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So bekam Glaxo die Abwasser-Viren in den Griff

Seit Juli fließen keine Grippe-Viren mehr in Kanäle. Inzwischen liegt auch der Experten-Bericht über die Gefährlichkeit der ausgetretenen Viren vor.

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© Sven Ellger

Von Peter Hilbert

Peter Schu steht vor der Anlage, die für die Zukunft konzipiert ist. Der Geschäftsführer von GlaxoSmithKline Biologicals (GSK), dem ehemaligen Serumwerk an der Zirkusstraße, ist froh, dass hier bald Grippeviren im Abwasser aus der Produktion des Impfstoffs mit noch moderneren Methoden inaktiviert werden können. Doch beim Umbau für die Zukunft war GSK vor zwei Monaten von der Vergangenheit eingeholt worden. Zwei Abflüsse aus der Impfstoffproduktion waren falsch angeschlossen. Das war beim Umbau zwischen 2001 und 2003 geschehen. Seitdem flossen Grippeviren direkt in den Kanal.

Bei den jetzigen Bauarbeiten war dies Anfang Juli entdeckt und der Fehler sofort behoben worden. Derzeit arbeitet noch die chemische Inaktivierungsanlage. Ihr Nachfolger funktioniert nach dem thermischen Prinzip. „Mit über 120 Grad werden dabei die Hülle und die Erbinformationen der Viren zerstört“, erklärt GSK-Chef Schu. „So können sie keine Wirtszelle mehr infizieren oder sich vermehren.“ Im Winter soll die neue thermische Inaktivierungsanlage getestet werden. Schu hofft, dass sie vor Beginn der Impfstoffsaison im Januar zugelassen wird und in Betrieb genommen werden kann.

„Der Vorfall war für uns ein Schock“, sagt Schu. Der Fehler war schnell beseitigt worden. Schließlich seien nur zwei von 170 Anschlüssen falsch installiert gewesen, sodass virenbelastetes Abwasser direkt in den Kanal floss. GSK hatte den Fall bei den Behörden sofort selbst angezeigt. „Bei uns hat keiner einen Gedanken daran verschwendet, eine solche Geschichte unter den Teppich zu kehren“, versichert Schu.

Alle Probleme seien geklärt worden. „Es hat zu keiner Zeit eine Gefahr für Mensch, Natur oder Umwelt gegeben“, sagt der promovierte Biologe. Mittlerweile haben die Experten der Zentralen Kommission für Biologische Sicherheit den Fall geprüft. Auf ihrer jüngsten Sitzung haben sie sich damit befasst. Sprecher Andreas Tief vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit teilt auf SZ-Anfrage das Ergebnis mit, das die Einschätzung von GSK bestätigt. Danach sind neben Wildtypviren auch Influenza-, die im Volksmund Grippeviren genannt werden, aus der Impfstoffproduktion ins öffentliche Abwassersystem gekommen. Im Kanal und später in der Elbe seien die Partikel stark verdünnt worden. Auch durch andere Faktoren, wie beispielsweise Hitze bei der zumindest kurzzeitigen Reinigung im Betrieb, sei der Großteil der Viren inaktiviert worden. „Es kann daher davon ausgegangen werden, dass kein Infektionsrisiko für die allgemeine Bevölkerung bestand“, erklärt die Kommission. Aus diesen Gründen sei auch die Infektion von Wildvögel und Nutzgeflügel sehr unwahrscheinlich.

„Aufgrund der sehr geringen Eintrittswahrscheinlichkeit von schädlichen Auswirkungen auf Mensch, Tier und Umwelt kann davon ausgegangen werden, dass von dem sicherheitsrelevanten Vorkommnis ein sehr geringes Risiko einer Gefährdung ausging“, so das Resümee.

Nach der Veröffentlichung des Falls in der SZ kamen Fragen, ob der Standort mitten in der Stadt sinnvoll ist. Dort produziert das sächsische Serumwerk seit 1924. „Wir haben unsere Produktion komplett umgestellt und modernisiert“, verweist Schu auf die 250 Millionen Euro, die in den vergangenen Jahren investiert wurden. Es gebe zahlreiche technische Anlagen, um die Mitarbeiter und die Umgebung zu schützen. Als Beispiel führt der 57-Jährige, der seit 2005 das Werk leitet, die Hochleistungsschwebstofffilter an, die die Luft in Produktionsräume reinigen. „Es gibt innerhalb und außerhalb unseres Betriebes nur vollkommen saubere Luft“, sagt Schu. Die Sicherheit von Sachsens größter Biotechnologiefirma sei sehr hoch. „Deshalb sehen wir keinen Grund, außerhalb der Stadt auf die grüne Wiese zu gehen.“

Der Betrieb mit rund 700 Mitarbeitern produziert die modernsten Grippeimpfstoffe für 20 Länder in der gesamten Welt. Jährlich werden 50 Millionen Dosen hergestellt. Als weltweit erster Hersteller produziert das Werk Vierfach-Impfstoff, der aus vier verschiedenen Stämmen von Grippeviren hergestellt wird. Er biete den derzeit breitesten Schutz gegen die Krankheit. „Wir sind eines der am strengsten kontrollierten Unternehmen“, sagt Schu. So hatten erst im Juni acht Experten von US-Behörden den Impfstoff für ihr Land getestet. Mittlerweile naht die Grippesaison für die Nordhalbkugel. „Der neue Impfstoff steht schon bereit“, so der GSK-Chef.