Merken

Sachsens Biobauern werden von der Nachfrage überrollt

Sachsen hat gute Chancen, das Angebot an Bio-Produkten stark auszudehnen, aber der Glaube daran fehlt.

Teilen
Folgen
NEU!

Von Georg Moeritz

Dresden. Wenn ein Bauer das grüne Bio-Siegel auf seine Kartoffeln oder Koteletts kleben will, muss er ökologisch arbeiten – keine Unkrautvernichter spritzen, Tiere artgerecht mit viel Platz versorgen. Sachsens Landwirte scheuen diese Methoden: Gerade mal drei Prozent der Agrarfläche im Freistaat sind ökologisch bewirtschaftet, in Brandenburg sind es zehn Prozent. Nur in Niedersachsen ist der Anteil noch kleiner als in Sachsen. Dabei steigt die Nachfrage nach Bio-Produkten: Voriges Jahr ist ihr Umsatz in Deutschland um 15 Prozent auf 5,3 Milliarden Euro gewachsen.

Verkauf: Landwirte tun sich damit schwer

Siegbert Jacob aus Markneukirchen im Vogtland will auf den Bio-Trend aufspringen – er weiß nur nicht wie. Jacob kennt den Erfolg seines Dresdner Kollegen Bernd Probst vom Vorwerk Podemus, mit 20 Mitarbeitern in der Fleischerei und zehn in der Landwirtschaft. „In Dresden findet man die Kunden für Bioprodukte, bei uns im ländlichen Raum ist es schwieriger“, sagte Jacob bei einem Workshop des Anbauverbandes Gäa in Dresden. Dabei vertritt Jacob gleich fünf Betriebe, die schon gemeinsam mehrere Läden in Kleinstädten betreiben – bisher mit konventionell erzeugten Lebensmitteln. Jacob bezweifelt, dass seine Produktion ausreicht, um etwa bei Edeka auf die Listen zu kommen. Dennoch hat er mit der Umstellung auf Ökolandbau begonnen und erhält Zuschüsse dafür.

Förderung: Der Freistaat schiebt die Bioproduktion an

Wer seinen Betrieb auf Bioproduktion umstellt, darf seine Produkte in den ersten zwei Jahren noch nicht „bio“ nennen – zum Beispiel wegen Chemie-Resten im Feld. Zum Ausgleich zahlt der Freistaat für diese zwei Jahre Extra-Subventionen: 524 Euro pro Hektar Acker und Weide, 2214 Euro pro Hektar Obst-, Wein- oder Baumschulenbestand. Amtsleiterin Anita Domschke vom Landwirtschaftsministerium nennt diese Förderung großzügig, die Grünen im Landtag fordern mehr. Für den Agrarmarketing-Experten Ulrich Hamm, Professor in Witzenhausen in Hessen, kommt es weniger auf die Summe an als auf die Haltung der Politik insgesamt: Die zeigt nach seiner Ansicht nicht deutlich, dass der Freistaat auf Bio-Produktion setzen will.

Sachsen hat laut Hamm „gute Chancen, das Angebot an Bio-Produkten stark auszudehnen“. Aber der Glaube daran fehle. Ähnliches hat der Forscher Urs Niggli in der Schweiz beobachtet: Dort werden 80 Prozent der Bio-Produkte importiert, dennoch stellen sich nicht mehr Landwirte auf die Nachfrage ein: „Ökolandbau passt für viele nicht zum Technologieverständnis“, sagt Niggli. Er gelte als altmodisch, trotz wachsenden Bedarfs.

Markt: Das Wachstum kommt aus dem normalen Laden

Die 15 Prozent Umsatzwachstum der Branche im vorigen Jahr haben sich vor allem in normalen Supermärkten ausgewirkt. Reformhäuser und Naturkostläden verloren Marktanteile, mehr als die Hälfte der Bioprodukte geht durch die Kassen im gewöhnlichen Lebensmittel-Einzelhandel. Laut Professor Hamm versuchen Händler wie Lidl so ihren Ruf zu verbessern und sind dafür bereit, bei Bioprodukten geringere Gewinnspannen zu akzeptieren als bei anderen Waren. Bio ist nicht unbedingt viel teurer als konventionelle Ware. Die GfK-Marktforscher schätzten vor anderthalb Jahren den Preisabstand auf 17 Prozent im Durchschnitt. Jeder Deutsche gab voriges Jahr für Bio-Lebensmittel 65 Euro aus, in Sachsen war es laut Hamms Schätzung allerdings nur halb so viel.

Zusammenarbeit: in Sachsen fehlen Öko-Verarbeiter

Zwar gibt es in Sachsen 339 Öko-Bauernhöfe und 272 Betriebe, die Öko-Produkte weiterverarbeiten können, doch laut Anita Domschke werden die meisten sächsischen Öko-Waren außerhalb Sachsens verarbeitet. Zugleich kommen importierte Öko-Produkte in die Läden, weil die Produktion nicht ausreicht. Verbände wie Gäa helfen laut Vorsitzender Kornelie Blumenschein beim Zusammenfinden, erleben aber Rückschläge: Der Preisanstieg der landwirtschaftlichen Rohstoffe im vergangenen Jahr hat den Markt durcheinandergebracht. Manche Öko-Müller bekamen keine Lieferung mehr.

Aussicht: Wirtschaftskrise hält Öko-Freunde nicht auf

Laut Hamm wächst die Nachfrage nach Bio-Produkten auch in den kommenden Jahren. Wirtschaftlich schlechte Zeiten hätten den Aufwärtstrend auch in der Vergangenheit kaum belastet. Für die Verbraucher bedeute Öko „Genuss ohne schlechtes Gewissen“, für die Händler eine Sicherheitsgarantie.