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Schmuckstück in der Warteschleife

Die Investoren verkaufen die Gründerzeitvilla in der Juststraße wieder. Die Sanierung kostet fast zwei Millionen Euro.

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© Mario Heinke

Von Mario Heinke

Vor Weihnachten 2018 sollten die ersten Mieter in die sanierte Gründerzeitvilla in der Juststraße 8 einziehen. Das kündigte Immobilienmakler Alexander Wittig im Dezember 2016 an. Schon damals war klar, dass hinter dem Termin noch viele Fragezeichen stehen. Großzügige Grundrisse, eine Maisonette-Wohnung, Balkone, ein atemberaubender Ausblick in den oberen Geschossen und ein Fahrstuhl sollten aus der heruntergekommenen Stadtvilla wieder einen attraktiven Wohnstandort mit elf Wohnungen machen. So der Plan damals. Jetzt ist klar, aus den Sanierungsplänen wird nichts.

Wittig war von den Investoren aus Süddeutschland, die noch andere Immobilien in Zittau besitzen, beauftragt, sich um die Vermarktung der Wohnungen zu kümmern. Einer der beiden Geschäftsfreunde, die das Grundstück 2016 erworben hatten, ist jetzt schwer erkrankt. Er möchte deshalb kein Risiko mehr eingehen und die Immobilie wieder loswerden, erzählt der Zittauer.

Nach ersten Schätzungen ging das Zittauer Planungsbüros I.H.R. Bauplanung vor zwei Jahren noch von einem Investitionsvolumen von 1,5 Millionen Euro für die Sanierung der denkmalgeschützten Villa aus. Die Planer haben die Summe inzwischen nach oben korrigiert, gehen jetzt von 1,7 Millionen Euro aus. Auch die Hoffnung, dass der Denkmalschutz sich mit einem Zuschuss an der Sanierung des stadtbildprägenden Gebäudes beteiligt, wird wohl nur ein frommer Wunsch bleiben, weil das Eckhaus wenige Meter außerhalb des innerstädtischen Sanierungsgebietes steht.

Das 900 Quadratmeter große Grundstück unweit des Stadtzentrums bietet hinter dem Haus viel Platz für einen Garten und einen Carport. Es sei denkbar, eine ganze Etage im Haus zur Praxis oder Kanzlei umbauen zu lassen, so Wittig, dem dieses Haus besonders am Herzen liegt. Er selbst hatte das Haus noch notgesichert und das Dach geschlossen, um weiteren Schäden an der Bausubstanz entgegenzuwirken. „Als wir das verwilderte Grundstück beräumt haben, meldeten sich sofort Leute in meinem Büro, die dort gern einziehen würden“, erzählt er und ist überzeugt, die innenstadtnahen Wohnungen könnten durchaus ihre Mieter finden, wenn der neue Investor einen Fahrstuhl einbaut. Die gehören in Zittau bekanntlich noch nicht zum allgemeinen Standard, obwohl die Bevölkerung immer älter wird.

Das Grundstück wird nun auf der Internetplattform immowelt.de als „Architektenhaus aus der guten alten Zeit“ für 78 000 Euro angeboten. Diese Beschreibung ist nicht übertrieben, denn die von Architekt Hans Pipo entworfene Stadtvilla im Stil des Historismus mit Türmchen, Fachwerk und Verzierungen kann getrost als Schmuckstück bezeichnet werden. Die einstige Schönheit des Gebäudes, eine Mischung aus Elementen der Neurenaissance und floralem Jugendstil, zeugt vom Wohlstand der Erbauer und lässt sich trotz maroder Substanz und kaputter Fensterscheiben gut erkennen. Die Fassade ziert ein gut erhaltenes Familienwappen samt Namen und die Jahreszahl 1900. Sie erinnert an das Jahr der Errichtung. Winkel und Zirkel-Symbole an der Hauswand weisen darauf hin, dass Pipo vermutlich den Freimaurern angehörte. Auch eine Inschrift deutet darauf hin. In welcher Form der Architekt den aufklärerischen Ideen der Freimaurer anhing, ist nicht überliefert.

So wird das architektonische Kleinod wohl noch einige Zeit auf bessere Zeiten warten.