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Schmierfinken auf dem Vormarsch

An immer mehr Stellen in der Stadt prangen illegale Graffiti. Dabei stellt die Stadt Flächen für die kunstvolle Gestaltung frei.

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© Claudia Hübschmann

Von Marcus Herrmann

Meißen. Besonders einfalls- oder geistreich sind sie nicht: Die meisten Graffiti-Schriftzüge in Form von Zeichen, Sprüchen oder Kürzeln, die zunehmend Flächen in der Stadt zieren, sind nicht gerade kunstvoll. Viel mehr als das typische „ACAB“ (All cops are bastards) , Vulgaritäten oder eindeutige Hinweise, dass die Fußballszene in Meißen dem schwarz-gelben Traditionsverein aus Dresden deutlich mehr zugeneigt ist, als den Klubs aus Aue oder Rostock, gibt die Bandbreite nicht her. Das Mitteilungsbedürfnis scheint unter den Sprayern vor allem in dieser Hinsicht groß.

Unter der Altstadtbrücke sind viele Graffiti zu finden. Leider sprühen die meisten der Sprüche nicht gerade vor Witz und Einfallsreichtum. Das zeigt dieses zweifelhafte „Kunstwerk“.
Unter der Altstadtbrücke sind viele Graffiti zu finden. Leider sprühen die meisten der Sprüche nicht gerade vor Witz und Einfallsreichtum. Das zeigt dieses zweifelhafte „Kunstwerk“. © Claudia Hübschmann
© Claudia Hübschmann
In der Nähe des Lidl-Einkaufsmarktes an der Fährmannstraße haben sich Sprayer mit diesen Abkürzungen verewigt. Ähnliche oder gleiche Schriftzüge sind auch am Parkplatz gegenüber der Roten Schule zu finden.
In der Nähe des Lidl-Einkaufsmarktes an der Fährmannstraße haben sich Sprayer mit diesen Abkürzungen verewigt. Ähnliche oder gleiche Schriftzüge sind auch am Parkplatz gegenüber der Roten Schule zu finden. © Claudia Hübschmann

Vereinzelt sind Forderungen nach der Legalisierung bestimmter Drogen auszumachen oder es prangern Hieroglyphen an Hauswänden oder Brückenpfeilern, die – wenn überhaupt – nur Leute aus der Szene entschlüsseln können. Deutlich ist jedenfalls: Ob am Pylon an der Altstadtbrücke, der Mauer gegenüber der Roten Schule in der Innenstadt, dem Busbahnhof, der Eisenbahnbrücke über der Dresdner Straße, am Schiffsanleger Elbkai oder der Fährmannstraße nahe Lidl-Einkaufsmarkt – die unschönen Schmierereien nehmen zu. Das bestätigt auch der Meißner Polizeidirektor Hanjo Protze. „Während illegale Graffiti-Sprühereien im gesamten Zuständigkeitsbereich 2015 im Vergleich zum Vorjahr von 295 auf 202 Fälle abgenommen haben, ist es in der Stadt Meißen ganz anders.“ Hier beobachte die Polizei seit Anfang Februar eine deutliche Zunahme der Graffiti. Schwerpunkte seien Häuser entlang des Neumarktes oder die Niederauer Straße in Richtung Nassau.

Meist Jugendliche

Meist seien die Täter Jugendliche, die als Zeitvertreib die Sprühflasche ansetzten. Das sei keinesfalls ein Kavaliersdelikt, so der Polizist. „Wer bei einer Sachbeschädigung erwischt oder durch Ermittlungen überführt wird, muss mindestens mit einer Geldstrafe, schlimmstenfalls mit bis zu zwei Jahren Freiheitsentzug rechnen.“ An die Bürger appelliert Protze, sofort die Polizei zu rufen, wenn sie illegale Sprühereien beobachten. Warum diese im Stadtraum immer mehr zunehmen, dafür hat Protze keine Erklärung. Jedenfalls bleibt die Absicht hinter den Zeichen meist sehr uneinheitlich, viele scheinen Zufallsprodukte zu sein. Eine richtige Graffiti-Szene gibt es in Meißen nicht.

Weder im Streetart- noch im Skater-Bereich hat sich unter den Jugendlichen in der Stadt eine solche Bewegung etabliert, weiß Brita Hanschmann vom Jugendhaus Kaff in Meißen. Selbst am Jugendtreffpunkt am Skaterplatz sei das Sprayen nicht wirklich angesagt. „Unter den jungen Leuten sind uns da keine Gruppen bekannt. Die Graffiti kommen eher aus der Fußball-Szene oder von Einzelnen, die sich mal ausprobieren möchten“, sagt Hanschmann. Darunter leide natürlich auch die Qualität eines Graffito. „Wir haben an Kirchen oder am Kaufland in der Stadt auch schon simple, langgezogene blaue Tags (Signaturkürzel eines Sprayers – d. Red.) wahrgenommen. Diese sehen natürlich nicht schön aus.“

Dass es für die kunstvolle Gestaltung durchaus Entfaltungsmöglichkeiten gibt, betont FDP-Stadtrat Martin Bahrmann. „Wir haben dazu schon vor geraumer Zeit einen Antrag im Stadtrat vorgebracht. Daraus ist auch eine Art Katalog mit den Stellen entstanden, an denen legal gesprüht werden darf“, erzählt er. So gab es bereits im August 2015 eine Aktion der Stadtwerke Meißen, die mit professionellen Sprayern zusammengearbeitet hatte, um Verteilerkästen oder Trafo-Häuschen zu verschönern. Intern werde bereits diskutiert, ob so etwas auch mit Laien durchgeführt werden könnte. Spruchreif sei hier aber noch nichts, erläutert Stadtwerke-Sprecherin Lilly Schneider.

Die Stadt weist auf die Neugasse am Durchgang zur Neumarktschule hin. Hier sei vor geraumer Zeit eine Fläche für das legale Sprühen eingerichtet worden. Die Probleme mit Graffiti seien dem Ordnungsamt bekannt, teilt Stadtsprecher Philipp Maurer mit. „Jedes Jahr investiert das Amt mehrere Tausend Euro in die Übermalung, vor allem von verfassungsfeindlichen Symbolen“, sagt er. Dem lasse sich durch zusätzliches Personal im Ordnungswesen aber nicht Herr werden. Allerdings ruft die Stadt am 9. April wieder zum stadtweiten Frühjahrsputz auf. „Dann sollen auch wieder Schmierereien von öffentlichen Gebäuden entfernt werden“, so Maurer.