Merken

Mühle abgerissen - B170 wieder frei

Nur noch das Untergeschoss steht von dem Dippser Getreidebunker. Der Abriss war ein zäher Kraftakt und begleitet von Problemen.

Teilen
Folgen
NEU!
© Egbert Kamprath

Von Franz Herz

Ein Drache, der Stahl und Steine frisst. So wirkt der Bagger, der gestern früh das Getreidelager der Hafermühle abreißt. Er ist schwarz und gelb gestrichen, hat einen knapp zwanzig Meter langen Hals und vorn eine Zange, ein Drachenmaul, das selbst Stahlträger einfach knickt.

Vorsichtig begann Baggerfahrer Detlef Ulbricht das Dach wegzuschneiden, damit er die Stahlträger greifen konnte.
Vorsichtig begann Baggerfahrer Detlef Ulbricht das Dach wegzuschneiden, damit er die Stahlträger greifen konnte. © Egbert Kamprath
Die Abrisszange erinnert an die Kiefer eines Drachen. Sie entwickelt Kräfte, die selbst Stahl brechen können. Doch der Getreidebunker der Hafermühle war zäh.
Die Abrisszange erinnert an die Kiefer eines Drachen. Sie entwickelt Kräfte, die selbst Stahl brechen können. Doch der Getreidebunker der Hafermühle war zäh. © Egbert Kamprath

Am Dienstag in der Morgendämmerung kommt dieser knapp 50 Tonnen schwere Koloss endlich in Dippoldiswalde an. Die schwere Abrisszange war schon am Montag angeliefert worden. Sie arbeitet mit 360 Bar Druck, das ist so viel wie in 3,6 Kilometer Tiefe im Meer.

Nun geht es los …, aber nur für kurze Zeit. Ein Stahlteil fällt auf einen Hydraulikschlauch und beschädigt diesen. „Das passiert leicht einmal bei Stahlbauten“, kommentiert ein Monteur der Firma Nestler das Malheur. Eine mobile Werkstatt aus Dresden behebt es schnell. So frisst der Drache um 8.45 Uhr wieder weiter. Das Getreidelager hatte bis gestern sechs Fensterreihen. Im Gebäude standen dazwischen jeweils eine Reihe Stahlsäulen. Diese nimmt sich der Bagger jetzt eine nach der anderen vor. Erst beißt er oben das Dach durch. Bretter und Dachpappe fallen herab.

Nun hat er freien Zugriff auf die erste Stahlsäule. Der Arm schwenkt und die Abrisszange greift sich den Träger von der Seite. Stahl auf Stahl, das knirscht hässlich. Doch noch hält der Träger. Der Bagger biegt ihn einmal um, ein zweites Mal, bis er bricht und ein meterlanges Stück zu Boden fällt. Dabei wackelt das ganze Gebäude. Dieser Anblick kann einem Angst machen. Und weil es auch gefährlich ist, hat die Polizei die B 170 vor der Hafermühle komplett abgesperrt.

Die Stahlkonstruktion beruhigt sich wieder. Sie ist flexibel, aber sie hält. „Von wegen akut einsturzgefährdet“, sagt Wolfgang Schmidt, der Eigentümer der Hafermühle, der jetzt mit seinem Statiker dazugekommen ist. „Sie sehen ja, wie der Bagger arbeiten muss.“ Der hat auch mit der Ziegelwand, die zur B 170 hin steht, schwer zu tun. Erst löst er eine Stahlsäule von der Mauer, dann bringt er die Wand Stück für Stück zum Einsturz. Sie fällt aber nicht insgesamt, sondern etagenweise nach unten. Das gibt jedes Mal eine eindrucksvolle Staubwolke. Gut, dass es nieselt, da stiebt es nicht so.

Die Schaulustigen, die hinter der Absperrung stehen, brauchen einen Schirm, so wie Jennifer Rühmling, die in der Nähe wohnt. „Ich habe Urlaub, da schaue ich hier zu“, sagt die 22-Jährige. Sie kennt die Hafermühle seit Kindheit. „Aber unsere Eltern haben uns immer verboten, dort hinzugehen. Das war zu gefährlich“, erzählt sie. „Jetzt bin ich froh, dass der Schandfleck verschwindet. Ich will auf jeden Fall sehen, wenn der Turm in der Mitte fällt.“

Das passiert kurz nach 13 Uhr. Damit ist der Abriss fast fertig. Baggerfahrer Detlef Ulbricht von der Firma Nestler gönnt sich eine Mittagspause. Er guckt sich die Reste des Getreidelagers zufrieden an. „Das war ein zäher Fall. Jetzt muss ich noch ein wenig aufräumen, damit ich in die letzte Ecke komme. Dort ziehe ich die Wand nach innen und bin fertig.“ Der Drache hat dann seine stählerne Mahlzeit beendet. Um 16.30 Uhr war die B 170 wieder frei.