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„Sind Sie religiös, Herr Oberbürgermeister?“

Beim Tag des offenen Rathauses stellten sich Dirk Hilbert, Bürgermeister und Stadträte den Fragen der Besucher.

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© Norbert Neumann

Von Julia Vollmer

Über Religion und Privatleben spricht man nicht – so lautet, glaubt man den Ratgebern, die Goldene Regel beim Small Talk. Für die Fragen an den Oberbürgermeister gilt diese Regel offenbar nicht, und Dirk Hilbert (FDP) stellte sich am Samstag beim Tag der offenen Tür tapfer den Anliegen seiner Dresdner. Denn nicht nur die Goldene Pforte öffnete sich wieder, das Stadtoberhaupt gab auch einen Blick in sein Dienstzimmer frei.

Lässig am Schreibtisch lehnend, mit einer Tasse Kaffee in der Hand, beantwortetete er die Fragen. „Sind Sie eigentlich religiös?“ war gleich eine der ersten. Wo sonst bei solchen peinlich berührte Stille herrscht, lächelte der OB und nimmt einen Schluck Kaffee. „Es stimmt, ich bin evangelisch getauft, aber jetzt nicht mehr in der Kirche aktiv“, erklärt er. Sympathien für den evangelischen Glauben habe er aber nach wie vor. „Und Ihre Frau, ist die gläubig?“, legen die Besucher gleich nach. „Ja, sie ist religiös“, bestätigt Hilbert. Entspannt erzählt Dirk Hilbert, der im Juli das Wahlduell gegen Eva-Maria Stange gewann, von seiner Familie und seinem kleinen Sohn. Das Ehepaar Hilbert gäbe sich alle Mühe, dass der Nachwuchs neben Deutsch und Englisch auch Koreanisch, die Muttersprache seiner Mama, lernt.

Die Bürger wollen wissen, wie viele Stunden das Stadtoberhaupt in der Woche arbeiten muss. Sechzig bis achtzig seien es schon, betont Hilbert. Nur den Sonntag, den halte er sich nach Möglichkeit frei. „Für die Familie.“ Der Besucherandrang war so groß, dass Security-Leute den Einlass zu Hilberts Büro regeln mussten. Doch auch vor dem Chef-Büro gab es einiges zu entdecken.

Im Besprechungsraum, der sich direkt anschließt, lag aufgeschlagen das Goldene Buch der Stadt. Bewaffnet mit weißen Handschuhen, um die Buchseiten zu schützen, gewährte eine Rathausmitarbeiterin einen Blick auf die geschwungenen Handschriften von US-Präsident Barack Obama und Königin Beatrix der Niederlande. Auf der runden Tafel lagen außerdem Präsente von Monarchen und diplomatischen Vertretern aus aller Herren Länder, Münzen, Wappen und Fahnen. Auf dem Rundgang durch das Rathaus ging es weiter durch den Fest- und den Plenarsaal. Im Festsaal beantworteten unter anderem die beiden Bürgermeisterinnen Annekatrin Klepsch und Kristin Kaufmann (beide die Linke) Fragen der Bürger.

In beiden Sälen blieb auch nach der Sanierung das ursprüngliche Design erhalten. Freuen dürfen sich die Stadträte auf eine neue Abstimmanlage. Künftig wird per Knopfdruck und nicht mehr per Stimmkarte in den Sitzungen votiert.

Die Stadträte warteten dann auch in ihren Fraktionsräumen auf die Besucher. Während sich die kleinen Rathausfans die mit Parteienlogos bedruckten Gummibärchen und Luftballons abholten, konnten die Großen ihre Anliegen an die Politiker loswerden. „Viele Fragen gab es zu den Dauerbrennerthemen wie Woba und zur Sanierung der Königsbrücker Straße“, erzählt SPD-Fraktionschef Christian Avenarius. Grünen-Chefin Christiane Filius-Jehne und Linken-Stadtrat Tilo Kießling wussten von ähnlichen Anliegen zu berichten, ein wichtiges Thema sei auch die Integration von Menschen mit Behinderung gewesen. AfD-Fraktionsvorsitzender Stefan Vogel erzählt, wenig überraschend, in seinen Gesprächen mit den Interessierten hätte vor allem die Flüchtlingsfrage im Mittelpunkt gestanden. In den Räumen der Linken-Fraktion hing neben einem Glücksrad und einer Spielecke für die Kleinsten ein Dresden-Stadtplan an der Wand, in dem die bisher umgesetzten Beschlüsse der Rot-Rot-Grün-Orange-Stadtratsmehrheit eingezeichnet waren.

Anfangs- und Endpunkt des Rundganges war für alle Besucher der Weg durch die Kuppelhalle und die Goldene Pforte, die nach fünfjähriger Bauzeit wieder geöffnet hatten. Staunend und ein wenig wehmütig blieben viele stehen.