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Neuer Job, alte Probleme: Was Dynamo Ex-Chef jetzt bei Hansa Rostock macht

Jürgen Wehlend schied bei Dynamo Dresden nach Querelen mit den Fans verbittert aus dem Amt des Geschäftsführers, nun hat er bei Hansa Rostock eine neue Aufgabe.

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Jürgen Wehlend arbeitete zweieinhalb Jahre für Dynamo Dresden. Nun ist er für Zweitligist Hansa Rostock tätig.
Jürgen Wehlend arbeitete zweieinhalb Jahre für Dynamo Dresden. Nun ist er für Zweitligist Hansa Rostock tätig. © dpa/Bernd Wüstneck

Rostock/Dresden. Neuer Chef, alte Sorgen: Jürgen Wehlend hat beim FC Hansa Rostock das vorübergehende Führungszepter übernommen. Der 58-Jährige wird im kommenden halben Jahr den bisherigen Vorstandsvorsitzenden Robert Marien vertreten. Der 43-Jährige lässt sein Amt auf ärztlichen Rat hin für sechs Monate ruhen. "Es ist schön, hier zu sein. Ich bin von allen Beteiligten herzlich willkommen geheißen worden", sagte Wehlend in einer Medienrunde.

Der neue Kapitän an Bord der Kogge steht vor gewaltigen Aufgaben. Sportlich droht dem FC Hansa als Tabellen-16. nach drei Jahren der Abstieg aus der zweiten Liga. Abseits des Rasens sorgen Teile der Rostocker Fanszene immer wieder für Negativ-Schlagzeilen. Zuletzt stürmte ein Chaot bei der 0:3-Heimniederlage gegen den1. FC Kaiserslautern den Platz und versuchte, Gästespieler zu attackieren. Zuvor sorgten Anhänger in den Spielen beim SC Paderborn und gegen den FC St. Pauli für Gewalt und schlimme Entgleisungen.

"Die Herausforderungen sind groß. Auf uns wartet ein hartes Stück Arbeit. Aber darin liegt auch der Reiz", bekräftigte Wehlend. Oberstes Ziel seiner begrenzten Amtszeit sei der Klassenerhalt. "Das Erreichen der Relegation ist das Minimalziel. Der Auswärtssieg in Braunschweig war der Auftakt für das, was in den nächsten Wochen vor uns steht", sagte der 58-Jährige, der mit seiner Ehefrau Carola nach Rostock ziehen wird.

Dynamos Ultras warfen Wehlend fehlende Identität vor

Der gebürtige Dresdner kennt sich in der Rolle des Krisenmanagers aus. Der frühere Unternehmer und Manager fungierte ab 2013 als Geschäftsführer des VfL Osnabrück und trieb dort die Sanierung des Vereins voran. Anfang 2021 wechselte Wehlend als kaufmännischer Geschäftsführer zu Dynamo Dresden, galt dort aber unter Fans als umstritten.

In Dresden hat sich Wehlend immer wieder öffentlich klar gegen die Ausschreitungen von Dynamo-Fans positioniert, zugleich aber intern wie auch in Gesprächen mit Verbänden und der Politik um einen gemeinsamen Dialog und ein neues Miteinander geworben. Damit machte er sich nicht nur Freunde.

Es kam zum Streit mit den eigenen Anhängern. Offen zutage getreten sind die Konflikte im Sommer 2022, als ihm die Ultras auf einem XXXL-Trikot fehlende Identität mit dem Verein vorwarfen – nachdem der Dresden-Schriftzug auf dem Trikot durch einen Sponsorennamen ersetzt worden war.

Auf Wehlend wartet in Rostock wieder große aktive Fanszene

Im Februar 2023 gab Wehlend bekannt, dass er seinen Ende 2023 auslaufenden Vertrag bei Dynamo nicht verlängern möchte. Ausschlaggebend für den freiwilligen Abgang, das ist in einer Erklärung herauszulesen, dürften demnach die strukturellen Bedingungen des Vereins sein, dessen Mitglieder bei Jahreshauptversammlungen auch weitreichende strategische wie wirtschaftliche Beschlüsse treffen können.

In Rostock erwartet ihn nun ebenfalls eine große und engagierte aktive Fanszene. Vor dem Wechsel an der Vereinsspitze hatte sich Robert Marien deshalb noch einmal an die Anhängerschaft gewandt und um Unterstützung im Kampf um den Klassenverbleib gebeten. "Die kommenden Wochen und Monate mit ihren großen Herausforderungen im sportlichen Bereich benötigen den bedingungslosen Zusammenhalt der gesamten Hansa-Familie", sagte der 43-Jährige in einem Statement.

Marien hinterlässt seinem Vertreter finanziell einen gesunden Verein. Der Traditionsklub plant die nächste Zweitliga-Saison mit einem Rekordetat von 46,2 Millionen Euro. "Hansa ist schnell gewachsen und wirtschaftlich gut aufgestellt. Jetzt geht es darum, im sportlichen Bereich die Strukturen zu verbessern", sagte Wehlend.

Hansa-Sportchef und Ex-Dynamo-Scout Kristian Walter in der Kritik

Um sportlich die Wende zu schaffen, wolle er in den kommenden Wochen viele Gespräche führen und an kleinen Stellschrauben drehen. "Es braucht Stabilität und Disziplin. Manchmal reichen drei bis fünf Prozent, um Dinge zum Positiven zu verändern. Jeder Spieler muss mental und körperlich an seine Leistungsgrenze gehen", sagte der neue Vorstandschef.

Trotz der schwachen Rückrundenbilanz mit nur acht Punkten aus acht Spielen stellte sich Wehlend hinter Trainer Mersad Selimbegovic. "Wir haben einen richtig guten Trainer, der die Mannschaft in einer schwierigen Phase übernommen hat", sagte er vor dem richtungsweisenden Heimspiel am vergangenen Samstag gegen den Tabellensiebten SpVgg Greuther Fürth, das die Rostocker mit 1:0 gewannen.

Zudem stärkte der vorübergehende Hansa-Boss Sportchef Kristian Walter, der als Scout bereits bei Dynamo mit Wehlend zusammenarbeitete, den Rücken. Er stand wegen seiner Personalentscheidungen zunehmend in der Kritik. Wehlend stellte klar: "Wir sind im Profifußball und haben einen Auftrag. Wir werden uns am Erfolg messen lassen müssen." (dpa, mit SZ)