Merken

Schmiedeberger Künstler sichern Riesenmosaik

Einst schmückte es ein zehngeschossiges Haus in voller Höhe. Es ist das größte Mosaik in der Laufbahn der Dyroffs aus Schmiedeberg.

Teilen
Folgen
NEU!
© Egbert Kamprath

Von Franz Herz

Schmiedeberg. Der frühere Wartesaal im Bahnhof Schmiedeberg, in dem heute Anna Dyroff und Vater Klaus-Peter Dyroff ihr Mosaik-Atelier betreiben, ist ein sehr großer Raum. Aber das Kunstwerk, an dem sie derzeit arbeiten, passt selbst hier nur in Einzelteilen hinein. Es handelt sich um ein Mosaik, das bis 2004 an der Wand eines zehnstöckigen Wohnhauses in der Elsterwerdaer Straße in Dresden-Prohlis angebracht war. Es war so hoch wie das Gebäude und misst rund 10 mal 27 Meter. 1975 hat der Dresdner Maler und Grafiker Siegfried Schade mit der Arbeit daran begonnen, 1979 ist er fertig geworden. Schade war Mitglied der Produktionsgenossenschaft „Kunst am Bau“. Sein monumentales Wandbild wird unterschiedlich benannt. Mal heißt es „Familie“, mal „Mutter mit Kind“. Es gilt als wichtiges Werk in der Verbindung von Kunst und Architektur in der DDR.

Die Details und das große Ganze sind hier zu sehen. Eines der wenigen erhaltenen Fotos von dem Wandbild zeigt die Größe des Mosaiks, das ein zehnstöckiges Wohnhaus in Dresden-Prohlis geschmückt hat, bis es 2004 abgerissen wurde.
Die Details und das große Ganze sind hier zu sehen. Eines der wenigen erhaltenen Fotos von dem Wandbild zeigt die Größe des Mosaiks, das ein zehnstöckiges Wohnhaus in Dresden-Prohlis geschmückt hat, bis es 2004 abgerissen wurde. © Repro: Egbert Kamprath
Klaus-Peter Dyroff puzzelt Scherben wieder zusammen.
Klaus-Peter Dyroff puzzelt Scherben wieder zusammen. © Egbert Kamprath

Dann gehörte es zum Stadtbild, bis 2004 der Wohnblock abgerissen wurde. Beinahe wäre das Mosaik auch dahingegangen, wenn es nicht kurz vorher noch unter Denkmalschutz gestellt worden wäre. „Es wurde dann mit den Betonplatten, auf denen es angebracht war, abgenommen und auf einem Bauhof gelagert, Wind und Wetter ausgesetzt“, berichtet Klaus-Peter Dyroff. Dort blieb es und wäre wohl im Laufe der Zeit zerfallen. Doch im vergangenen Jahr bekamen Dyroffs den Auftrag, das Werk zu sichern.

Die beiden Mosaikkünstler und -restauratoren kümmern sich seitdem um das größte und schwerste Kunstwerk in ihrer Laufbahn. Das Mosaik besteht aus Keramikfliesen in der Größe von vier mal vier Zentimetern, die auf die Betonplatten aufgebracht sind. Eine Platte wiegt vier bis fünf Tonnen. „Wir haben schon mehrfach den Autokran bestellt, um die Platten umzuheben, damit wir weiterarbeiten konnten“, erzählt Klaus-Peter Dyroff. Das muss ganz vorsichtig geschehen, damit nichts zerbricht.

Aufgabe der Restauratoren ist es, das Mosaik von den Betonplatten zu lösen und so aufzubewahren, dass es später einmal an einem neuen Platz angebracht werden kann. Bisher gibt es dafür zwar keine genauen Pläne. Eine freie Fläche, die zehn Meter breit und mindestens 27 Meter hoch ist, findet sich selbst in Dresden nicht so schnell.

2015 fand in Dresden ein Ideenwettbewerb statt, der nach Möglichkeiten suchte, wie das Großmosaik wieder gezeigt werden könnte. Viele Ideen entstanden, aber keine zündete bisher so richtig. Vielleicht ergibt sich ja doch noch eine Lösung. Die Restauratoren schaffen jetzt jedenfalls die Voraussetzung, das Kunstwerk zu erhalten und so zu sichern, dass es wieder gezeigt werden kann.

Das ist mal harte Arbeit, mal ein Geduldsspiel. Teilweise sind einzelne Fliesen oder Stücke davon schon abgefallen und liegen vor den Betonplatten. Die werden zuerst aufgesammelt, damit sie der richtigen Platte zugeordnet und möglichst wieder an die ursprüngliche Stelle eingefügt werden können. Solche Bruchstücke, die zu einer Platte gehören, puzzeln die beiden in der Werkstatt wieder zusammen.

Um die Fliesen vom Beton zu trennen. kleben die Restauratoren auf die Vorderseite der Mosaikfliesen eine Trägerfolie. Die verhindert, dass die Fliesen einfach herunterfallen. Sie sollen ja genau so zusammenbleiben, wie es sich der Künstler vor 40 Jahren vorgestellt hat. Ist das Mosaik so von vorne gesichert, kann es hinten abgelöst werden. Das ist immer wieder eine neue Aufgabe. Manchmal ist der Beton so lose, dass das Mosaik fast von allein abfällt. Mal ist der Beton härter als die Keramik, dann setzten sie verschiedene Werkzeuge ein. Das kann auch mal ein Trennschleifer sein, der dann aber vorsichtig geführt wird. Rund 150 000 einzelne Fliesen trennen sie von den Betonplatten. Daran arbeiten Dyroffs seit November vergangenen Jahres.

Sie bringen die Einzelteile des Kunstwerks nach Schmiedeberg in ihre Werkstatt. Dort reinigen sie die Teile, versuchen, zerbrochene Fliesen einander wieder zuzuordnen, und dokumentieren, wo an manchen Stellen die Teile ganz fehlen. Die werden später noch ergänzt. Am Ende wird das Mosaik in viele Kisten verpackt sein und einen genauen Plan bekommen, nach dem es wieder aufgebaut werden kann. Bis dahin wird es in Dresden im Lapidarium eingelagert.

Weil dies keine alltägliche Restaurierung ist, werden Dyroffs ihre Arbeit auch im Herbst auf der Denkmal-Messe in Leipzig präsentieren. Sie sind dabei, einen Teil des Großmosaiks auf eine Platte zu bringen, die dann ausgestellt werden kann. Vielleicht hat dann einer der dort anwesenden Fachleute eine Idee, wie und wo das Riesenkunstwerk wieder öffentlich gezeigt werden kann.