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Stasi bespitzelte West-Berliner Polizisten fast komplett

Die DDR-Staatssicherheit wusste sogar im Detail über geplante Attentate Bescheid.

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Berlin. Fast alle West-Berliner Polizisten waren vor dem Mauerfall im Visier der DDR-Staatssicherheit. Die Stasi habe etwa 80 Prozent der rund 20 000 Polizeibeamten und Mitarbeiter mit beruflichen und persönlichen Informationen registriert, lautet das Ergebnis einer Forschungsgruppe der Freien Universität Berlin, das gestern vorgestellt wurde. Auch der Telefon- und Funkverkehr der Polizei sei umfassend abgehört worden.

Aus den ausgewerteten Stasi-Akten ergab sich auch, dass der DDR-Geheimdienst über den tödlichen Bombenanschlag auf die West-Berliner Disco La Belle im Jahr 1986 schon im Voraus bestens informiert war. Bei dem Anschlag vermutlich libyscher Terroristen auf die von US-Soldaten besuchte Diskothek starben damals drei Menschen.

Die Stasi forschte die West-Berliner Polizei zwar gründlich aus, direkten Einfluss auf deren Arbeit konnte sie aber nicht nehmen, stellten die Forscher fest. In den rund 180 Ordnern des Ministeriums für Staatssicherheit stießen sie auf etwa 200 Stasi-IM in den Reihen der West-Berliner Polizei. Die meisten arbeiteten in den Jahren bis 1972. Nur elf Stasi-Spitzel waren zwischen 1973 und 1989 aktiv.

Ein Polizist am Flughafen Tegel erhielt in sieben Jahren 240 000 D-Mark für Informationen. Zuträger der Stasi war auch ein Scharfschütze der Polizei, der Informationen über Staatsbesuche und Schutzmaßnahmen lieferte. Ab den 70er-Jahren konzentrierte sich die Stasi verstärkt auf das Abhören von Gesprächen und das „Abschöpfen“ von Informanten.

Gesammelt wurden Tausende Fotos von Polizisten und Dienstgebäuden, Dienstgrade, Beförderungen, Hobbys oder Schuldenstände sowie Adressen, Auto-Kennzeichen, Telefonnummern und Lagepläne. Für die Stasi war die West-Berliner Polizei ein bewaffneter Gegner. Im Fall einer Umsetzung der vorbereiteten Angriffspläne auf West-Berlin sollte die Polizei schnell ausgeschaltet werden.

Auf die Verbindungen zu Terroristen stießen die Forscher eher am Rande durch Berichte eines Stasi-IM, der mit der West-Berliner Polizei direkt nichts zu tun hatte. Demnach waren neben dem La Belle zwei andere West-Berliner Discos aufgelistet, in denen ebenfalls vor allem amerikanische Soldaten feierten. Für das La Belle entschieden sich die Terroristen – so der Stasi-Bericht –, weil von dort aus die Bedingungen für den Rückzug der Attentäter über eine Grenzübergangsstelle nach Ost-Berlin als am günstigsten angesehen wurden. (dpa)