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Stierkampf-"Skandal" entrüstet Spanien

Stierkämpfe sind in Spanien umstritten. Dennoch gibt es viele und sehr mächtige Befürworter. Diese gehen nun gegen eine Bürgermeisterin auf die Barrikaden.

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Die Bürgermeisterin von Gijón hat für ihre Stadt im Norden Spaniens das Ende der Stierkämpfe verkündet.
Die Bürgermeisterin von Gijón hat für ihre Stadt im Norden Spaniens das Ende der Stierkämpfe verkündet. © efe/epa

Madrid/Gijón. Ana González Rodríguez ist eine mutige Frau. Die Bürgermeisterin von Gijón hat für ihre Stadt im Norden Spaniens das Ende der Stierkämpfe verkündet, obwohl sie den Shitstorm, der nun auf sie herabprasselt, vorhersehen musste. Kaum eine andere Lobby ist in Spanien mächtiger als die des Stierkampfes.

Die 58-jährige Sozialistin wird nun im Netz wüst beschimpft, "Idiotin" ist einer der mildesten Ausdrücke. Aber auch einflussreiche Medien, Parteien und Verbände attackieren sie offen und aufs Schärfste. Aber es gibt auch Jubel: "Eine mutige Entscheidung, wir sind auf gutem Wege!", sagte die Präsidentin der Tierschutzorganisation Animanaturalis, Aida Gascón.

Aber die Entrüstung überwog. Sie war nicht nur in Gijón, sondern im ganzen Land riesig: Die Renommierzeitung "El Mundo" sprach von einem "Skandal". Die größte Oppositionsfraktion im Parlament in Madrid, die konservative Volkspartei PP, kündigte gerichtliche Schritte und eine Unterschriftensammlung gegen die kommunale Maßnahme an. Diese stelle eine "ideologische Bevormundung" und "eine Einschränkung der Freiheit der Bürger von Gijón" dar, hieß es. Star-Stierkämpfer wie El Juli (38) und Cayetano Rodríguez (44), die auch als Frauenlieblinge und "Vorbild"-Spanier gelten, nannten die Bürgermeisterin "ungebildet", "inkompetent" und "unfähig".

Aida Gascon, Präsidentin der Tierschutzorganisation Animanaturalis.
Aida Gascon, Präsidentin der Tierschutzorganisation Animanaturalis. © Aida Gascon

Ungeachtet dieser Angriffe verweigerten die meisten Parteikollegen der Bürgermeisterin die Rückendeckung. Fast alle hüllen sich in Schweigen, allen voran Ministerpräsident Pedro Sánchez. Sie wissen: Das umstrittene Brauchtum verliert in Spanien laut Umfragen vor allem bei Jüngeren zwar an Beliebtheit, ist aber wohl heutzutage weiterhin nahezu so unangreifbar wie eh und je. Erst recht seit 2016. Nachdem Dutzende Gemeinden und Regionen im ganzen Land Verbote verabschiedet hatten, urteilte das Verfassungsgericht in Madrid, nur der Staat könne über eine Abschaffung entscheiden - weil der Stierkampf 2013 zum nationalen Kulturgut erklärt worden sei.

Deshalb verkündete González Rodríguez auch kein Verbot, sondern gab bekannt, dass die städtische Stierkampfarena künftig nicht mehr für "Corridas" verwendet werden solle. Man wolle die Einrichtung im Zentrum der Stadt nur noch für andere Veranstaltungen, wie etwa Konzerte, benutzen. Der Politikerin, einer gelernten Philologin, platzte nach eigenen Angaben der Kragen, als bei einer "Corrida" am Sonntag in Gijón zwei Stiere mit den Namen "Feminist" und "Nigerianer" getötet wurden. Der Stierkampf werde schon seit Jahren immer umstrittener, "aber nun wird er auch dazu benutzt, um den Feminismus und die Migranten zu beleidigen", sagte sie vor Journalisten am Donnerstagabend. Das sei "inakzeptabel".

Nicht ganz unwichtiges Detail: Der Mann, der ausgerechnet diesen beiden Bullen "Feminista" und "Nigeriano" den Todesstoß versetzte, war kein Geringerer als Star-Torero Morante de la Puebla - ein 41 Jahre alter, gern in Glitzeranzug auftretender Stierkämpfer, der ein eifriger Unterstützer der rechtspopulistischen Partei Vox ist.

Demonstranten protestieren gegen die Stierkämpfe vor dem Rathaus von Pamplona.
Demonstranten protestieren gegen die Stierkämpfe vor dem Rathaus von Pamplona. © AP

Unterstützung bekam die Politikerin derweil zunächst nur von Aktivisten. Von Gascón, die auf Twitter applaudierte, oder von der Chefin der Tierschutz-Partei Pacma, Laura Duarte, die von einer "fantastischen Nachricht" sprach. Die Partei ruft für den 18. September in Madrid zu einer großen Protestdemonstration gegen den Stierkampf auf. Das Motto: "Mission Abschaffung".

Gascón bleibt trotz aller Hindernisse optimistisch. "Ich bin überzeugt, dass die Tage des Stierkampfes gezählt sind, auch wenn es bis zur Abschaffung wohl ein paar Jahre länger als erhofft dauern wird", sagte sie. Das realistische Ziel laute 2030. "Wir denken, dass es bis dahin keine Stierkämpfe mehr geben wird, bei denen die Tiere getötet und gequält werden."

Unterdessen hauen die Befürworter weiter ungehemmt auf die Werbe-(Pauke). Die konservative Regierungschefin der Region Madrid, der aufstrebende neue Star der Volkspartei, Isabel Díaz Ayuso, kündigte jüngst Millionenhilfen für die Veranstalter von "Corridas" an. Die 42-Jährige forderte dazu von der Zentralregierung die Senkung der Mehrwertsteuer für diesen Sektor von derzeit 21 auf vier Prozent. Ein solch niedriger Satz steht in Spanien nur den Wirtschaftsbereichen zu, die lebensnotwendige Güter oder Dienste produzieren. (dpa)