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Das große Knattern: Wenn 650 DDR-Mopeds durch die Sächsische Schweiz brettern

Am Karfreitag füllten hunderte Fans mit S 50, Schwalbe und Jawa die Luft um Bad Schandau mit Zweitakt-Duft. Hier sind drei Fahrer - und ihre Lieblinge.

Von Marlene Seifert
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Blauer Dunst und viel Geknatter: an die 650 Fans von DDR-Mopeds waren bei der Ausfahrt durch die Sächsische Schweiz dabei.
Blauer Dunst und viel Geknatter: an die 650 Fans von DDR-Mopeds waren bei der Ausfahrt durch die Sächsische Schweiz dabei. © Foto: Marko Förster

Gefühlt alles, was zwei Räder und einen Zweitakt-Motor besitzt, pilgerte am Karfreitag nach Bad Schandau. Auf dem Lidl-Parkplatz trafen sich am Vormittag etliche Anhänger von DDR-Mopeds. Sie alle gaben mit ihren Maschinen - darunter vor allem Modelle der DDR-Vogelserie - das wohl kurioseste Konzert, das seit der Wende zu hören war: dröhnende Schwalben, begleitet von inbrünstig knatternden Staren, Sperbern, Spatzen – und natürlich S 50 und S 51.

Die "Vögel" bildeten mit ihrem Geknatter einen weithin vernehmbaren Chor. Seite an Seite ging es pünktlich um 10.30 Uhr los zur dritten Simson-Ausfahrt, der sogenannten "Kohli-Hall" in Richtung Sebnitz. Bei schönstem Sonnenschein starteten geschätzt 650 Teilnehmer gut gelaunt in den Tag - frei nach dem Motto "Zweitakt-Duft am Morgen vertreibt Kummer und Sorgen".

Die schönsten Bilder von der Simson-Ausfahrt

Bereit für den Start: Auf dem Lidl-Parkplatz in Bad Schandau versammeln sich die Teilnehmer am Freitagvormittag.
Bereit für den Start: Auf dem Lidl-Parkplatz in Bad Schandau versammeln sich die Teilnehmer am Freitagvormittag. © Marko Förster
Von Bad Schandau aus geht es in Richtung Sebnitz, nach Hinterhermsdorf und durchs Kirnitzschtal (im Foto) bis nach Kohlmühle. Rund 60 Kilometer haben die Teilnehmer der dritten "Kohli-Hall" vor sich.
Von Bad Schandau aus geht es in Richtung Sebnitz, nach Hinterhermsdorf und durchs Kirnitzschtal (im Foto) bis nach Kohlmühle. Rund 60 Kilometer haben die Teilnehmer der dritten "Kohli-Hall" vor sich. © Marko Förster
Die rund 650 Teilnehmer sorgen für staunende Gesichter: Passanten bleiben am Straßenrand stehen und verfolgen die illustre "Vogelschar". Denn die meisten Fahrer treten mit Modellen der DDR-Vogelserie an: Schwalbe, Star, Sperber oder Spatz.
Die rund 650 Teilnehmer sorgen für staunende Gesichter: Passanten bleiben am Straßenrand stehen und verfolgen die illustre "Vogelschar". Denn die meisten Fahrer treten mit Modellen der DDR-Vogelserie an: Schwalbe, Star, Sperber oder Spatz. © Marko Förster
Hat alles im Blick: Organisator Ron Herschel aus Kohlmühle. Neben Mopeds beteiligten sich auch Trabis und Wartburgs an dem Tross.
Hat alles im Blick: Organisator Ron Herschel aus Kohlmühle. Neben Mopeds beteiligten sich auch Trabis und Wartburgs an dem Tross. © Marko Förster

Vor den Teilnehmern lag eine Fahrtstrecke von rund 60 Kilometern. Der Tross selbst zog sich schon über mehrere Kilometer durch die Sächsische Schweiz. In Hinterhermsdorf legten die Fahrer die erste Pause ein. Wer sich in der langen Schlange anstellen wollte, konnte sich mit Wienern und Brötchen stärken. Danach rollte die Karawane weiter durchs Kirnitzschtal.

So weit das Auge blickte, überall waren Mopedfahrer zu sehen. Ob Autofahrer, Wanderer oder Fahrradfahrer: unzählige Menschen blieben am Straßenrand stehen, um die Simsons passieren zu lassen. Am Nachmittag erreichten die Mopeds dann endlich ihr Ziel in Kohlmühle. Die Mischung aus Knattersound, bläulichem Duft und lustigen Fahrern sorgte für einen unvergesslichen Tag für alle Simson-Liebhaber. Hier erzählen drei Fahrer, warum sie dabei waren.

Till Richter: "Das Moped ist einfach praktisch"

Till Richter mit einer Schwalbe, die einst sein Opa für seine Enkelkinder gekauft hat.
Till Richter mit einer Schwalbe, die einst sein Opa für seine Enkelkinder gekauft hat. © Marko Förster

Till Richter fährt eine 2er Schwalbe, ein echter Hingucker aus dem Jahr 1984. "Mein Opa hat in der DDR fünf Mopeds gekauft und behalten für seine Enkelkinder", sagt der 17-Jährige. So kam er zu seiner Schwalbe. Für ihn als Jugendlichen sei die Simson sehr nützlich. "Ich hab kein Auto. Auf dem Land fahren die Busse selten. Da ist ein Moped praktisch." Er fahre jeden Tag, oft sogar mehrmals: in die Schule, zum Fitnessstudio, zu Freunden.

Außerdem sei er schon bei der ersten "Kohli-Hall" 2022 dabei gewesen. Mopedtouren mit Kumpels sind für ihn ein tolles Erlebnis. Dass er sich mit Simson-Zweirädern gut auskennt, hat er den vielen Stunden beim Schrauben an seiner eigenen Maschine zu verdanken. Er habe die Elektronik seiner Schwalbe auf 12 Volt aufgerüstet und einige Reparaturen vorgenommen. Denn Basteln, das macht Till Richter gerne.

Thomas Hak: Schrotthaufen wird Vorzeige-Jawa

Thomas Hak und sein Sohn Emil Bretschneider sind auf einer Jawa dabei.
Thomas Hak und sein Sohn Emil Bretschneider sind auf einer Jawa dabei. © Marko Förster

Ein Zweigespann mit Vater Thomas Hak und Sohn Emil Bretschneider nahm ebenfalls an der Ausfahrt teil. Die beiden rückten an auf einer Jawa 350, Baujahr 1968. In der DDR habe es Jawa-Fahrzeuge sicher auch gegeben, aber da wären sie häufig ausverkauft gewesen, sagt Thomas Hak. Deshalb hat er seine einst in Tschechien gekauft - im Zustand eines "Schrotthaufen". Thomas Hak hat die Maschine daraufhin eigenhändig aufgebaut. Das rote Motorrad sei nun schon über 20 Jahre in seinem Besitz.

Mit seinem Sohn ist er das erste Mal bei der "Kohli-Hall" dabei. Sohn Emil sei der treibende Grund gewesen. Der Siebenjährige wollte unbedingt mitfahren, schon die letzten Tage habe er darauf hingefiebert. Wie Emil die Ausfahrt gefallen hat? – "Gut", antwortet er mit einem breiten Grinsen. Das Fahren sei am besten gewesen. Wenn er groß ist, wolle er selbst mal fahren.

Hannah Tesch: "Beim Fahren fühle ich mich frei"

Auffällige S51 mit pinkem Lack: Hannah Tesch ist ein begeisterter Simson-Fan.
Auffällige S51 mit pinkem Lack: Hannah Tesch ist ein begeisterter Simson-Fan. © SZ/Marlene Seifert

Hannah Tesch ist begeisterter Simson-Fan. Die Jugendliche fährt eine auffällige S51 mit pinkem Lack. Das Moped war ein Geschenk zur Jugendweihe, ein Kumpel ihres Vaters habe es aufgebaut. "Zusammen mit meinem Freund schraube ich viel dran rum", sagt sie. Die schwarze Sitzbank mit pinkfarbenen Stickereien hat sie selbst ausgesucht. Besonderes Erkennungszeichen ihres Fahrzeugs ist außerdem ein aufgestickter Barbie-Kopf hinten am Sitz.

Kaum, dass der Führerschein in der Tasche steckte, ging es los auf die Straßen rund um Pirna. Warum Hannah Tesch Simson fährt? Beim Fahren mit dem guten Stück fühle sie sich "frei" und es mache ihr großen Spaß. Sie fährt jeden Tag mit dem Moped, solange das Wetter passt. "Ich fahre zur Schule oder zu Freunden." Im Sommer will sie voraussichtlich mit einer Freundin, die ebenfalls ein Moped hat, an die Ostsee.