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Skurriler Rollentausch im „Folterprozess“

Der Entführer und Mörder des Bankierssohns Jakob von Metzler hat seineFoltervorwürfe gegen die Frankfurter Polizei vorGericht bekräftigt.

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Magnus Gäfgen und Wolfgang Daschner zeigen keine Gefühlsregung. Unbewegt mustern sich der Mörder und der Polizist, die sich an diesem Donnerstag im Saal E I des Frankfurter Landgerichts erstmals persönlich begegnen. Der 61 Jahre alte Daschner habe als Vizepräsident der Frankfurter Polizei den Entführer und Mörder des Bankierssohns Jakob von Metzler mit Gewalt bedrohen lassen, lautet die Anklage. Daher kommt es zu dem ungewöhnlichen Rollentausch. Der überführte und längst zu lebenslanger Haft verurteilte Gäfgen ist Hauptbelastungszeuge. Daschner sitzt neben dem Vernehmungsbeamten wegen Nötigung auf der Anklagebank.

„Kindermördern glaubt man nicht“, soll der Vernehmungsbeamte zu Gäfgen gesagt haben. Und genau vor diesem Problem steht die 27. Strafkammer in dem bislang in Deutschland einmaligen Strafprozess. Dass der Mörder dem Polizisten nur eins auswischen will, steht für viele im Publikum schon vor Gäfgens Aussage fest. „Der ist ein notorischer Lügner“, sagt etwa der Besucher Klaus-Dieter Nowicki. Daschner hingegen sei völlig unschuldig und verdiene alle Ehre für seinen verzweifelten Versuch, das Leben eines elf Jahre alten Kindes zu retten.

Der 29 Jahre alte Gäfgen hat sich in den bislang zwei Jahren Haft verändert. Er hat breitere Schultern bekommen, treibt Sport und studiert an der Fern-Universität Hagen Wirtschaftswissenschaften. Mit ruhiger Stimme wiederholt er seine ungeheuerlichen Vorwürfe gegen den Beamten, der ihn am Morgen des 1. Oktober 2002 dazu gebracht hat, das Versteck des toten Jakob zu offenbaren.

Der 51-Jährige hat zumindest dieser Aussage zufolge eine grausame Fantasie entwickelt, um den bis dahin dreist lügenden Täter wirksam einzuschüchtern. Mit einem Hubschrauber sei bereits ein Spezialist im Anflug, der ihm ohne Spuren solche Schmerzen zufügen könne, wie er sie noch nie gespürt habe. Sein Zeigefinger habe sich wie ein Rotor gedreht, dazu habe er die Geräusche nachgemacht und theatralisch am Horizont immer wieder nach dem angeblich schon nahenden Helikopter gesucht.

„Hier hilft dir keiner. (...) Wir können alles mit dir machen“, soll der Beamte gesagt haben. Vor der Hubschraubergeschichte habe er noch damit gedroht, „zwei große, fette Neger“ in Gäfgens Zelle zu lassen, die ihn dann vergewaltigen würden. Dies will Gäfgen noch nicht besonders ernst genommen haben, den angekündigten Folter- Spezialisten hingegen schon. „Ich hatte Angst und habe gesagt, wo die Leiche ist und es auch auf der Karte gezeigt.“

Die Verteidiger der beschuldigten Polizisten halten Gäfgen eine Vielzahl von Lügen vor, die er im Laufe seiner Vernehmungen, Gespräche und Verhöre, ja sogar in privaten Briefen von sich gegeben hat. Warum sollte er jetzt die Wahrheit sagen und warum hat er sie mehr als drei Monate für sich behalten? Selbst sein Anwalt Hans Ulrich Endres hatte die ersten Bemerkungen Gäfgens in diese Richtung nicht ernst genommen. Schließlich haben Mandanten dem erfahrenen Strafverteidiger schon häufiger solche Geschichten erzählt. Ohne einen Aktenvermerk, wie ihn Daschner zur Dokumentation seines Tuns verfasst hat, verlaufen derartige Anschuldigungen regelmäßig im Sande. Deshalb sagt Endres über den Ex-Polizei-Vize: „Nur der Herr Daschner hat den Fall Gäfgen zum Fall Daschner gemacht.“ (dpa)