.
Dem kann Tino Richter, Geschäftsführer des Tourismusverbandes Sächsische Schweiz nur beipflichten. Er ist besorgt, weil die Hauptsaison vor der Tür steht und die Zeit davonläuft. Vor allem das Wegenetz in der Hinteren Sächsischen Schweiz droht extrem weiter auszudünnen. Er befürchtet zudem, dass wichtige Verbindungen und Rundwege gekappt werden. Wenn nicht bald etwas geschehe, müsse man mit frustrierten Gästen und chaotischen Zuständen an Besucherschwerpunkten rechnen.
Wandern im Nationalpark Hauptreisegrund
Wandern im Nationalpark ist der Hauptreisegrund für die Gäste der Region. Jede Einschränkung an dieser entscheidenden Stelle zieht die gesamte touristische Wertschöpfungskette in Mitleidenschaft. "Wir sehen die Erfolge jahrzehntelanger Aufbauarbeit bedroht und leider auch die Akzeptanz des Nationalparkgedankens. Unsere letzte Hoffnung ist ein schnelles Einlenken und die Bereitstellung der notwendigen Ressourcen für den vorausschauenden Erhalt des Wegenetzes und das Besuchermanagement im Nationalpark", so Tino Richter vom Tourismusverband.
Und weiter heißt es in dem Schreiben des Landrates: In zahlreichen Gesprächen der letzten Wochen sei deutlich geworden, dass es in der Nationalparkverwaltung an strategischen Überlegungen fehlt, wie die Erholungsfunktion im Nationalpark, und damit die wesentliche Grundlage für den Tourismus , in Zukunft gewährleistet werden kann. Das sind harte, klare Worte gegenüber der Nationalparkverwaltung. Und Landrat Michael Geisler stellte die jüngste Aussage in Frage, es sei kein Geld fürs Freischneiden vorhanden. "Ich stelle die Behauptung auf, das ist nicht so", sagt er gegenüber der Sächsischen Zeitung. Und auch er befürchtet, dass Wege, die jetzt nicht freigeschnitten werden, gänzlich verschwinden. Dazu komme noch, dass viele dieser Wege als Rettungswege gebraucht werden, von der Feuerwehr, von Sanitätern. Nicht zuletzt die vielen Waldbrände im vergangenen Jahr wie auch Kletterunfälle haben gezeigt, dass gerade Rettungswege passierbar bleiben müssen.
Harsche Kritik am Nationalparkchef
Der Sächsische Bergsteigerbund hat sich zudem in einem gesonderten Schreiben an Sachsens Ministerpräsidenten Kretschmer gewendet. Nach ersten Gesprächen des SBB im Jahr 2021 habe man beim Thema Wanderwege seitens der Nationalparkverwaltung nur „ein Fahren auf Sicht“ erkennen können, wird darin kritisiert. Ein vorsorgliches und geplantes Freischneiden könnte jedoch viele Kilometer an Wegen vor der Unpassierbarkeit retten. Deshalb haben Mitglieder des SBB und der IG Stiegenfreunde die bedrohten Wanderwege bekanntlich ehrenamtlich geprüft, dokumentiert und einen Stufenplan erstellt. Dieser Stufenplan wurde sowohl dem Leiter der Nationalparkverwaltung als auch Umweltminister Wolfram Günther (Grüne) im März 2021 vorgetragen und übergeben.
Angesichts der Bedeutung der Sächsischen Schweiz für Wanderer, Bergsteiger und Touristen hält der SBB die zögerliche Strategie der Nationalparkverwaltung für diskussionsbedürftig. „Uns fällt es zunehmend schwer, positiv in die Zukunft zu sehen und den Unmut der über 16.000 Mitglieder des Sächsischen Bergsteigerbundes sowie aller Wanderer und Bergsteiger Sachsens, die wir in der AG Wege vertreten, zu besänftigen“, gibt Peter Rölke, Mitglied der AG Wege, zu bedenken. Harsche Kritik gibt es vor allem für den neuen Chef der Nationalparkverwaltung Ulf Zimmermann. In den Reihen des Bergsteigerbundes sei man sich nicht sicher, ob der Nationalparkchef die Erholungsnutzung, in der von den wanderfreudigen Sachsen und ihren Gästen geschätzten und geliebten Landschaft zur Gänze verinnerlicht habe und die Brisanz der aktuellen Situation richtig einschätze, heißt es in dem Schreiben.
Wegen Sturmschäden bald noch mehr gesperrt?
„Was wir besonders bedauern, ist die Tatsache, dass der Leiter der Nationalparkverwaltung gleichzeitig bekanntgab, dass er sich wegen fehlender Kapazitäten nicht in der Lage sieht, die Prüfung fortzusetzen und gemeinsam nach Alternativen zu suchen. Zumal Minister Günther uns gegenüber im Gespräch zum Ausdruck brachte, dass die materiellen und personellen Ressourcen kein limitierender Faktor sein würden“, kritisiert Peter Rüger, Erster Vorsitzender des SBB.
Mit den dringlichen Schreiben an Sachsens Ministerpräsidenten dürfte nun auch der Druck auf die Nationalparkverwaltung und deren Chef weiter wachsen. Inzwischen soll sich gar der gesamte Deutsche Alpenverein (DAV) hinter seine Sektion dem Sächsischen Bergsteigerbund gestellt haben. Aktuell hat der DAV insgesamt 1.385.440 Mitglieder, dazu kommen noch tausende nicht organisierte Wanderer, Kletterer und Naturfreunde sowie Liebhaber der Sächsischen Schweiz - Stimmen die man einfach nicht mehr überhören kann. Und nicht zuletzt ist die Sorge berechtigt, es könnten wieder neue Sperrungen hinzukommen. Die Stürme, die in den letzten Tagen über das Elbsandsteingebirge gefegt sind, haben bereits einen Vorgeschmack gebracht.
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