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Spanner im Landratsamt

Ein 46-Jähriger installiert in der Toilette des Meißner Landratsamtes eine Kamera. Es ist nur eine von mehr als 40 Straftaten, wegen derer er jetzt vor Gericht sitzt.

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© Sebastian Schultz

Von Jürgen Müller

Meißen/Riesa. Die Verhandlung am Dresdner Amtsgericht hat noch gar nicht richtig angefangen, da hat der 46-jährige Angeklagte genug. „Schluss jetzt, ich gehe, ich will wieder in meine Zelle“, sagt er und will den Saal verlassen.

Zwei Justizbeamte, die ihn aus der Untersuchungshaft vorgeführt haben, hindern ihn daran. Nicht daran hindern können sie ihn, dass er ständig hineinredet. Den Richter bezeichnet er als einen Lügner, der nur das Böse für ihn wolle. Auch seinem Pflichtverteidiger Johannes Keizers ist er nicht wohlgesonnen. Er lehnt ihn ab, will einen anderen, der ihn schon seit 1990 verteidigt. So lange ist der gebürtige Dresdner schon straffällig, saß auch mehrfach im Gefängnis. Durch die Untersuchungshaft, in der er sich seit Mai befindet, drohe er, seine Wohnung zu verlieren, außerdem sei er krank und könne eine Therapie nicht antreten. Er könne seine Zeit sinnvoller und nützlicher verbringen als in Haft, hatte er dem Gericht geschrieben.

Damit meint er wohl, weitere Straftaten zu begehen, so wie er es, seit seiner letzten Haftentlassung tat. Fast eine halbe Stunde braucht die Staatsanwältin, um die sechs Anklagen mit über 40 Taten zu verlesen. Dabei wird dem Mann auch vorgeworfen, in der Toilette des Landratsamtes Meißen in der Außenstelle Riesa an der Decke eine Kamera installiert zu haben. In der Zeit vom 21. November bis 16. Dezember vorigen Jahres soll der gelernte Maurer auf diese Art und Weise mindestens sechs Damen beim Toilettengang gefilmt haben. Zu den Motiven äußert er sich nicht. „Ohne Anwalt sage ich gar nichts“, so der Mann, der seinen Pflichtverteidiger entweder beschimpft oder ignoriert. Als der Richter seinen Antrag auf einen anderen Verteidiger ablehnt, setzt es sich demonstrativ von seinem Anwalt weg, rückt einen Stuhl weiter.

Ist der Mann psychisch krank, vielleicht sogar wegen einer Erkrankung schuldunfähig? Nein, sagt Richter Hermann Hepp-Schwab. Dagegen spricht das Verhalten des Angeklagten während einer Verhandlung im Juni, die dann aber abgebrochen wurde. Auch ein Gutachter stellte fest, dass der Mann voll schuldfähig ist. Nein, krank ist der Mann nicht, sondern dreist und dummfrech. Das zeigt sich auch am Verhalten gegenüber seiner geschiedenen Frau. In SMS bezeichnet er sie unter anderem als „Fettkloß“, „Dumm wie ein Klo“ oder als „stinkender Haufen von Affenscheiße“. Und das sind nur die harmlosen und jugendfreien Beleidigungen. Auch Polizisten beleidigt er gern als „Schweinebullen“, „Kinderficker“ oder „schwule Schwuchtel’“.

Bei seinen Taten hat er zielstrebig und geplant gehandelt. So in einem Riesaer Gymnasium, wo er einen Laptop für mehr als 700 Euro entwendete. Der wurde vom Betreiber des Hotels „Zur Mühle“ in Riesa im Zimmer des Angeklagten gefunden. Am Vortag hatte er Streit mit dem Mann, weil der das Zimmer beschädigt hatte, und rief die Polizei. Die fand bei dem Dresdner einen Flachbildfernseher, der in Großenhain gestohlen wurde.

„Ich war während des Unterrichts in der Schule, die Tür war offen“, sagt der Angeklagte zu dem Diebstahl im Gymnasium. Derartige Nachlässigkeiten kommen dem Mann immer wieder zugute. So gelingt es ihm mehrfach, in Einfamilienhäuser und Wohnungen einzudringen, weil die Türen offen, angelehnt oder zumindest nicht verschlossen waren. In einem Riesaer Pflegeheim gelingt es ihm unter anderem, den Autoschlüssel für einen Opel zu stehlen. Er macht mit dem Auto eine Spritztour, bis ein Reifen platzt. In einem anderen Fall wird er mit einem Auto auf dem Edeka-Parkplatz in Riesa kontrolliert. Er hat keine Fahrerlaubnis, aber 1,83 Promille Alkohol im Blut. In einem Vereinshaus in Dresden stiehlt er eine Kassette mit 260 Euro Bargeld, in einem Hotel in Dresden lässt er aus einem Zimmer Geld aus einem Portemonnaie mitgehen. Auch das bestohlene Ehepaar, das an diesem Tag abreiste und zum Frühstück gegangen war, hatte die Tür nicht abgeschlossen. Erst an einer Tankstelle bemerkten die beiden, dass ihnen 300 Euro fehlten. In dem Hotel hatte sich der Mann eingemietet. „Er verließ das Haus nur, wenn er Geld organisieren musste. Wenn er zurückkam, hat er immer das Hotelzimmer für die nächsten Tage bezahlt“, sagt eine Hotelangestellte.

Das Verfahren wird am kommenden Montag fortgesetzt.