SZ + Pirna
Merken

Wofür steht der Nationalpark?

30 Jahre alt ist der Nationalpark Sächsische Schweiz heute. Er ist verhältnismäßig klein, dafür aber sehr beliebt. Konflikte sind programmiert.

Von Domokos Szabó & Mike Jäger
 4 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Der Lilienstein ist das Symbol des Nationalparks. "Die Natur Natur sein lassen" funktioniert nur bedingt.
Der Lilienstein ist das Symbol des Nationalparks. "Die Natur Natur sein lassen" funktioniert nur bedingt. © Steffen Unger

Es ist ein runder Geburtstag: Vor 30 Jahren wurde 1990 der Nationalpark Sächsische Schweiz gegründet. Obwohl er im Vergleich zu anderen Parks eher klein ist, kennt seine Beliebtheit offensichtlich kaum Grenzen. Der Besucherandrang ist nicht die einzige Herausforderung, mit der die Nationalparkverwaltung konfrontiert ist. 

Die Stationen einer Jubiläumswanderung am vergangenen Wochenende am Lilienstein, unter anderem mit Sachsens Umweltminister Wolfram Günther (Grüne) sowie den Vätern des DDR-Nationalparkprogramms Dieter Knapp und Michael Succow, stehen exemplarisch dafür, was den Nationalpark ausmacht.

Nationalparkmitarbeiter Jens Posthoff. Enormer Besucherdruck lässt sich schwer mit dem Motto "die Natur Natur sein lassen" vereinbaren.
Nationalparkmitarbeiter Jens Posthoff. Enormer Besucherdruck lässt sich schwer mit dem Motto "die Natur Natur sein lassen" vereinbaren. © Mike Jäger

Sorgen wegen immer mehr Besucher

Die Nationalparkverwaltung verfolgt mehrere Ziele, die mitunter nur schwer miteinander vereinbar sind. Nationalparkmitarbeiter Jens Posthoff zählt auf: Erstens will man im Nationalpark die Natur Natur sein lassen. Zweitens soll der Nationalpark eine Stätte sein, wo wissenschaftliche Forschung stattfindet. Und drittens geht es auch darum, das Gebiet für die Besucher erlebbar zu machen. Doch gerade der enorme Besucherdruck stellt die Nationalparkwächter vor große Herausforderungen. Auswüchse und Unsitten sind an der Tagesordnung, wie Jens Posthoff sagt. Illegales Feuermachen, Partymusik an den Felsen, Wanderungen abseits der erlaubten Wege sind ein Problem. Mittlerweile nicht nur tagsüber, sondern auch nachts. Laut Posthoff gebe es eine gute Zusammenarbeit mit der Polizei und den Feuerwehren. Die können aber nicht gleichzeitig überall sein.

Nationalparkmitarbeiterin Beke Hielscher, Revierförster Frank Wagner. Künftig sollen 75 Prozent des Gebietes Ruhezone sein.
Nationalparkmitarbeiterin Beke Hielscher, Revierförster Frank Wagner. Künftig sollen 75 Prozent des Gebietes Ruhezone sein. © Mike Jäger

Ruhezone soll erheblich wachsen

Auch im Nationalpark ist der Borkenkäfer ein Thema. Diese Lichtung ist durch Schädlingsbefall und  das Entfernen gebietsfremder Baumarten entstanden. Beke Hielscher vom Nationalpark-Referat Dienstleistung und Revierförster Frank Wagner stehen vor einer Weißtanne, die zusammen mit anderen Exemplaren hier gepflanzt wurde. Die Neuen entwickeln sich prächtig. Der Borkenkäfer verkürzt übrigens den Weg zum Ziel, die Natur sich selbst zu überlassen. 75 Prozent des Gebietes soll in ein paar Jahrzehnten der Naturzone A, auch Ruhezone genannt, angehören. Heute sind es etwa 40 Prozent. Probleme gibt es aber immer wieder mit der Sicherheit der Wanderwege - die abgestorbenen, morschen Fichten können auf diese stürzen.

Vogelexperte Ulrich Augst. Die Auswilderung der Wandefalken war seinerzeit erfolgreich. Jetzt schrumpft aber die Population wieder.
Vogelexperte Ulrich Augst. Die Auswilderung der Wandefalken war seinerzeit erfolgreich. Jetzt schrumpft aber die Population wieder. © Mike Jäger

Druck auf die Wanderfalken

Ulrich Augst, Vogelexperte im Nationalpark, zeigt am Lilienstein jenen Platz, an dem 1989 die erfolgreiche Auswilderung von Wanderfalken startete. Damals galten diese Greifvögel in der Sächsischen Schweiz bereits als ausgestorben. Nach anfänglichen Erfolgen sinkt seit 2008 der Falkenbestand allerdings wieder. Ulrich Augst hat dafür eine simple Erklärung: „Zu viele Menschen.“ 

Wanderfalken in der Sächsischen Schweiz. Der Corona-Lockdown hat den Tieren wahrscheinlich geholfen.
Wanderfalken in der Sächsischen Schweiz. Der Corona-Lockdown hat den Tieren wahrscheinlich geholfen. © Mike Jäger

Der Nationalpark zieht immer mehr Wanderer, Sportler und Erholungssuchende an. In der Summe stören sie die Tierwelt. Dieses Jahr, so Augst, hat aber vielleicht die Corona-Ruhe im Frühjahr dazu geführt, dass es den Falken besser geht. Ein anderer Fall aus dem Nationalpark: Der Schwarzstorch, für den ein Nationalpark eigentlich wie geschaffen ist, werde schon oft am frühen Morgen von früh ausströmenden Wanderern beim Fischfang in der Kirnitzsch gestört.

Anne Seltmann an einem abgesperrten Wanderweg. Als Empfehlung landen solche Routen immer wieder im Internet.
Anne Seltmann an einem abgesperrten Wanderweg. Als Empfehlung landen solche Routen immer wieder im Internet. © Mike Jäger

Die Aufpasserin im Internet

Anne Seltmann ist Referentin für Besucherlenkung im Nationalpark und zeigt hier auf einen abgesperrten Weg, der nicht mehr genutzt werden soll. Ihre Stelle hat einen digitalen Schwerpunkt. Seltmann kümmert sich um Interneteinträge, die mit dem Schutzgebiet Nationalpark unvereinbar sind. Etwa im Open-Street-Map (OSM) werden immer wieder Wege eingetragen, obwohl sie aus Naturschutzgründen gesperrt sind. Teilweise wird auf Internetpattformen das Wandern auf solchen Wegen regelrecht propagiert. Anne Seltmann setzt auf Aufklärung, versucht Besucher zu überzeugen, im Interesse der Natur den Regeln zu folgen. Eine rechtliche Handhabe gegen fragwürdige Inhalte sei indes schwierig.

Nationalparkwacht-Mitarbeiter Steffen Elsner, Praktikantin Elise Canzler. Wer Junior-Ranger wird, hat Verständnis für die Regeln im Schutzgebiet.
Nationalparkwacht-Mitarbeiter Steffen Elsner, Praktikantin Elise Canzler. Wer Junior-Ranger wird, hat Verständnis für die Regeln im Schutzgebiet. © Mike Jäger

Hier wird man Junior-Ranger

Nationalparkwacht-Mitarbeiter Steffen Elsner kümmert sich zusammen mit Praktikantin Elise Canzler um die Junior-Ranger. Die Umweltbildungsstätte „Sellnitz“ am Fuße des Liliensteins bietet beste Voraussetzungen dafür. Auch das ist ein Weg, unter Gästen und Einwohnern die Akzeptanz für die strengen Regeln des Naturschutzes zu steigern. Neben dem Heranziehen von Junior-Rangern läuft hier auch die Umweltbildung für Schulklassen. Eine weitere Säule der Umweltbildung ist zudem das Nationalparkzentrum in Bad Schandau, wo die Besucher die Region auf eine zeitgemäße Art und Weise präsentiert bekommen. Damit ist das Zentrum weit mehr als eine Schlechtwetteralternative.

Ausweichparkplatz, der wegen der Jubiläumsveranstaltung eingerichtet wurde. Auch an anderen Tagen ist das Angebot an Stellflächen kleiner als die Nachfrage.
Ausweichparkplatz, der wegen der Jubiläumsveranstaltung eingerichtet wurde. Auch an anderen Tagen ist das Angebot an Stellflächen kleiner als die Nachfrage. © Mike Jäger

Parkplatznot nimmt zu

Die Nationalparkverwaltung hatte am vergangenen Wochenende einen Behelfsparkplatz auf einer Wiese eingerichtet, weil der offizielle Wanderparkplatz am Lilienstein für Gäste der Festveranstaltung reserviert war. Diese Aktion zeigt exemplarisch, wie groß das Problem mit Autos im Nationalpark ist. Weil die regulären Parkplätze oft schon früh voll sind, wird in großem Stil illegal geparkt, selbst im Wald. Landrat und Bürgermeister suchen krampfhaft nach Lösungen, wollen dabei auch private Grundstückseigentümer mit einbeziehen. Besonders kritisch ist die Situation im Kirnitzschtal, im Zahnsgrund hinauf nach Ostrau, in Waltersdorf am Gamrig, in Weißig, in Schmilka sowie im hinteren Teil des Bielatals. 

Mehr Nachrichten aus Pirna lesen Sie hier. 

Mehr Nachrichten aus Sebnitz lesen Sie hier. 

Täglichen kostenlosen Newsletter bestellen.