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Seenotretter im Schmähkritik-Stress

Im Januar kassierte das rechtsextreme Pegida-Bündnis vorm Landesgericht eine Unterlassung gegen die Seenotretter von Mission Lifeline und beruft jetzt dagegen vor der nächsten Instanz.

Von Stefan Becker
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Mission Lifeline-Mitgründer Axel Steier vor dem Landgericht in Dresden.
Mission Lifeline-Mitgründer Axel Steier vor dem Landgericht in Dresden. © Stefan Becker

Das Ausreizen juristischer Grenzen bezüglich der Meinungsfreiheit geht in die nächste Runde: Am Freitagmorgen trafen Seenotretter Axel Steier und sein Rechtsvertreter Johannes Lichdi im Oberlandesgericht Dresden auf Pegida-Anwältin Katja Reichel und Siegfried Däbritz. Dort verhandelt der 4. Zivilsenat die Berufung des Pegida Fördervereins und von Siegfried Däbritz gegen ein Unterlassungs-Urteil vom Januar diesen Jahres.

Die Kläger: Pegida-Rechtsanwältin Katja Reichel und Pegida-Frontmann Siegfried Däbritz.
Die Kläger: Pegida-Rechtsanwältin Katja Reichel und Pegida-Frontmann Siegfried Däbritz. © Stefan Becker

Dabei schien damals eigentlich alles klar, als das Landgericht Dresden mit einer deutlichen Entscheidung den Pegida Förderverein und dessen prominenten Protagonisten in die Schmähkritik-Schranken wies: Sollten sie abermals die Seenotretter von „Mission Lifeline“ öffentlich als Schlepperorganisation diskreditieren, so könnte das eine Strafe von bis zu 250000 Euro provozieren.

Axel Steier und sein Rechtsanwalt Johannes Lichdi hatten sich im Winter erfolgreich gegen die Aussagen eines Facebook-Posts gewehrt, den die Identitäre Bewegung Dresden bereits im November 2017 ins Netz gestellt, nach Anwaltspost inklusive Unterlassungs-Androhungen aber schnell wieder gelöscht hatte. Kurze Zeit später folgten Däbritz und Pegida dem Beispiel, ignorierten aber die Schreiben vom Anwalt. So kam es zum Prozess.

Das Landgericht begründete sein Urteil unter anderem damit, dass das Facebook-Posting nicht auf eine Sachauseinandersetzung abgezielt habe, sondern einzig auf eine Diffamierung der Seenotretter, was auch die Titulierung als „Mission Borderline“ deutlich gemacht hätte. Naturgemäß sehen Pegida und Co das anders.

Mit der Berufung wollen die Beklagten geltend machen, dass das Landgericht die verfassungsrechtlichen Maßstäbe für die mit der Annahme einer Schmähkritik einhergehenden Einschränkung ihrer Meinungsfreiheit verkannt habe, schrieben die Juristen vom Schloßplatz vorab in einer Mitteilung. Des Weiteren argumentieren die Revisionisten, dass das bloße Teilen des Facebook-Eintrages eines Dritten nicht mit einer eigenen Meinungsäußerung gleichgesetzt werden könne.

Im großen Verhandlungssaal des OLG erklärte der Vorsitzende Richter Markus Schlüter zu Prozessbeginn das grundsätzliche Problem mit dem schmalen Grat der Schmähkritik: Werde ein Mensch persönlich diffamiert und herabgesetzt, wenn er wie im konkreten Fall als „Schlepper“ bezeichnet würde? Mission Lifeline Anwalt Johannes Lichdi argumentierte vehement für diese Sicht auf die existierenden Beweise in Form von Screenshots des Posts, assistiert von Axel Steier. Schlüter mahnte in Richtung der Seenotretter allerdings die Unvollständigkeit des Beweismaterials an sowie das Fehlen einer eidesstattlichen Versicherung.

Im ersten Lifeline-Bachmann-Prozess aus dem Jahre 2017 schlossen die Parteien einen Vergleich. Im zweiten Lifeline-Pegida-Prozess unterlag das rechtsextreme Bündnis vorm Langericht und ging in jetzt akute Berufung. Ob man sich nicht wieder auf einen Vergleich einigen könne, schlug Schlüter der klagenden Rechtsanwältin Katja Reichel vor. Frieden schließen und zukünftig sachlich kritisieren, lautete sein Vorschlag.

Reichel lehnte die Offerte ab und so verkündet der 4. Zivilsenat sein Urteil am Freitag, den 01. Juni.

Richter Markus Schlüter flankiert von seinen Beisitzerinnen Judith Riechert und Andrea Podhranski.
Richter Markus Schlüter flankiert von seinen Beisitzerinnen Judith Riechert und Andrea Podhranski. © Stefan Becker