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Seelenmusik, oder nach Schiller: „Der Wahn ist kurz, die Reu’ ist lang“

Rezension: Die Hoyerswerdaerin Barbara Peschke debütiert mit einem Band, der ihre eigene Geschichte widerspiegelt.

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Cover von "Seelenmusik".
Cover von "Seelenmusik". © Reproduktion: Uwe Jordan

Von Uwe Jordan

Träumend blickt die junge Frau. Vielleicht in die Zukunft; vielleicht in sich selbst. Unter den Kopfhörern wird wohl Loreena McKennitt zu hören sein – ihre Seelenmusik, mit der sich Schönstes und Bedrückendstes zugleich verbindet.

Die junge Frau auf dem Titel des Bändchens ist Scully, das Alter Ego von Barbara Peschke. Die Hoyerswerdaerin schildert auf 116 Seiten eine Geschichte, wie sie jedem/jeder passieren kann. Nicht nur im Teenager-Alter, wenn man auf der Suche nach der ersten, großen, natürlich absoluten, für immer und ewig haltenden Liebe ist – sondern auch und vielleicht gerade dann, wenn man in die zweite Lebenshälfte (oder, bitte: das zweite Lebensdrittel) eingetreten ist; Erfahrungen, Enttäuschungen und Beziehungen hinter sich hat, noch einmal ganz von vorn anfangen möchte – und mit knapp 50 denselben Traum noch einmal träumt wie mit 15 oder 25: den von der großen Liebe, die es jetzt aber gewiss ist.

So wie sich ein Dokumentarfilm zum „echten“ Kino-Streifen verhält, verhält sich „Seelenmusik“ zu Roman-Literatur. Die Hauptfigur Scully ist erkennbar die Autorin selber, und man geht wohl nicht fehl in der Annahme, dass das Erzählte sich nur hin und wieder ein bisschen der literarischen Überhöhung bedient, aber vor allem eine Schilderung wahrer Begebnisse darstellt. Und die sind nach hoffnungsvollem Beginn nur all zu bald sehr unerfreulich, denn rasch kehrt sich alles zum Schlechten.

„Muss ja“; sagt der naseweise Leser, „es hat einfach zu gut angefangen“. Mit großer Verliebtheit und einer Traumhochzeit, vor der erste Warnsignale verdrängt werden: Gab’s das nicht schon einmal in einer früheren, gleichfalls in die Brüche gegangenen Beziehung: Rosenblätter, vom Angebeteten in die Badewanne gestreut? Doch, doch. Gut, den von Anfang an und unbeugsam misstrauischen Kater von Scully rechnen wir mal der Dramaturgie zu.

Pathetisch gefragt: Kann jemand so ideal sein (und bleiben!) wie Scullys Schwarm in der Zeit vor der Ehe? Nein, kann er und auch sie nicht. Nach der Leidenschaft stellt sich meist Alltag ein. Das ist nur mit viel, viel beiderseitigem Bemühen abzumildern, und wenn die Partnerschaft ins ruhige Fahrwasser gedeihlichen Miteinanders führt, Achtung und Zuneigung das Leben bestimmen, ist dagegen bei nüchterner Betrachtung wenig einzuwenden. Übel aber wird es, wenn einer der Partner eine Maske getragen hat, die er ablegt, wenn es nicht mehr nötig ist – oder wenn er sich nicht mehr verstellen kann oder will; einfach, weil es seinem Charakter zuwiderläuft.

So ergeht es Scully mit ihrem „Neuen“, der sich als Narzisst erweist – übersteigert ich-bezogen, geschlagen mit einer (als Krankheit anerkannten) Persönlichkeitsstörung. Scully ist überdies an einen schweren Narzissten geraten, der für die Bestätigung seines Egos nicht nur ständig Lob von außen braucht und dafür mitunter sogar anerkennenswerte Aktivitäten entfaltet, sondern der absolute Kontrolle über seine Partnerin anstrebt, sie demütigt und Stück um Stück psychisch demontiert: je kleiner die Frau, desto größer er selbst.

Barbara Peschke schildert, wie Scully immer tiefer in einen Sog der Selbstaufgabe gerät, bis es ihr dank Freunden gelingt, der Abwärtsspirale zu entkommen – und eine neue Beziehung einzugehen, der man nur wünschen kann, dass es diesmal besser beziehungsweise gar nicht enden möge und die Seelenmusik nur angenehm klingt.

„Seelenmusik“ ist Erfahrungsbericht und Psychogramm, erinnernd Schillers „Drum prüfe, wer sich ewig bindet / Ob sich das Herz zum Herzen findet. / Der Wahn ist kurz, die Reu’ ist lang.“ Man weiß es ja – und ist trotzdem nicht davor gefeit. Ein Stückchen gut gemeinter Warnung immerhin ist Barbara Peschkes Buch.

„Seelenmusik“ – zu beziehen für 10  Euro bei Barbara Peschke unter Telefon  0172 9963334