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85-Jährige stemmen in Riesa noch immer die Gewichte

Riesa ist erstmals Gastgeber der deutschen Senioren-Meisterschaft im Gewichtheben. Zum Auftakt zeigen die Altmeister, wie stark sie auch noch mit über 80 sind.

Von Lucy Krille
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Horst Nitschke ist wohl einer der ältesten Gewichtheber in Deutschland. Bei den Meisterschaften der Masters in Riesa zeigen er und die anderen Altmeister, was sie mit über 80 noch drauf haben.
Horst Nitschke ist wohl einer der ältesten Gewichtheber in Deutschland. Bei den Meisterschaften der Masters in Riesa zeigen er und die anderen Altmeister, was sie mit über 80 noch drauf haben. © Foto: SZ/Veit Hengst

Es ist kein Zahlendreher, der sich auf der Starterliste der Deutschen Gewichthebermeisterschaft in Riesa eingeschlichen hat. Geburtsjahr 1937 steht da. Die Teilnehmer befinden sich tatsächlich in einem Alter jenseits der 80. Trotzdem trainieren sie regelmäßig und treffen bei Wettbewerben immer wieder aufeinander. So auch an diesem Donnerstagmorgen in Riesa.

Schon früh am Morgen sind die Männer in der Halle, werden gewogen und in Gewichtsklassen eingeteilt. 8 Uhr geht es los. Ein knappes Dutzend tritt diesmal bei den Seniorenmeisterschaften an. Für sie zählen weniger Platzierungen, als vielmehr das angestrebte Gewicht zu stemmen.

Mehrere Männer stehen in Trainingsanzügen auf den Matten im Aufwärmraum, heben Stangen mit grünen oder schwarzen Gewichten an den Seiten. Manche dehnen sich, gehen in die Hocke, zwischendurch halten sie einen kurzen Plausch. Die Ältesten der Gewichtheberszene bilden den Auftakt der viertägigen Meisterschaften, die das erste Mal in Riesa stattfinden. 270 Teilnehmer und Teilnehmerinnen in zwölf Altersklassen sind dabei. „Am Sonnabend und Sonntag gibt es noch richtig Dampf“, sagt Eckehard Thau vom Riesaer Athletikclub.

Die Riesaer Altmeister halten sich mit Gewichten fit

Denn die Besten unter den Jüngeren stemmen noch immer weit über 100 Kilo. Gewichte, die die Älteren früher teilweise auch gehoben haben. Viele von ihnen sind schon seit vielen Jahren dabei, manche haben aber auch erst seit der Rente wieder richtig mit dem Training begonnen.

Im Aufwärmraum tauschen sie sich nun über Schulterschmerzen aus oder Probleme mit der Achillessehne, aber auch über den Sport. Gemessen an ihrem Alter wirken sie topfit. Ihre Trainer sind der Meinung, dass das Training vielen geholfen habe, dass sie heute überhaupt noch so starke Knochen und Muskeln haben. „Andere gehen in dem Alter schon am Wägele“, sagt ein Trainer aus Augsburg mit einem Augenzwinkern. Zudem sei es gar nicht so schlimm, wenn die Kraft ein wenig nachlässt, denn 70 Prozent mache immer noch die richtige Technik aus.

Zum Wettbewerb in den Altersklassen 80 und 85 sind die Frauen der Teilnehmer angereist, auch einige Mitglieder der Vereine sitzen mit Kaffee und Kuchen vor der Bühne. Ernst Ambs aus Eisenbach ist der erste Starter. Er hat 60 Sekunden Zeit, die Platte auf der Bühne in der Riesaer WM-Sporthalle zu betreten, die Stange mit den Gewichten in die Hände zu nehmen, nach oben zu reißen und zu halten. Er hat heute das leichteste Startgewicht: 27 Kilo. Seine Konkurrenten in den höheren Gewichtsklassen versuchen sich an bis zu 50 Kilo schweren Stangen. Später, wenn alle ihre drei Versuche hatten, geht es im Stoßen weiter – mit noch schwereren Gewichten.

Training im eigenen Keller

Es ist der Ehrgeiz und ein bisschen auch der Spaß, der die alten Herren noch immer anspornt, regelmäßig die Stange in die Hand zu nehmen, auf jedes Gramm Körpergewicht zu achten und durch ganz Deutschland oder gar Europa zu reisen.

Einer hat diesmal einen relativ kurzen Weg: der Eibauer Friedrich Faber. Seit 1957 ist er aktiv und wohl Sachsens ältester Gewichtheber. Am späten Vormittag hat Faber, Jahrgang 1940, seine drei Versuche im Reißen hinter sich. Alle waren gültig, doch ganz zufrieden ist der einzige sächsische Teilnehmer nicht mit seiner Leistung. Im Stoßen will er noch mal alles geben.

Zwischen den beiden Durchgängen isst er eine Banane und einen Traubenzucker zur Stärkung, dann geht es weiter. „Früher habe ich zwei- oder dreimal die Woche in langen Einheiten trainiert, heute mache ich der Gesundheit wegen jeden Tag noch einzelne Übungen“, sagt der Oberlausitzer. Zum Glück habe er eine Stange und Gewichte im Keller liegen, so dass er trainieren kann, wann immer er will. Faber verfolgt den Sport schon einige Jahrzehnte, auch die Dopingskandale im internationalen Gewichtheberverband IWF.

Friedrich Faber trainiert seit mehreren Jahrzehnten in Eibau. Zwei Jahre will er noch machen, dann soll Schluss mit Wettkämpfen sein.
Friedrich Faber trainiert seit mehreren Jahrzehnten in Eibau. Zwei Jahre will er noch machen, dann soll Schluss mit Wettkämpfen sein. © SZ/Veit Hengst

Bleibt Gewichtheben olympisch?

Eckehard Thau hofft nun, dass der Verband einen richtigen Neuanfang startet, damit der Sport auch nach den Spielen 2024 in Paris olympisch bleiben kann. „Wenn nicht, brechen hier Strukturen zusammen, Fördergelder gehen weg“, sagt der Organisator. Das Internationale Olympische Komitee will in diesem Jahr eine Entscheidung treffen, ob die Gewichtheber und Gewichtheberinnen in fünf Jahren in Los Angeles auch wieder antreten dürfen.

Faber wird zu den Spielen 2028 seine Karriere auf jeden Fall beendet haben. Zwei Jahre will der Eibauer noch machen, dann ist Schluss – zumindest mit Wettkämpfen. Dieses Jahr ist die Europameisterschaft im irländischen Waterford sein Ziel. Die WM in Polen wird er dagegen verpassen, da heiratet seine Enkeltochter.

Die Familie, so sagt Faber, unterstütze ihn bei seinem Sport. „Meine Frau ist Physiotherapeutin, die knetet mich nach den Wettkämpfen immer wieder zusammen“, sagt er – und hebt die nächste Stange.