Wie Dynamo eine neue Stärke entdeckt

Von Sven Geisler und Jens Maßlich
Dresden/Meppen. Das wird Markus Kauczinski nicht gern lesen, schließlich will er auch nach dem zweiten 4:0 in Folge, dem souveränen Sieg in Meppen, den Ball konsequent flach halten. „Wir feiern uns nicht dafür“, sagt Dynamos Trainer. Dabei hätte er allen Grund dazu, könnte sich schon mal zu einer Prognose hinreißen lassen, etwa in der Art: Wenn wir jetzt sogar Freistöße direkt verwandeln, kann uns niemand mehr stoppen. Dieser Treffer von Heinz Mörschel hat ihn immerhin begeistert. „So ein Freistoß ist natürlich geil.“
Der offensive Mittelfeldspieler schlenzt den Ball aus 18 Metern über die Meppener Mauer, lässt Torwart Erik Domaschke keine Chance. „Ich glaube, das war unser erstes Freistoßtor. Das hatten wir noch nie“, meint Kauczinski – und liegt richtig. Nach Standardsituationen treffen die Dresdner regelmäßig, insgesamt bereits 16-mal. Aber ohne Zweitkontakt hat es bisher nie geklappt. „Wir standen zu dritt da: Paule (Will), Basti (Mai) und ich. Ich habe gesagt: Lasst mich ran, ich habe ein gutes Gefühl“, erzählt Mörschel. „Basti meinte: Dann komm, hau das Ding oben links rein. Ich habe kurz geschaut, wo ich ihn hinhaben will, und das hat geklappt.“
Aber wegen eines solchen Kunstschusses euphorisch zu werden, dazu ist Kauczinski zu lange im Geschäft, darauf verweist der 51 Jahre alte Fußballlehrer immer wieder. Trotzdem: Dynamo tritt derzeit einfach zu souverän auf, als dass man fürchten müsste, der Spitzenreiter der 3. Liga könnte doch noch einbrechen. Im Emsland ist die Gegenwehr begrenzt, klar, aber die Dresdner ziehen es konzentriert durch, genau wie eine Woche zuvor im Spitzenspiel gegen Ingolstadt. „Es war wichtig, dass wir die gleiche Spannung aufbauen“, sagt Christoph Daferner.
Der Elfmeter für Dynamo ist strittig
Der Stürmer erzielt bereits in der dritten Minute das 1:0. Die Dresdner bestrafen die individuellen Schwächen des Gegners gnadenlos, auch wenn Kauczinski aus „Respekt vor der Leistung und dem Kampf von Meppen“ sogar den Hut zieht, wie er sagt. Wirklich gefährlich wird das Team von Ex-Nationalspieler Torsten Frings jedoch lediglich mit einer Doppelchance: Nicolas Andermatt trifft den Pfosten, Tom Boere scheitert an SGD-Schlussmann Kevin Broll.
Zu diesem Zeitpunkt ist das Spiel längst entschieden. Philipp Hosiner verwandelt einen Elfmeter zum 3:0, der deshalb strittig ist, weil Daferner abgeschlossen hat, bevor er mit Meppens Lars Bünning zusammenrauscht. Und Mörschel trifft zum perfekten Schluss noch einmal, weil er das macht, was ihm die Trainer aufgetragen haben. „Scholle, Ferdy und der Coach“, zählt er auf und meint die Assistenten Heiko Scholz, Ferydoon Zandi sowie den Cheftrainer, „sagen immer: Zieh mal ab aus der zweiten Reihe!“ Also zieht der 23 Jahre alte Mittelfeldspieler, dessen Mutter Dominikanerin ist, eben ab, als er am Strafraum nicht attackiert wird. Domaschke flutscht der Ball aus der Hand, und so bestätigt Mörschel, was jeder Fußballjunge beim ersten Training zu hören bekommt: „Wenn man nicht schießt, entstehen keine Treffer.“

Mörschel hat nun schon vier erzielt in seinen bislang acht Einsätzen für Dynamo, außerdem zwei vorbereitet. Der Winter-Neuzugang erweist sich als die Liebe auf den zweiten Blick, denn im Sommer hatten sich Kauczinski und Sportgeschäftsführer Ralf Becker für Patrick Weihrauch als Spielgestalter entschieden. Weil der jedoch nach einer Operation am Sprunggelenk in dieser Saison nicht mehr dabei sein kann, griffen sie im Januar auf Mörschel zurück. Der hatte zuvor schon viermal für den KFC Uerdingen getroffen, wo er seinen Vertrag auflöste, um bis Juni 2022 bei Dynamo zu unterschreiben. „Es ist ein schönes Gefühl, ab sofort ein Teil dieser Mannschaft zu sein, denn was in den Jungs steckt, haben sie bereits im ersten Halbjahr eindrucksvoll unter Beweis gestellt“, erklärte Mörschel bei seiner Vorstellung.
"Die Junge machen es einem Offensivspieler einfach"
Und er hat nicht erst in Meppen gezeigt, wie gut er sich eingeführt hat. Er sei auch in den Wochen zuvor gut drauf gewesen, sagt Kauczinski: „Deshalb spielt er.“ Es gehöre zur Teamleistung, dass Einzelne die Partien entscheiden. Deshalb bedankt sich der Doppel-Torschütze bei seinen Nebenleuten: „Die Jungs machen es einem als Offensivspieler einfach, weil wir richtig gut hinten rauskombinieren. Es kommt eins zum anderen, das passt dann alles“, erklärt Mörschel den guten Lauf für sich persönlich und Dynamo.
Es passt natürlich zu seinem Sahnetag, dass Mörschel zur Dopingkontrolle ausgelost wird. „Ich hoffe, dass er sich nicht irgendwas eingeworfen hat“, meint Hosiner und grinst. „Nein, er hat schon im Training angedeutet, dass er eine unglaublich gute Schusstechnik hat. Ich hatte vor dem Freistoß ein gutes Gefühl, dass er reingeht, wenn er ihn richtig trifft. Das war extrem wichtig in dieser Phase.“ Denn nach der frühen Führung verlieren die Dresdner kurzzeitig den Zugriff, nach dem zweiten Tor finden sie zur Souveränität zurück.
Für Mörschel gelte, was für alle gilt, betont Kauczinski nach der starken Einzelleistung: „Einfach weitermachen. Das ist es, was ein Siegerteam ausmacht, und das haben wir in Meppen ausgestrahlt.“
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