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Steht das Wolfsbüro vor dem Aus?

Eine neue Verordnung soll den Umgang mit dem Raubtier neu regeln – mit Konsequenzen für die Oberlausitz.

Von Irmela Hennig
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Er sorgt für Debatten, der Wolf. Wie umgehen mit dem Raubtier? Brauchen wir weiterhin ein Wolfsbüro im Landkreis?
Er sorgt für Debatten, der Wolf. Wie umgehen mit dem Raubtier? Brauchen wir weiterhin ein Wolfsbüro im Landkreis? © Foto: www.pixabay.com

Kontaktbüro Wölfe in Sachsen, guten Tag“, das hört, wer in Rietschen die Nummer 46762 anruft. Denn dort sitzt in einer Scheune auf dem Freilichtmuseumsgelände Erlichthof eben dieses Kontaktbüro. Längst ist es zum sachsen- und sogar bundesweiten Infozentrum rund um die Wölfe geworden. Herdenschutz, tote Schafe, ängstliche Dorfbewohner, simple Neugierde – für viele Menschen ist das Team um Vanessa Ludwig die erste Anlaufstelle, die dann berät oder an andere zuständige Stellen weitervermittelt. Ob das so bleibt, ist fraglich. Denn der Freistaat Sachsen will den Umgang mit dem Wolf neu regeln. In einer Wolfsverordnung, die seit wenigen Tagen zur Anhörung freigegeben ist, werden neue Ansprechpartner für den Wolf in Sachsen benannt. Der Vorschlag: Künftig soll das Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie, kurz LfULG, für vieles den Hut aufhaben. Ausdrücklich auch für die Öffentlichkeitsarbeit. Konkret heißt es in dem Papier, das LfULG solle „die Bevölkerung auf Grundlage des Managementplanes Wolf über die Verbreitung des Wolfes, die von ihm verursachten Schäden, seine Lebensgewohnheiten, gebotene Schutzmaßnahmen, dafür bestehende Fördermöglichkeiten und an das Wolfsvorkommen angepasste Verhalten“ informieren. Auf Nachfrage beim Sächsischen Umweltministerium, ob das Büro in Rietschen damit geschlossen wird, gibt es noch keine endgültige Antwort. Ein Ministeriumssprecher teilte aber mit, dass die Mitarbeiter, die für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig seien, ihren Dienstsitz am Geschäftsort der künftigen Fachstelle Wolf haben werden. Bisher waren sie beim Landratsamt Görlitz angestellt, wurden aber finanziert durch den Freistaat. Also wechseln die Aufgaben des Kontaktbüros an die Fachstelle. Zum Standort Rietschen laufen, laut Ministerium, noch die Abstimmungen mit dem Landkreis Görlitz, inwieweit dort – über das Jahr 2019 hinaus – Aufgaben im Rahmen des Sächsischen Wolfsmanagements wahrgenommen werden können.

Neu geregelt wird auch die Zuständigkeit für den Fall, wenn Wölfe Nutztiere reißen. Gegenwärtig werden Rissgutachter der Landratsämter benachrichtigt und fahren vor Ort. Für die Wochenenden und Feiertage ist eigentlich ein Bereitschaftsdienst vorgesehen. Doch das funktioniere oft nicht, bemängelt das Umweltministerium. Mitunter hätten Schafhalter das ganze Wochenende niemanden erreicht. Zuletzt gab es einen Fall in Lampertswalde nördlich von Radeburg. Dort hatte ein Schafhalter in der Nacht zu einem Samstag fünf Tiere an den Wolf verloren. Aber erst am Montag sei ein Gutachter gekommen.

So etwas soll künftig nicht mehr passieren. In der neuen Fachstelle solle es eine Rund-um-die-Uhr-Bereitschaft geben. Auch die Beratung zum Herdenschutz geht an das Landesamt über. Die Landkreise verlieren damit einiges an Kompetenz. Nicht aber die Zuständigkeit für die „Entnahme“ und „Vergrämung“ von Wölfen. Darüber sollen sie auch künftig zuerst entscheiden dürfen. Dann erfolgt die Abstimmung mit dem Ministerium. Das hat in der Verordnung konkreter als bisher festgelegt, wann ein Wolf verscheucht oder getötet werden darf. Das gilt, wenn der Erhaltungszustand der Wölfe gut ist und für Regionen, in denen sich „erhebliche betriebswirtschaftliche Werte einer landwirtschaftlichen Schaf- oder Ziegenhaltung befinden“. Getötet werden zum Beispiel erwachsene Wölfe, die zumutbare Schutzmaßnahmen für die Haltung dieser Tiere oder auch für Gatterwild wie Damhirsche zweimal überwinden. Wenn nicht ein bestimmter Wolf als Schuldiger ausgemacht werden kann, dürfen so lange Wölfe getötet werden, bis es keine Schäden mehr gibt. Elterntiere sind davon ausgenommen, es sei denn, sie verursachen selbst die Schäden. Dann müssen gegebenenfalls auch Welpen entnommen werden. Eine Tötung oder Entnahme ist zudem zulässig, wenn die Tiere Menschen verletzen, verfolgen oder sich unprovoziert aggressiv gegenüber Menschen verhalten. Ebenfalls gilt es für Tiere, die immer wieder in Siedlungen auftauchen und sich nicht vertreiben lassen. Zudem ist es möglich, erwachsene Wölfe zu entnehmen, wenn ein erwachsener Wolf eine besonders geschützte Tierart so stark dezimiert, dass sie zu verschwinden droht. Dazu gibt es, laut Umweltministerium, kein konkretes Beispiel. Auch Professor Hermann Ansorge, Wolfsexperte vom Senckenberg-Museum für Naturkunde in Görlitz, ist kein Fall bekannt. Der Wolf jage zwar Feldhasen, die auf der Roten Liste für bedrohte Arten stehen. Aber nur in ganz geringem Ausmaß. 94 Prozent der Wolfsnahrung sind wilde Huftiere wie Rehe.

Kritik an den erweiterten Tötungsmöglichkeiten kommt vom Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) Sachsen. Vorsitzender Felix Ekhardt sagt: Die Tötung einzelner Wölfe, ganzer Gruppen und auch von Jungtieren solle unter anderem dann stattfinden dürfen, wenn „das öffentliche Leben erheblich gestört wird“. Das lasse gefährlichen Spielraum für Interpretationen. Provokant fragt Ekhardt: „Will die Staatsregierung die Wölfe ausrotten?“ Der Jurist hat auch rechtliche Bedenken und bezweifelt, dass die Verordnung mit den EU-Gesetzen zum Wolfsschutz vereinbar ist. Bis 31. Januar haben Naturschutzverbände, Landkreise und Behörden die Möglichkeit, sich zum Entwurf zu äußern. Der Landkreis Bautzen will erst danach öffentlich Stellung nehmen.