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Sprungbrett ins Berufsleben

In der Sporthalle verbessern Syrer ihr Deutsch. Auf dem Arbeitsmarktsmarkt haben sie es schwer. Das soll sich ändern.

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© Dietmar Thomas

Von Tina Soltysiak

Döbeln. Flüchtlinge als bezahlte Helfer in der Sporthalle – dagegen gibt es Vorbehalte. Noch immer. Jörg Dathe hat sich davon nicht einschüchtern lassen. Seit September beschäftigt er drei junge Syrer. „Sie sind von alleine auf uns zugekommen“, sagt der Chef des Döbelner SV „Vorwärts“. Die Männer hätten bemerkt, dass in der Halle gebaut wird. „Eine DRK-Mitarbeiterin, die sie betreut, kam dann auf mich zu und fragte, ob die Jungs helfen können. Da haben wir nicht nein gesagt“, erzählt Dathe.

Basel Al Diab, Firas Moalla und ein 23-jähriger Informatiker, der seinen Namen nicht nennen möchte, sind seitdem Mitglieder im Verein. „Sie haben ein Beschäftigungsverhältnis für Ehrenämter“, sagt er. Seit Dezember gibt es außerdem die Möglichkeit, einen Bundesfreiwilligendienst (Bufdi) in der Flüchtlingshilfe zu absolvieren. Mehr als 20 Mittelsachsen tun dies bereits. Darunter sind auch einige Flüchtlinge – so wie Basel Al Diab. „Er ist seit Dezember als Asylbewerber anerkannt, und seit Januar Bufdi bei uns“, sagt Jörg Dathe.

Die drei Syrer sind froh, dass sie eine Beschäftigung haben. „Zwölf Leute in einem Zimmer. Nichts zu tun. Das ist langweilig. Hier können wir was tun“, erzählt der 33-jährige Al Diab. Er spielt gern Fußball – seine Lieblingsmannschaft ist Real Madrid. Fast ein Jahr hat seine Flucht aus der syrischen Stadt Holmes gedauert. Zu acht waren sie unterwegs. In Griechenland wurde die Familie getrennt. Seine Eltern sind jetzt in Schweden. Basel Al Diab nutzt die Gelegenheit, sein Deutsch weiter zu verbessern.

Den Fachkräftemangel auffangen

Ihm uns seinen beiden Mitstreitern ist anzumerken, dass sie sich bemühen. Jörg Dathe gibt klare Anweisung. Verleiht ihnen mit Gesten Nachdruck. Wenn sie etwas nicht verstehen, zücken die Männer ihre Mobiltelefone und halten es ihm unter die Nase. Darauf haben sie ein Übersetzungsprogramm. „Die Deutschkenntnisse der Jungs haben sich wirklich verbessert. Und das mit der Pünktlichkeit wird auch“, sagt Dathe. Ihm ist bewusst, dass diese Beschäftigungen „für die Asylbewerber nur ein Sprungbrett in die Arbeitswelt ist und sein soll“.

Basel Al Diab hat in Syrien Business Administration studiert. Das ist vergleichbar mit Betriebswirtschaftslehre. Firas Moalla habe Architektur studiert, sagt er. Sie könnten, mit den entsprechenden Sprachkenntnissen, vielleicht die Fachkräfte werden, die Mittelsachsen so dringend benötigt. „Bisher werden die Qualifikationen der jungen Leute noch nicht sofort registriert. Die Arbeitsagenturen erfassen jetzt diejenigen, die einen Deutschkurs belegen.“ Das hat Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) bei der Küchentisch-Tour in Döbeln gesagt.

Abschlüsse nur bedingt vergleichbar

Allerdings seien die syrischen Abschlüsse nicht immer mit den deutschen vergleichbar, erzählt Marco Hartwig, Ausbildungsberater der Handwerkskammer Chemnitz. Der Schulabschluss, der zum Studium berechtigt, sei eher vergleichbar mit dem hiesigen Realschulabschluss „Es gibt kein besser oder schlechter – sondern sie sind eben einfach anders, aufgrund der unterschiedlich gewachsenen Systeme“, erklärt Hartwig. Dulig ergänzt: „Wir haben eine ungeheuere Spanne an Qualifikationen: vom Analphabeten bis zum Studierten.“

Handwerkskammer-Präsident Dietmar Mothes spricht sich für eine berufliche Qualifizierung der Flüchtlinge auf demselben Niveau wie der Einheimischen aus. „Abschlüsse light wird es mit uns nicht geben.“ Das Handwerk brauche Fachkräfte und keine Hilfsarbeiter, weshalb es mit ihm auch keine Diskussion über einen niedrigeren Mindestlohn für Flüchtlinge geben werde. Er betont, dass Flüchtlinge erst dann an Betriebe weitervermittelt werden sollten, wenn sie das Sprachniveau B1 erreicht hätten. Dass dieses hohe Niveau eine notwenige Bedingung sei, habe die Erfahrung der Kammer mit spanischen und tschechischen Jugendlichen gezeigt.

Gute Erfahrungen mit ausländischen Azubis hat das Unternehmen AEL in Leisnig gemacht. „Wir sind bereit, männliche Flüchtlinge mit Bleibeaussichten einzustellen. Uns fehlt aber ein Ansprechpartner, um an sie heranzukommen. Wir würden uns gern kümmern. Aber erst müssen die Voraussetzungen dafür geschaffen werden“, sagt Erhard Münch. Er hat das Unternehmen viele Jahre lang geleitet, ist jetzt noch beratend tätig. Vize-Landrat Lothar Beier bestätigt, dass es in Mittelsachsen „seitens der Firmen eine große Bereitschaft gibt, sich für Asylbewerber zu engagieren“.

Allerdings könnten die Unternehmen die Integration nicht allein schultern, so Arbeitsvermittlerin Annett Voigtländer. Sie ist der Ansicht, es brauche spezielle Arbeitsmarktprogramme für Asylbewerber. Das müsse in den Berufsschulen anfangen. Es gibt dort bereits Vorbereitungsklassen. „Die kommen dann zu uns. Im September beginnen Maßnahmen für junge Flüchtlinge“, erklärt Ute Kötzsch von der Berufsberatung der Agentur für Arbeit Freiberg.

Die Handwerkskammer setzt auf eine erste Ausbildung im eigenen Haus. Laut Präsident Mothes starte ein Pilotprojekt für Flüchtlinge. In den Lehrwerkstätten sollen Flüchtlinge zunächst vier Wochen lang Berufsorientierung erhalten. Gleichzeitig sollen sie außerhalb der Kammer Deutschunterricht bekommen.