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Sein Lehrjahr

In seinem ersten Jahr hat Uwe Rumberg versucht, seine Rolle als Stadtoberhaupt Freitals zu finden. Ist ihm das gelungen?

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© Karl-Ludwig Oberthür

Von Tobias Winzer

Freital. Zeit ist relativ. Und wie jemand einen Zeitraum wahrnimmt, lässt auf seinen Gemütszustand schließen. Insofern wäre es interessant zu erfahren, wie Freitals Oberbürgermeister Uwe Rumberg (CDU) wohl im Inneren über sein einjähriges Amtsjubiläum am heutigen Montag denkt. Ein Jahr von sieben geschafft? Oder: nur noch sechs Jahre Zeit bis zur nächsten Wahl? Wer den 58-Jährigen bei einer Rede im Januar erlebte, der muss annehmen, dass er wohl eher die erste Variante im Kopf hat. Dass er schon die Tage zählt, bis seine Amtszeit endlich vorbei ist. Einerseits. Andererseits scheint Rumberg seine Rolle als Stadtoberhaupt gerade zu finden. Er gestaltet mehr, präsentiert sich öfter in der Öffentlichkeit, schmiedet Bündnisse. Also überwiegt doch die Freude auf die nächsten sechs Jahre?

Fest steht: Es war kein leichtes erstes Jahr für Rumberg und nicht immer hat er sich so gut geschlagen, wie es für Freital wünschenswert gewesen wäre.

Es war der 22. Januar, als Rumberg einen tiefen Einblick in sein Seelenleben gab. Warum sich der Oberbürgermeister dafür ausgerechnet die Ansprache auf dem traditionellen Neujahrsempfang aussuchte, bleibt sein Geheimnis. Sein Amtsvorgänger und Parteikollege Klaus Mättig nutzte solche Auftritte für ausschweifende Reden – für markige Worte, für Abrechnungen mit vermeintlichen Gegnern, für einen Blick in die Zukunft der Stadt Freital. Rumberg versuchte sich an diesem Abend als jovialer Gastgeber. Er machte anfangs Scherze, hielt sich dann aber doch starr an sein Manuskript und ratterte das Geschaffte vom abgelaufenen Jahr herunter. Die geladenen Gäste waren sich hinterher einig, dass die Rede bestenfalls mittelmäßig war.

Beim Thema Asyl machte Rumberg dann einen angeschlagenen Eindruck. Es war offensichtlich, dass die vergangenen Monate mit der Berichterstattung über Freital und persönlichen Bedrohungen gegen ihn Spuren hinterlassen haben. „Wenn ich vorher gewusst hätte, dass das Thema so auf uns zukommt, hätte ich es mir vielleicht anders überlegt“, sagte er damals und machte eine Rechnung auf. Die erste Hälfte des ersten Jahres von insgesamt sieben seien geschafft. „13/14 liegen also noch vor uns.“ Er sagte das mit einem gequälten Lächeln. Manche fanden das peinlich und für ein Stadtoberhaupt unangemessen. Rumberg machte nicht den Eindruck, als hätte er Spaß an seinem Job.

Vor Problemen weggeduckt?

Es ist ihm schwergefallen, in der Asyl-Debatte seine Position zu finden – zugegeben, keine leichte Aufgabe. Am liebsten wäre es ihm gewesen, das Problem hätte sich irgendwie von allein gelöst – und so kam es dann ja auch.

Zwischen Asylgegnern und Asylbefürwortern stehend, entschied er sich für das Mantra: „Ich lehne jegliche Gewalt ab.“ Und: Die Medien sind schuld am Image der Stadt. Dass es in Freital eine nennenswerte Neonazi-Szene gebe, sei ein „Klischee“ – sagte er nicht selbst, sondern ließ es über seinen juristischen Referenten mitteilen. Angesichts der Hausdurchsuchungen gegen die wohl rechtsterroristische „Gruppe Freital“ brachte ihm das viel Hohn. Er würde die Probleme verschweigen, hieß es.

Wenn man es böse meint, könnte man sagen, dass Rumberg sich vor den Problemen weggeduckt hat. Er hat die Konfrontation gemieden, weil er es sich mit niemandem verscherzen wollte. Anstatt in die Offensive zu gehen, offen über die Bedrohungen gegen ihn und die Probleme Freitals zu sprechen, schwieg er in der Öffentlichkeit. Er hätte viel für das Image Freitals tun können, als die Stadt eh deutschlandweit im Fokus stand. Warum die ungeliebten Medien nicht einmal für seine Zwecke nutzen? Wenn man es gut meint, könnte man sagen, dass es zurzeit ruhig ist in Freital. Ziel also erreicht.

Wenn man es gut meint, könnte man auch sagen, Rumberg musste sich in seiner Rolle als Oberbürgermeister erst finden. Vielleicht musste er erst verstehen, dass der Schritt vom Chef der Freitaler Wohnungsgesellschaft zum Stadtoberhaupt doch ein gewaltiger ist. Dass es nicht reicht, Stadtratssitzungen vorzubereiten, Vorlagen zu unterschreiben, die Haushaltsplanung zu leiten und seine Mitarbeiter zu führen. Dass er mehr als ein Verwalter sein muss. Dass er eine Vision für Freital entwickeln muss. Dass er das Gesicht der Stadt in der Öffentlichkeit ist. Im Wahlkampf hatte er sich als „Macher“ präsentiert. Diesem Anspruch läuft er bislang noch hinterher.

Rumberg hat sich Hilfe geholt. Seit April ist Katrin Reis, vormals Sprecherin der Bildungsagentur in Dresden, seine Büroleiterin. Mit Matthias Weigel beginnt am heutigen Montag ein neuer Pressesprecher im Rathaus. Er kommt von der Sächsischen Zeitung. Rumberg wird selbst gemerkt haben, dass er sich und Freital besser verkaufen muss. Allzu oft blieben gute Ideen und Initiativen zuvor im Verborgenen.

Und es hat sich etwas getan. Die im Frühjahr eingeführte Familienkarte, mit der Familien Rabatte in verschiedenen Einrichtungen bekommen, wurde auf einer gut vorbereiteten Pressekonferenz vorgestellt. Etliche Journalisten kamen und berichteten positiv über Freital. Zweites Beispiel: Nach der Entscheidung über den Kauf der Ballsäle Coßmannsdorf durch die städtische Wohnungsgesellschaft WGF im April tat Rumberg erstmals etwas, was er in den Monaten davor stets vermieden hatte. Er sprach sich klar für den Erhalt des Gebäudes als Veranstaltungsort aus – obwohl die Untersuchungen, ob das Ganze bezahlbar wäre, noch ausstehen.

Er geht damit ein Wagnis ein, weil er sich vielleicht revidieren muss, wenn die Zahlen doch nicht passen. Er müsste dann Menschen, die Hoffnungen in ihn gesetzt haben, enttäuschen. Das mag er nicht. Taktisch klug war der Schritt aber allemal: Die vier Stadträte der Freien Wähler hatten sich schon lange dafür stark gemacht und wurden damit enger an die CDU-Fraktion gebunden. Zusammen stellen die beiden Fraktionen die Mehrheit der Stadträte. Das kann Rumberg in Zukunft noch helfen.

Drittes Beispiel: Als neulich die ersten Untersuchungsergebnisse zum Zustand der Lederfabrik veröffentlicht wurden, lud Rumberg zum Rundgang durch den Industriebau ein und verkündete, dass ein Erhalt wohl nur schwer machbar sei, dass giftige Stoffe gefunden worden seien und dass die Sanierung wohl acht bis zehn Millionen Euro kosten würde – zu teuer. Weil nun erst noch gründlichere Untersuchungen anstehen, ist zumindest die letzte Aussage völlig aus der Luft gegriffen. Es wurde klar, dass Rumberg kein großes Interesse daran hat, die Lederfabrik zu erhalten und dass er dies als Oberbürgermeister auch klar sagt. Ob dies nun richtig oder falsch ist, ist eine andere Frage.

Macher statt Verwalter

Rumbergs Vorgänger, Klaus Mättig, wurde oft vorgeworfen, zu sehr aus dem Bauch heraus zu entscheiden. Damit hat er in Freital viel bewegt, der Stadt aber zuweilen geschadet. Rumberg hat einen anderen Weg eingeschlagen. Er berät sich mit seinen Mitarbeitern. Ein gutes Arbeitsklima im Rathaus ist ihm wichtig. Er ist ein großer Freund von Konsensentscheidungen im Stadtrat. Er will auf Grundlage von Sachargumenten entscheiden und lässt lieber Gutachten anfertigen als sein Gefühl bestimmen zu lassen.

In den vergangenen zwölf Monaten musste er aber erkennen, dass sich manche Entscheidungen nicht anhand von Zahlen treffen lassen. Wie soll Freital in 20 Jahren aussehen? Wie können Arbeitsplätze in der Stadt entstehen? Wie können Menschen dazu bewegt werden, nach Freital zu ziehen? Diese und andere Fragen muss Rumberg für sich beantworten und einen Masterplan für Freital entwickeln. Das ist er bislang – zumindest öffentlich – schuldig geblieben.

Dieser Plan müsste dann der Leitfaden für all seine Entscheidungen sein. Er muss erst noch zeigen, dass er nicht nur ein Verwalter, sondern auch ein Macher sein kann. Nur so werden die nächsten sechs Jahre zum Erfolg.