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Sex-Videos könnten entscheiden

Schmuddelfilmchen sind wichtige Beweismittel im Verfahren gegen einen Gröditzer. Er soll seine Ex zum Sex genötigt haben.

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© Symbolfoto: Sebastian Schultz

Von Kevin Schwarzbach

Gröditz/Dresden. Dass die vielleicht entscheidenden Beweismittel ein paar selbst gedrehte Sex-Videos sind, erlebt wohl auch ein Berufsrichter nicht oft. Als Karl B.* und Luise F.* in der Nacht vom 15. auf den 16. Oktober 2015 über mehrere Stunden hinweg miteinander Sex haben, entstehen zwei fünfminütige und ein zweiminütiger Streifen. Als Kamera dient das Smartphone von Karl B. „Die Videos waren für den Privatgebrauch gedacht. Einfach nur für uns, um sie im Nachhinein anzusehen“, sagt B.

Nun schauen die beiden Protagonisten die Videos am Dresdner Amtsgericht an – samt Richter, Schöffen, Staatsanwalt und Verteidigerin. Daran führt am zweiten Verhandlungstag im Prozess wegen sexueller Nötigung und gefährlicher Körperverletzung gegen den heute 29-jährigen Gröditzer nichts vorbei. „Wir müssen die Videos ansehen, wenn wir uns selbst ein Urteil bilden wollen“, sagt Richter Ulrich Stein.

Karl B. wird vorgeworfen, der heute 25-jährigen Luise F. gedroht zu haben, ihr geheimes Konto beim Internet-Dienst PayPal dem Arbeitsamt zu melden, wenn sie nicht mit ihm schlafen würde. Weil die Hartz-IV-Empfängerin gekürzte Sozialleistungen befürchtet habe, verbrachten die beiden die Nacht in seiner Wohnung und hatten gleich mehrmals Sex. Am nächsten Tag ging die Frau zur Polizei, B. sitzt seitdem in Untersuchungshaft in der JVA Leipzig.

Turtelnd zurückgekehrt

Er behauptet, dass der Sex einvernehmlich gewesen sei und F. sich nur an ihm rächen wolle, weil er neben ihr noch eine weitere Freundin hatte. Wenige Stunden vor besagter Nacht hatte es eine Aussprache zwischen Karl B. und Luise F. gegeben. Dabei soll er ihr mit der Veröffentlichung des PayPal-Kontos gedroht haben. Die Aussprache war nötig, weil der Angeklagte Luise F. eine Woche zuvor mit einer Packung gefrorener Bratwürste geschlagen haben soll. Er sagt, es sei ein Versehen gewesen, weil sie hysterisch in die Küche stürmte, als er die Würste gerade aus dem Frost nahm.

Nach der Aussprache kehrten die beiden aus seiner Wohnung im dritten Stock in ihre im ersten Stock zurück, dort wartete bereits ein Freund von Luise F., der auf ihren Wunsch gekommen war, um sie vor dem Angeklagten zu beschützen. Doch das schien nun nicht mehr nötig. „Die beiden kehrten turtelnd zurück, sie küssten sich“, erinnert sich der Zeuge. „Das fühlte sich komisch an, ziemlich dick aufgetragen. Zumal er ihr dann vor die Füße fiel und ihr einen Ring ansteckte. Das war für mich wie eine Seifenoper, quasi wie GZSZ“, meint der Zeuge. Er habe Luise F. darauf ansprechen wollen, was die ganze Show soll. Jedoch habe sich keine Möglichkeit ergeben, da Karl B. immer in ihrer Nähe war.

B. widerspricht dem. Er sagt aus, mit dem Halbbruder von Luise F. für ein paar Minuten nach oben in seine Wohnung gegangen zu sein, weil er ihm noch ein Handy zurückgeben musste, das er hatte reparieren wollen. Der 15-jährige Halbbruder kann sich an wenige Ereignisse vom Oktober 2015 erinnern, bestätigt die Aussage von Karl B. jedoch. „Wir sind gemeinsam in seine Wohnung, weil er mir noch das Handy zurückgeben wollte“, sagt er.

Auch nach dem zweiten Verhandlungstag bleibt das tatsächliche Geschehen schwer zu durchschauen. Womöglich können die Sex-Videos Aufschluss darüber geben, ob Luise F. die Nacht freiwillig mit Karl B. verbrachte oder nicht. Zudem muss das Gericht nun Hunderte Nachrichten, die sich Karl B. und Luise F. zwischen dem Bratwurst-Vorfall und der mutmaßlichen sexuellen Nötigung schrieben, sichten. Das Urteil wurde vertagt. *Namen geändert