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Schwere Vorwürfe gegen Mitarbeiter der Werkschule

Vier Lehrer und Erzieher der Freien Werkschule Meißen müssen sich am Dienstag vor Gericht wegen sexueller Übergriffe verantworten. Oder doch nicht?

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Von Jürgen Müller

Vorgänge an der Freien Werkschule Meißen haben nun nach fast drei Jahren ein juristisches Nachspiel. Damals soll es in der 1. Klasse zu sexuellen Übergriffen zwischen Schülern gekommen sein. Vier Lehrer und Erzieher der Schule, drei Frauen und ein Mann, müssen sich in dieser Woche vor dem Amtsgericht Meißen verantworten. Ihnen wird Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht vorgeworfen.

Für das Verfahren sind zunächst zwei Verhandlungstage angesetzt. Diese finden morgen und am Donnerstag, jeweils ab 9 Uhr, am Amtsgericht Meißen, Neumarkt 19, statt. Insgesamt 16 Zeugen sind geladen. Ob tatsächlich verhandelt wird, scheint jedoch fraglich. Nach Informationen der SZ befindet sich eine wichtige Zeugin, die den Stein erst ins Rollen brachte, im Ausland und konnte nicht geladen werden. Sie ist überrascht davon, dass die Verhandlung doch angesetzt wurde. Das habe sie erst von der SZ erfahren. „Die ganze Familie befindet sich seit Januar bis Ende dieses Monats aus beruflichen Gründen im Ausland. Dies habe ich dem Gericht noch am Tage der Ladung mitgeteilt. Eine Anreise von über 2 000 Kilometer wäre für uns unverhältnismäßig gewesen, zumal wir hier zeitlich sehr eingebunden sind“, schreibt sie der SZ per Mail.

Warum das Gericht auf die Zeugin verzichtet und das Verfahren, das sich nun schon fast drei Jahre hinzieht, nicht noch um weitere zwei Wochen verschiebt, diese Frage wollte das Amtsgericht Meißen am Freitag nicht beantworten. Auch, ob das Verfahren schon einmal gegen eine Geldauflage eingestellt werden sollte, drei der vier Beschuldigten dies aber ablehnten, weil sie einen Freispruch wollen, beantwortet das Gericht nicht. Oberstaatsanwalt Lorenz Haase, der Sprecher der Staatsanwaltschaft Dresden, ist da offener: „Diese Frage kann ich mit Nein beantworten.“

„Wir stehen hinter den Lehrern und Erziehern“, sagt Gritt Kutscher, Mitglied des Elternrates der Freien Werkschule. So sieht das auch Geschäftsführerin Dorothee Finzel: „Es wundert mich schon, dass nun doch ein Verfahren durchgeführt wird. Vor allem aber bin ich erstaunt über den Tatvorwurf“, sagt sie. Aus ihrer Sicht spreche nichts dafür, dass die Lehrer und Erzieher schuldig gesprochen würden. „Ich hoffe, dass mit dem Verfahren nun endlich ein Schlusspunkt unter das Thema gesetzt wird“, so die Geschäftsführerin. In einem Elternbrief vom 3. Februar 2014, der der SZ vorliegt, gibt die Geschäftsführerin ungewollt zu, dass die Lehrer ihrer Fürsorge- und Erziehungspflicht offenbar nicht nachkamen. Dorothee Finzel schreibt, die von den Eltern geschilderten Übergriffe könne sie weder bestätigen noch ausschließen.

Dabei müsste sie wissen, was passiert ist. Das nämlich geht aus einem Elternbrief des Vereinsvorstandes, also des Schulträgers, vom Juni 2011 hervor. Dieser liegt der SZ ebenfalls vor. Darin heißt es: „Verschiedene sexuelle Übergriffe unter den Kindern haben unser Miteinander und das Vertrauen untereinander einer großen Belastungsprobe unterworfen. Bei den Übergriffen handelt es sich sowohl um verbale, nicht hinnehmbare Äußerungen und Beleidigungen als auch um erzwungene Entblößungen und Berührungen des Geschlechtes in Verbindung mit Festhalten, Fesseln oder massiver Bedrohung.“ Das Gericht muss nun in der Hauptverhandlung klären, wie es zu derartigen Vorfällen in einer Schule kommen konnte, wieso die Lehrer und Erzieher davon nichts mitbekamen oder nicht einschritten.

Vielen Eltern stößt in dem jetzigen Brief auf, dass sie ihrer Meinung nach von der Geschäftsführerin bevormundet werden. Zitat aus dem Elternbrief: „Presse und Außenstehende werden in den nächsten Tagen und Wochen an die Schule herantreten und Meinungen und Aussagen einholen. Aussagen – auch gut gemeinte – können in einer solchen Situation viel Schaden anrichten. Stellungnahmen zu dieser Strafsache sollten ausschließlich von mir abgegeben werden.“

Nicht nur die Zeugin, die nicht geladen werden kann, ist überzeugt, dass sich die Schule schuldig gemacht habe. „Selbstverständlich stehe ich zu jeder einzelnen Formulierung, die ich in der Angelegenheit Werkschule jemals getroffen habe. Zweifellos haben alle Angeklagten ihre Fürsorge- und Aufsichtspflicht verletzt. Meine Tochter würde alle Vorwürfe jederzeit in ähnlicher Form bezeugen. Sie wird die tiefe Unsicherheit und den vielen Kummer, der sie in der Werkschule getroffen hat, sicher ihr Leben lang nicht vergessen.“

Ginge das Gericht ins Strafbefehlsverfahren über, käme es nicht zu einer Verhandlung. Dann würde die Anklageschrift möglicherweise gar nicht verlesen. Dies sei das Ziel einiger Beteiligter, sagt ein Insider: „Wenn die Anklage verlesen wird, hat die Schule ein Problem“, vermutet er, fügt aber hinzu: „Ich vertraue der Unabhängigkeit der Justiz und darauf, dass das Gericht seiner Aufklärungspflicht vollumfänglich nachkommt.“