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Schamlos

Die Zittauer Theaterchefin Dorotty Szalma probt in Görlitz eine Oper über eine ungewöhnliche Frau und sorgt für Wirbel.

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© Pawel Sosnowski/80studio.net

Von Silvia Stengel

Die neue Oper am Görlitzer Theater hatte noch nicht einmal Premiere, da sorgt sie schon für reichlich Gesprächsstoff. Die Theaterleitung entschied während der Proben, das Bühnenwerk über die skandalträchtige Gräfin Margaret Campbell auf die Altersbegrenzung „P 18“ zu setzen. Warum die Oper „Powder Her Face“, zu Deutsch „Puder ihr Gesicht“, erst ab 18  Jahren besucht werden darf, ist eine Frage, die am besten die Regisseurin beantworten kann. Es ist die Zittauer Schauspielchefin Dorotty Szalma, die gerade die Oper inszeniert, die am Sonnabend Premiere hat.

Dorotty Szalma bei der Probe, hier mit Thembi Nkosi, im Görlitzer Theater. Kameras spielen eine Rolle, denn die Hauptfigur, eine Gräfin, stand immer im Rampenlicht.
Dorotty Szalma bei der Probe, hier mit Thembi Nkosi, im Görlitzer Theater. Kameras spielen eine Rolle, denn die Hauptfigur, eine Gräfin, stand immer im Rampenlicht. © Pawel Sosnowski/80studio.net

Die Begründung: „In dieser Oper wurde Oralverkehr vertont, und zwar klar und deutlich“, sagt Dorotty Szalma. Das passiert nun auch auf der Bühne: Eine Frau befriedigt einen Mann. Bei der Probe erfolgt das in einer Ecke im Halbdunkel, ist aber gut zu sehen, auch wenn das Theater vielleicht ein bisschen dabei trickst. Ob das beispielsweise eine 16-Jährige verstören könnte, da ist sich Dorotty Szalma selber nicht sicher. Die jungen Menschen von heute sind doch ziemlich zeitig aufgeklärt, auch durch das Internet. Aber vielleicht ist es besser, wenn sie schon einige Jahre eigene Erfahrungen haben. Wer jetzt meint, die Szene hätte einfach gestrichen werden können, wird nach dem Besuch der Oper wissen, dass es nicht möglich ist. Denn sie ist wichtig für die Geschichte von Margaret Campbell, die es wirklich gegeben hat in England.

Dank ihrer unbeschreiblichen Schönheit und ihres ausschweifenden Lebensstils ist sie nach ihrem Aufstieg in die adlige Gesellschaft schnell zum Liebling der Presse und zu einer der meistfotografierten Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts geworden, teilt das Theater dazu mit. Sie wurde 1912 als Tochter eines schottischen Millionärs geboren, widersetzte sich dem Spiel mit der Presse nicht und zelebrierte jeden ihrer Skandale, insbesondere ihre Scheidung im Jahr 1963 vor aller Augen. Ihre Macht bestand darin, Männer und Öffentlichkeit gleichermaßen mit ihrer ungezähmten Lebensweise um den Finger zu wickeln. Ihr Antrieb sei die Gier nach Aufmerksamkeit gewesen, heißt es. Die Geschichten, die sie den britischen Klatschspalten lieferte, waren eine Aneinanderreihung von Verlobungen, Affären, Hochzeiten und Scheidungen.

Doch am Ende ihres Lebens ist sie eine gebrochene Frau. Alleingelassen und völlig verarmt zieht sie in ein Hotel und schließlich in ein Altersheim. 1993 stirbt sie in London. Das Theater beleuchtet die letzten Lebensjahre dieser ungewöhnlichen Frau. Und Dorotty Szalma sagt: „Scham ist hier an der falschen Stelle. Margaret Campbell war nun mal eine Skandalfigur.“

So ist das auch heute. Es geht um das öffentliche Leben einer Frau. Das kennt jeder aus den sozialen Netzwerken. Stars werden geliebt und gehasst, sie müssen auch mit üblen Kommentaren leben. Es scheint, als ob die Menschen die Empörung brauchen, sich aufregen können, als ob das ein Ventil ist, sagt Dorotty Szalma. Als es um die Scheidung von Margaret Camphell ging, interessierte sich keiner dafür, dass auch ihr Mann seine Affären hatte. Nur ihr Leben wird ausgeschlachtet. Fotos tauchen auf, die sie beim Oralverkehr zeigen. Menschen, die sie vorher noch bewundert haben, bezeichnen sie nun als „Schlampe“. So zeigt die Kammeroper das Leben und Scheitern dieser extrovertierten Persönlichkeit.

Dabei lässt der Titel „Powder Her Face“ viele Deutungen zu. Es geht um eine Frau, die eine Maske anlegt und ihr Leben lang trägt, sagt Dorotty Szalma. Margaret Camphell habe ihr Leben der Öffentlichkeit verschrieben. Das heißt, sie versteckt auch etwas, möglicherweise die Wahrheit. In Österreich wird „pudern“ auch im Zusammenhang mit Sexualität verwendet, sagt Dorotty Szalma. Da heißt es, jemand wurde „gepudert“.

In England ist die Oper sehr bekannt. Der Komponist Thomas Adés ist mit ihr richtig aufgestiegen, weiß Dorotty Szalma. In Görlitz war sie ein Wunsch von Generalmusikdirektor Andrea Sanguineti. Er hat die musikalische Leitung und dirigiert bei der Probe. Auf der Görlitzer Bühne wird nicht in der Originalsprache, sondern auf Deutsch gesungen.

Es ist die erste Oper, die Dorotty Szalma in Görlitz inszeniert. Generalintendant Klaus Arauner fragte sie. Sie hat auch schon bei der Operettte „Die Csardasfürstin“ Regie geführt und mit den Tänzern des Görlitzer Theaters zusammengearbeitet. Nun ist sie zwar Schauspielintendantin, aber gerade bei der Oper bringt sie reichlich Erfahrung mit. Früher hat sie viel öfter Opern inszeniert, sagt sie, in Städten wie Nordhausen oder Weimar. Da war das Verhältnis so, dass sie zwei, drei Schauspiele gemacht hat und eine Oper. Auch „Powder Her Face“ fasziniert sie: „Es ist eine wunderbare Musik, aber verdammt schwer zu singen.“

Die Oper

„Powder Her Face“, auf Deutsch „Puder ihr Gesicht“ hat an diesem Sonnabend, 19.30 Uhr, im großen Saal des Görlitzer Theaters Premiere.

Es gehtum Margaret Campbell (1912 bis 1993), ein prominentes Mitglied der britischen Gesellschaft.

Die Kammeroper „Powder Her Face“ schrieben Komponist Thomas Adés und Librettist Philip Hensher.

Mitwirkende sind Patricia Bänsch, Alison Scherzer, Thembi Nkosi und Tobias Pfülb. Die musikalische Leitung hat Andrea Sanguineti, Regie führt Dorotty Szalma.

Vor der Premiere findet um 18.45 Uhr eine Werkeinführung mit Dramaturg Gerhard Herfeldt statt. Im Anschluss wird es im Foyer-Café einen Premierenempfang geben.