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So gefährlich ist die Neiße

War der tödliche Badeunfall bei Zentendorf ein Einzelfall oder ist das Baden im Fluss lebensgefährlich? Ganz klar ist das nicht.

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© André Schulze

Von Frank-Uwe Michel

Zentendorf. Thomas Lehmann, der den Einsatz der Feuerwehren auf deutscher Seite am Mittwoch vergangener Woche leitete, kann es noch immer nicht fassen: „Natürlich kann man immer ertrinken, weil ein Fluss ja in Bewegung ist. Die Strömung kann an manchen Stellen schon gefährlich sein. Aber bei einer durchschnittlichen Wassertiefe von aktuell 1,30 Meter sollte das Risiko überschaubar sein“, sagt der Wehrleiter von Neißeaue. Für ihn und seine Kameraden sei es der erste Einsatz dieser Art gewesen, „obwohl wir in diesem Jahr schon im Schlauchboot auf der Neiße unterwegs waren, um solche Fälle zu trainieren.“ Dabei habe man auch die Schwierigkeiten derartiger Rettungseinsätze kennengelernt. „Im aktuellen Fall kamen wir gut an den Fluss heran. Es gibt aber viele Stellen, an denen das Ufer total zugewachsen ist. Um die Unglücksstelle zu erreichen, muss man sich mit dem Boot dann erst hintreiben lassen oder selbst rudern.“ Insgesamt aber habe er keine Bedenken vor dem Baden in der Neiße. Er selbst sei erst vor kurzem in die Spree gestiegen.

Früher wurde auch am alten Neißewehr bei Rothenburg fleißig gebadet. Heute sind nur noch Bruchstücke davon vorhanden. In der Nähe befindet sich die Anlegestelle von Neiße-Tours.
Früher wurde auch am alten Neißewehr bei Rothenburg fleißig gebadet. Heute sind nur noch Bruchstücke davon vorhanden. In der Nähe befindet sich die Anlegestelle von Neiße-Tours. © André Schulze

Für Neiße-Tours-Chef Tino Kittner, der am Tag des Unglücks von der Polizei mit verständigt wurde, ist der tragische Unfall-Tod des polnischen Jugendlichen „ein bedauerlicher Einzelfall“. Und eigentlich unverständlich. „Die Stelle bei Bielawa Dolna, wo es passiert ist, ist eine der wirklich wenigen tieferen, die es hier bei uns in der Neiße gibt. Von der Ausdehnung her vielleicht 10 mal 15 Meter, kurz danach kann man wieder stehen“, erklärt der Rothenburger, der schon seit vielen Jahren Schlauchboottouren auf der Neiße anbietet und den Fluss wie seine Westentasche kennt. Einen Strudel gebe es dort jedenfalls nicht. „Ich habe da selbst schon gebadet. Und Hunderte andere Wasserratten auch.“ Das bestätigt Eugen Valtin, der für Marketing und Öffentlichkeitsarbeit in der Kulturinsel Einsiedel zuständig ist: „Für die Polen ist das eine ganz normale Badestelle.“ Tino Kittner bescheinigt der Neiße jedenfalls eine gute Badetauglichkeit. „Selbst bei Normalwasser würde ich mit meinen Kindern an jeder Stelle baden gehen. Die Neiße ist sicher, weil hier der Schiffsverkehr fehlt.“ Zudem habe der Fluss eine „super Wasserqualität“ und aktuell eine Temperatur von 18 bis 19 Grad, die ordentlich für Erfrischung sorge. Allerdings dürfe man niemals in das Wasser springen und solle Stromschnellen, zum Beispiel bei gesprengten Brücken oder Wehren, meiden. „Wir wissen ja nicht, wie der Gesundheitszustand des Jungen war. Wenn einem schlecht wird, kann schnell mal was passieren“, so Kittner.

Eine SZ-Anfrage zur Todesursache und der Obduktion des 16-Jährigen bei der zuständigen Woiwodschaftspolizei in Wroclaw (Breslau) blieb bis Donnerstagabend unbeantwortet. Allerdings sickerte bisher durch, dass bei dem Jugendlichen eine Vorerkrankung vorgelegen haben könnte, wofür es jedoch keine offizielle Bestätigung gibt.

Michael Engler, Sprecher der Bundespolizeiinspektion Ludwigsdorf, die in die Rettungsaktion mit Hundeführer und Hubschrauber eingebunden war, kann sich nicht an einen vergleichbaren Vorfall in den vergangenen Jahren erinnern. „Ich bin selbst leidenschaftlicher Hobbytaucher und würde die Neiße nicht als reißenden Fluss bezeichnen. Richtig gefährliche Stellen gibt es hier nicht. Aber natürlich Dinge, die man in einem fließenden Gewässer beachten muss.“ So sei nicht ausgeschlossen, dass Äste und Unrat in der Neiße treiben. Für Engler steht nach dem bisherigen Kenntnisstand fest, dass der junge Pole durch einen bedauerlichen Badeunfall ums Leben gekommen ist.

Ronny Wecke, Sprecher der sächsischen Landestalsperrenverwaltung, weist allerdings darauf hin, dass die sächsischen Flüsse keine ausgewiesenen Badegewässer seien und die hohen Kriterien, die daran gestellt würden, nicht erfüllen könnten. „Baden in Fließgewässern ist gefährlich und geschieht immer auf eigene Gefahr“, so Wecke.