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So war Herman Van Veen im Kulturpalast

Der niederländische Künstler Herman van Veen öffnet in Dresden eine erfrischend bunte Genre-Wundertüte.

Von Tom Vörös
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Herman van Veen bleibt der sanft singende Holländer, der seinem Publikum teils
tiefe Einblicke
ins Seelenleben gewährt.
Herman van Veen bleibt der sanft singende Holländer, der seinem Publikum teils tiefe Einblicke ins Seelenleben gewährt. © © by Matthias Rietschel

Er ist zwar nur zwei Jahre jünger als Mick Jagger. Doch auf der Bühne gibt sich der 74-jährige Herman van Veen mitunter so quirlig wie ein junger holländischer Hüpfer, der überzeugt ist von sich und seiner Kunst. Und dass obwohl ihn manchmal Briefe mit dem Wortlaut erreichen: „Sehr geehrter Herman van Veen, wir sind widerwillig mit ihren Liedern aufgewachsen.“

Ja, nicht wenige Ex-Kinder verbrachten früher mal viel Zeit mit Alfred Jodocus Kwak, einer kleinen, gelben Fernseh-Ente, die van Veen mal für seine Kinder erfand, nachdem er eine Ente überfahren hatte. Das Erkennungslied „Warum bin ich so fröhlich“ stimmt er beim ersten von drei Dresden-Konzerten am Donnerstag nur mal kurz an. In den Reihen im Kulturpalast munkelt man, der Künstler würde diesmal nicht so sehr auf den alten Erfolgen herumreiten. Und so kommt es dann auch.

© © by Matthias Rietschel

Mit „Hier unten am Deich“, einem jüngeren Lied, haucht van Veen mit hingebungsvoller Stimme auch seiner Heimat Leben ein. Am Ende des Konzertes wird er damit drohen, dass demnächst 17 Millionen Holländer nach Deutschland umziehen müssen – wegen der Erderwärmung. Ein wenig Zeit ist ja aber noch, und so bleibt kreativer Raum für brandneue Lieder wie „Was fast Verrücktes“, bei dem van Veen Banalitäten des Alltags wie ein Mantra wiederholt und sie dadurch zunehmend absurd erscheinen lässt.

Und so hat eben auch Liebe irgendwann „was fast Verrücktes“. Und hier kommt vor allem für Neulinge ein Herman van Veen zum Vorschein, der etwas fast Entrücktes hat. Seine nach außen gekehrte Innenwelt löst mit nicht gerade alltäglichen Bewegungen Reaktionen zwischen Scham und Neugier aus.

Ja, dieser Mann singt auch mit zarter bis fast operntauglicher Stimme, macht pointenreiche Ansagen, spielt Geige, trommelt und liest aus seinen Büchern. Doch gerade sein Hang zur überraschenden Geste, zur Clownerie zieht in den Bann. Zuweilen „clowniert“ van Veen auch am Flügel, sodass man nie weiß, wann man den ernsthaft-virtuosen Künstler und wann den ebenso virtuosen Bespaßer vor sich hat.

Zeit für den Eurovision Song Contest

Künstlerisch wertvoll gibt sich auch van Veens Begleitband aus drei Damen und einem jungen Mann, welcher zum Show-Tollpatsch auserkoren wurde, indem er immer mal wieder punktgenau danebenhaut. Ein Hauch von Zirkusstimmung kommt auf, die aber immer wieder von teils arg in der Folklore-Kiste kramenden Musikern belegt werden. 

Teils grandiose Frauenstimmen lassen in gewissen Momenten die Welt des Klamauks eindrucksvoll hinter sich. Herman van Veen zieht sich galant zurück und lässt die Band für große Teile des Konzertes gewähren. Der Mann braucht das Rampenlicht offenbar nicht so sehr, wie manch anderer Kollege.

© © by Matthias Rietschel

Bei aller Überraschung im Programm, zu erwarten war, dass der Mittsiebziger van Veen auch sein fortschreitendes Alter humorvoll in den Fokus stellt. „Älter werden geht von selbst und von selbst vorüber“, sagt er. „Aber man erlebt es ja zum ersten Mal, daher ist alles so frisch und neu.“ 

Und nach einer erfrischenden Mundharmonika-Einlage, diversen nachdenklichen Balladen, dem Leonard-Cohen-Cover „Suzanne“ und einer Salve Schlüpfrigkeiten plus den jung gebliebenem Rock ’n’ Roll-Hit „Tutti Frutti“ stellt van Veen fest: „Wir kommen nun schon 37 Jahre nach Dresden, die Hälfte unseres Publikums ist schon Staub.“

Herman van Veen ist es nach dieser lebendigen Vorstellung sicherlich noch lange nicht. Und irgendwann wird sogar sein laut gedachter Vorwurf an die Musikindustrie durchaus verständlich: „Ich verstehe immer noch nicht, warum man mich noch nie zum Eurovision Song Contest eingeladen hat.“