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Staatsanwalt: Dresden im Visier von „Krawall-Touristen“

Bei Gewaltexzessen am Rande der Dresdner Neonazi-Aufzüge am 19. Februar wurden mehr als 100 Polizisten verletzt. Die Ermittler machen für die Eskalation auch Täter von außerhalb verantwortlich.

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Dresden. Die Gewalt am Rande der Dresdner Neonazi- Aufmärsche resultiert nach Einschätzung der Ermittler auch aus einem regelrechten Krawall-Tourismus. „Gewaltbereite suchen geradezu Gelegenheiten, wo sie in Erscheinung treten können. Ihnen geht es weniger um einen Anlass wie den 13. Februar in Dresden, sondern um Randale an sich“, sagte der Dresdner Staatsanwaltschaft Jan Hille (46) im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa. „Das sind zum Teil dieselben Leute, die auch bei den Chaostagen oder bei den Mai-Feiern in Berlin auftauchen. Nun haben sie Dresden ins Visier genommen.“ Der Trend gelte für Rechts- und Linksextremisten gleichermaßen. Hille verglich Krawall-Touristen mit der Hooligan-Szene. Auch dort gehe es Gewalttätern nicht um das Fußballspiel, sondern um die Aktion im Umfeld.

Hille zufolge leitete die Staatsanwaltschaft Dresden nach den massiven Ausschreitungen vom 19. Februar mehr als 700 Strafverfahren ein. Das betreffe Verstöße gegen das Versammlungsgesetz bis hin zu schweren Straftaten wie gefährliche Körperverletzung und Landfriedensbruch. Im Vergleich zu den Vorjahren sei eine deutliche Zunahme an Gewalt zu registrieren. „Die einen versuchen, eine genehmigte Veranstaltung mit allen Mitteln zu verhindern. Den anderen geht es darum, die Veranstaltung mit allen Mitteln durchzusetzen.“

"Tendenz zur Verharmlosung"

Nach Ansicht Hilles gibt es in Deutschland in letzter Zeit eine „Tendenz zur Verharmlosung“ solcher Straftaten. Auch am 19. Februar sei zunächst viel Kritik am Einsatz der Polizei aufgetaucht. Eine deutliche Distanzierung von den Krawallmachern hätten viele vermieden. Wenn noch Monate später eine Landtagsabgeordnete der Linken dazu aufrufe, mit dem Schwarzen Block zusammenzuarbeiten, um Polizeiketten zu „durchfließen“, dann stimme das mehr als nachdenklich. „Manche handeln nach dem Motto: Wenn der Zweck der Aktion gut ist, dann muss auch die Aktion selber gut sein und darf nicht verfolgt werden.“ Dies sei jedoch keine Grundlage für einem Rechtsstaat.

Die wenigen Gewalttäter würden auch die Masse der friedlichen Demonstranten diskreditieren - genau wie die Hooligans die große Menge der Fans. Hier wie dort fehle es an angemessenen Reaktionen. „Was wir dieses Jahr vermisst haben, ist eine deutliche Reaktion der Masse an friedlichen Demonstranten, sich von den Chaoten abzugrenzen. Vor allem exponierte Politiker haben sich da nicht deutlich zu Wort gemeldet. Gerade von Ihnen sind aber klare Äußerungen notwendig. Ein Schweigen zu den Taten macht die Szene erst stark“, so Hille.

Der Staatsanwalt erinnerte an die Einstellung von Gewalttätern gegenüber der Polizei. „Ein Polizist wird heute als Feind eingestuft, dem man scheinbar alles antun darf. Wenn ein Polizist eine genehmigte Demonstration von Neonazis absichert, dann wird er von vielen mit Neonazis gleichgesetzt.“ Dagegen müsse die Gesellschaft ein deutliches Zeichen setzen.

Hille widersprach dem Vorwurf, Ermittlungen gegen Linke-Politiker wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz seien Willkür. „Niemand hat das Recht, eine genehmigte Demonstration zu behindern. Weil ich eine andere Meinung habe, kann ich andere nicht in ihren Verfassungsrechten einschränken“, sagte der Jurist. Auch gegen den Fraktionschef der Linken im sächsischen Parlament, André Hahn, und seine Amtskollegen in den Landtagen von Thüringen und Hessen, Bodo Ramelow sowie Janine Wissler und Willy van Ooyen, habe man die Ermittlungen gegen eine Geldauflage einstellen wollen. „Das Geld war ausdrücklich für Projekte gegen Rechts gedacht.“ Im Gegensatz zu anderen Vertretern der Linken hätten die Betroffenen eine Geldbuße aber abgelehnt. „Deshalb soll gegen sie Anklage erhoben werden.“ (dpa)