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Sondermüll? Nein, danke!

Vor 25 Jahren verhinderten intensive Bürgerproteste die Einrichtung einer gefährlichen Deponie bei Mittelherwigsdorf.

Von Dietmar Rößler
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Mit diesem Flugblatt und 15.000 gesammelten Unterschriften wehrten sich umweltbewusste Bürger im März 1994 gegen eine mögliche Sondermülldeponie in der Nähe von Mittelherwigsdorf.
Mit diesem Flugblatt und 15.000 gesammelten Unterschriften wehrten sich umweltbewusste Bürger im März 1994 gegen eine mögliche Sondermülldeponie in der Nähe von Mittelherwigsdorf. © Repro: D. Rößler

Sondermüll-Deponie bei Zittau? Zum Jahreswechsel 1993/94 machte diese Nachricht in der Oberlausitz die Runde. Auf einer Fläche von 50 Hektar könnte bei Mittelherwigsdorf in Sachsen anfallender Sondermüll entsorgt werden. Zwar war dieser Standort nur einer von insgesamt elf, die im Freistaat überprüft wurden. Dennoch formierte sich umgehend Bürgerprotest. Flugblätter wurden gedruckt, 15.000 Unterschriften gesammelt. Am 4. März übergab man sie in Dresden dem Umweltminister.

Um ihren Protest und die gefährliche Dimension der möglichen Deponie anschaulich zu verdeutlichen, trafen sich am 13. März Müllgegner auf dem vorgesehenen Standort. Mit brennenden Fackeln markierten sie eindrucksvoll die Umrisse der Deponie. Bei einem Sternmarsch und einem Gottesdienst am Vormittag bekundeten zudem kirchliche Umweltgruppen ihren Protest. Ein Gedenkstein und ein Baum erinnern bis heute an das Ereignis. Auch Bürger und Politiker der Nachbarländer protestierten, genauso wie Bürgermeister und der Landrat.

Am 25. März gab es eine Schülerdemonstration auf dem Zittauer Markt. Am Nachmittag kam Sachsens damaliger Umweltminister Arnold Vaatz aufgrund des politischen Drucks in die Region. Er hoffte dennoch, mit einem runden Tisch und guten Argumenten das aus seiner Sicht wichtige Projekt durchzusetzen. Es kam anders. Schon während der emotionalen Debatte mit etwa 1.200 Bürgern – die Hälfte in der Mittelherwigsdorfer Turnhalle, die andere davor – wurde deutlich, dass es wohl keine Mülldeponie auf den Oberherwigsdorfer Feldern geben würde.

Diese Entscheidung dürfte sich heute noch aus ganz anderen Gründen als Segen erweisen. Gibt es doch mittlerweile in Ostdeutschland einige einst „vorsichtshalber“ groß angelegte Mülldeponien, die wegen zu geringem Müllaufkommen heute Abfall aus dem Ausland aufnehmen müssen, um wirtschaftlich zu arbeiten. Auch für die Mittelherwigsdorfer Deponie lagen Müllprognosen der 1990er Jahre zugrunde.

Am Rande wurde seinerzeit ein Ergebnis vorangegangener intensiver Geländeuntersuchungen in Vorbereitung des drohenden Zittauer Braunkohlentagebaus bekannt. Unter der Fläche waren damals unterirdische Wasservorkommen mit hohem artesischen Druck festgestellt worden. Handelte es sich hier um eine geologische Besonderheit, die touristisch nutzbar sein könnte? Noch heute? Gibt es vielleicht noch andere nützliche „Geheimnisse“ in den 40 Jahre alten Protokollen? Das ist ungewiss.

Ziemlich sicher ist, dass der Kampf gegen die Mülldeponie vor 25 Jahren Gemeinsamkeit in den drei Anrainerdörfern Mittelherwigsdorf, Oberseifersdorf und Eckartsberg förderte. Kurz darauf fusionierten sie zur Gemeinde Mittelherwigsdorf. Netzwerke auf vielen Ebenen, die damals im gemeinsamen Protest entstanden, sind in der kommunalen Zusammenarbeit bis heute nützlich.

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