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Schnellboote auf Wachstumskurs

Mit seiner Gruppe aus vier Firmen will Wilhelm Zörgiebel vom Trend zur personalisierten Medizin profitieren.

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© Jürgen Lösel

Von Lars Radau

Wenn Wilhelm Zörgiebel Dinge veranschaulichen will, landet er mitunter im militärischen Vokabular. Spricht von einem „Schnellbootgeschwader“, für das es jetzt gewissermaßen eine „gemeinsame Kommandobrücke“ gebe. Oder von „Streuverlusten“, die die einzelnen Schnellboote mit ihrer Zusammenarbeit minimieren könnten. Und dass ein kleines Schnellboot ohnehin wendiger und flexibler sei als ein großer Tanker, liegt für den 63-Jährigen auf der Hand.

Dabei hat das Geschwader, das Zörgiebel kommandiert und dessen Heimathafen die ehemalige Manufaktur der Deutschen Werkstätten in Dresden-Hellerau ist, selbst schon eine ansehnliche Größe erreicht. In fast zwei Jahrzehnten baute der Wirtschaftsingenieur, der in Darmstadt studiert und an der Harvard Business School über Innovationsmanagement promoviert hat, ein kleines, feines Imperium von Biotech-Firmen auf. Vier Unternehmen sind derzeit unter dem Dach seiner „Molecular Diagnostics Group“ (MDG) gebündelt. Gemeinsam beschäftigen sie rund 150 Mitarbeiter und bringen es auf einen Jahresumsatz von 20 Millionen Euro.

Der, sagt Zörgiebel, könne in fünf Jahren durchaus bei 50 Millionen Euro liegen. Das Stichwort heißt „personalisierte Medizin“ – und flugs ist der MDG-Chef wieder bei Streuverlusten und Schnellboten. Und Prostata-Krebs. Hier hat Zörgiebels erstes Boot, die 1999 gegründete Biotype Diagnostic GmbH, gemeinsam mit dem Dresdner Uniklinikum ein Testverfahren entwickelt, das unter Umständen die bisher übliche Gewebe-Entnahme überflüssig machen könnte. Künftig könnten auch Blut- und Urinproben reichen, um ein erstes Bild zu bekommen, das mithilfe der 2014 gekauften Rotop Pharmaka GmbH, dann präzisiert werden kann.

Kein Tanker werden

Die Rotop ankert nicht in Hellerau, sondern ist auf dem Gelände des ehemaligen Kernforschungszentrums Dresden-Rossendorf angesiedelt. Sie ist spezialisiert auf radiopharmazeutische Diagnostik – mithilfe der schwach radioaktiven Produkte können Mediziner Krebs und andere Wucherungen im menschlichen Körper sichtbar machen. In dieser Zusammenarbeit der Disziplinen, sagt Karim Tabiti, der die 2015 als Joint-Venture mit dem deutsch-niederländischen Gendiagnostik-Konzern gegründete Biotype Innovation GmbH führt, liege das große Zukunftspotenzial des MDG-Geschwaders. Sie könne nicht nur bestimmte Tests für den Patienten angenehmer machen, sondern umgekehrt auch Medikamenten-Entwicklern dabei helfen, ihre Präparate zielgenauer, also mit weniger Streuverlusten, zu entwickeln.

Hier kommt das Thema „Big Data“ ins Spiel – und das vierte Schnellboot in Zörgiebels Geschwader. Die 2001 gegründete Qualitype GmbH hat damit reichlich Erfahrung – das Unternehmen verkauft Konzepte und Software-Anwendungen, die die Sicherheit in der Biotechnologie- und der Lebensmittelindustrie erhöhen. Eines der ersten Produkte, das Qualitype auf den Markt brachte, war eine datenbankgestützte Webanwendung, mit der der Salmonellenstatus von Schweinefleisch über die gesamte Produktionskette überwacht werden kann – vom Züchter über Händler, Schlachtbetriebe, Labore und Zertifizierungsstellen bis hin zum Lebensmitteleinzelhandel. Heute, sagt Qualitype-Vorstand Frank Götz, überwachen die Systeme unter anderem den Antibiotika-Einsatz in großen Teilen der deutschen Schweinefleisch-Produktion – und verarbeiten Daten von mehr als 30 Millionen Schweinen.

„Klassische“ Biotechnologie, radiopharmazeutische Diagnostik und „Big Data“ unter einem Dach – für Wilhelm Zörgiebel ist das ein „vielversprechendes Paket“. Und sicherlich auch einer der Gründe, warum Schnellboot-Kommandant-Zörgiebel und Karim Tabiti bei der Biotype Innovation GmbH seit Kurzem erneut mit einem Tanker zusammenarbeiten. Der Konzern Qiagen hat mehr als 4 000 Beschäftigte an 35 Standorten, reichlich eine halbe Million Kunden und bringt es beim Umsatz auf deutlich mehr als eine Milliarde Euro. Das Gemeinschaftsunternehmen soll Testverfahren für die Molekulardiagnostik entwickeln. Aktuelles Produkt ist ein „Modaplex“ genanntes Analysegerät, das mehrere Erbgut-Merkmale wie DNA und RNA gleichzeitig analysieren kann. Überhaupt ist es laut Karim Tabiti ein wichtiger Ansatz des Joint-Ventures, „Effektivität in die Diagnostik“ zu bringen. Künftig, so die Gründungs-Vision, ließen sich mit einer Laborprobe aus Blut oder Gewebe bis zu 100 verschiedene Tests in einem einzigen Arbeitsgang machen.

Mit Qiagen arbeitet Zörgiebel seit 2009 zusammen. Das Schnellboot Biotype hatte Know-how entwickelt, das dem Tanker fehlte. „Qiagen wollte auf den forensischen Markt“, sagt Zörgiebel, „und Test-Kits für den sogenannten genetischen Fingerabdruck im Portfolio haben.“

Das ungleiche Paar konnte sich sehr gut helfen. Zum Zeitpunkt der Kontaktaufnahme steckte Biotype wegen eines Patentstreits in einer existenzbedrohenden Klemme. Qiagen bot Hilfe an, und man kam ins Geschäft. Schnellboot und Tanker schlossen eine strategische Allianz. Biotype verkaufte seine Sparte für die forensischen Analysesysteme an Qiagen, konnte aber Hersteller seiner Produkte bleiben und liefert seitdem an den Konzern, der sie weltweit vertreibt.

Noch weiter gehen würde Zörgiebel geschäftlich aber nicht – im Gegensatz zu anderen „Biotech-Start-ups“, als die er sein Geschwader etwas kokett bezeichnet, sei sein Ziel „nicht der möglichst lukrative Exit“. Zumal er überzeugt ist, dass seine Firmengruppe jetzt für die kommenden Jahre „genau richtig aufgestellt“ ist. Und, bei allem Wachstum, immer „eher Schnellboot als Tanker“ bleiben soll.

Außerdem wurden unter anderen vorgeschlagen: Ingolf Brumm, Brumm Bau GmbH, Meißen; Jürgen Felgner, Felgner Sicherheitstechnik GmbH & Co. KG, Dresden; Marcel Schramm, Tischlerei & Restaurationsbetrieb Schramm GmbH, Bertsdorf-Hörnitz.

Unternehmerpreis 2016/17

„Sachsens Unternehmer des Jahres“ ist eine Initiative von Sächsischer Zeitung, Freier Presse und MDR sowie von Volkswagen Sachsen, der Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft PwC, der LBBW Sachsen Bank, der Sparkassen-Versicherung Sachsen und des Eventausrüsters Congressteam in Dresden.

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