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Seltene Post aus dem Zweiten Weltkrieg

Hildegard und Martin Menzel haben sich bis 1945 gut 1 800 Mal geschrieben. Einen Teil der Briefe will ein Dittelsdorfer veröffentlichen.

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© Rafael Sampedro

Von Jan Lange

Dittelsdorf. Über seinen Großvater als Menschen weiß Wieland Menzel einiges, obwohl er ihn nie selbst kennengelernt hat. Sein Vater Rüdiger erzählte gern über ihn. Auch an einen, fast schon legendären Satz seiner Großmutter Hildegard kann sich der Dittelsdorfer noch gut erinnern. Sie sagte immer : „Wenn jetzt Großvater wiederkommen würde.“ Obwohl ein Bekannter ihr nach dem Tod Martin Menzels dessen Ehering brachte, hegte sie dennoch die Hoffnung, dass er noch leben könnte und irgendwann wiederkomme. Doch Martin Menzel kehrte nicht nach Hause zurück. Er starb am 28. Juli 1946, also vor 70 Jahren, im sowjetischen Speziallager Mühlberg in Brandenburg.

Die Großeltern Hildegard und Martin Menzel mit Sohn Rüdiger.
Die Großeltern Hildegard und Martin Menzel mit Sohn Rüdiger. © privat
„Die letzten Zeugen – Geschichten vom Kriegsende in Sachsen“, RuV Freital- Pirna, 204 Seiten, 16,95 Euro. Nächste Woche auch wieder im SZ-Treffpunkt Zittau erhältlich.
„Die letzten Zeugen – Geschichten vom Kriegsende in Sachsen“, RuV Freital- Pirna, 204 Seiten, 16,95 Euro. Nächste Woche auch wieder im SZ-Treffpunkt Zittau erhältlich. © SZ

Kurz nach dem Kriegsende ist Martin Menzel dorthin gebracht worden – wegen seiner angeblichen Nähe zum nationalsozialistischen System. Darüber und über seine berufliche Stellung während der Nazi-Zeit wusste Wieland Menzel bisher so gut wie nichts. Sein Vater konnte ihm dazu kaum was erzählen, da er damals ein kleiner Junge war. Und für die Großmutter war es ein Tabu-Thema. Sie sagte nach dem Krieg gern, dass Martin Menzel im „Grundbuchamt“ in Lublin tätig war.

Dass dem nicht so war, ist ihrem Enkel mittlerweile bekannt. Vielmehr war der Großvater ab November 1941 in der Justizverwaltung von Lublin tätig, wurde später an das dortige Deutsche Obergericht versetzt und arbeitete bis Ende Januar 1945 für das Generalgouvernement in Krakau. Das alles weiß der Dittelsdorfer aus dem umfangreichen Briefwechsel zwischen Hildegard und Martin Menzel. Die Kartons mit der Post hatte er erst 2011 nach dem Tod seines Vaters in der hintersten Ecke des Dachbodens entdeckt.

Doch nicht nur Wieland Menzel interessierten die Briefe. Auch das renommierte Hannah-Arendt-Institut in Dresden zeigte daran Interesse. Zum einen weil es sich um einen langen und umfangreichen Briefwechsel handelt. Das erste Schreiben datiert aus dem Jahr 1940, das letzte konnte Martin Menzel am 3. Dezember 1945 verfassen und aus dem Lager schmuggeln. Zum anderen ist der Briefwechsel beidseitig erhalten. Bei anderen Familien ist oft nur die Feldpost, also jene Briefe, die von der Front nach Hause geschickt wurden, erhalten. Jene Schreiben, die von den Verwandten an die Front gingen, sind meist verschollen. Und so spiegelt der Briefwechsel von Hildegard und Martin Menzel nicht nur die Erlebnisse des Großvaters wieder und seine Gedanken über den Krieg, sondern auch die Sicht der Bewohner eines kleines Dorfes. In seinem letzten Brief, den er im Lager Mühlberg geschrieben hat, äußert Martin Menzel noch einmal seine Hoffnung, Weihnachten 1945 wieder bei seiner Familie sein zu können. Er wünsche sich nichts sehnlicher als das. Es bleibt ein vergeblicher Wunsch und das letzte Lebenszeichen des Großvaters.

Die rund 1 800 Briefe sind inzwischen komplett digitalisiert und ausgewertet. Wesentliche Passagen, zum Beispiel wie sich die Stimmungslage und Wahrnehmung des Krieges verändert hat, sollen nun in einem Buch veröffentlicht werden. „Der Inhalt des Buches steht“, sagt Wieland Menzel. Es werde etwa 300 Seiten umfassen. Jetzt muss das Werk noch durch das Lektorat und dann gedruckt werden, sagt der Dittelsdorfer. Voraussichtlich im Januar oder Februar soll das Buch im Mitteldeutschen Verlag erscheinen. Bis heute sind nach Aussage des Dittelsdorfers nur zwei Bücher über das Lager Mühlberg veröffentlicht worden. Wieland Menzel will mit dem Erscheinen des Buches über den Briefwechsel seiner Großeltern einen Schlussstrich unter diese Epoche der Familiengeschichte ziehen. Seit dem Entdecken der Post auf dem Dachboden bis heute liegen dann immerhin fünfeinhalb Jahre Arbeit hinter ihm. Zuerst las er selbst sämtliche Briefe, dann wurden diese digitalisiert und schließlich die wichtigsten Passagen für das Buch herausgesucht.

Ein Teil der Geschichte von Martin Menzel ist bereits in dem SZ-Buch „Die letzten Zeugen“ erschienen.