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Steina steckt in finanziellen Nöten

180 000 Euro fehlen! Die Gemeinde begehrt, an der Schieflage unschuldig zu sein. Was hat die Pulsnitzer Kämmerei damit zu tun?

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© Uwe Soeder

Es ist kein Geheimnis mehr und es gibt auch nichts zu beschönigen: Schwere Zeiten kommen auf den idyllischen Bergort Steina zu. Es fehlt viel Geld in der Kommunen-Kasse. Eine Summe, mit der, keiner rechnete. Gemäß einer Gemeinschaftsvereinbarung erfüllt die Stadt Pulsnitz seit 1997 verschiedene Aufgaben für Steina – unter anderem die Finanzverwaltung. Wer hat seine Hausaufgaben nicht gemacht, fragt man sich. Die SZ sprach mit Steinas Bürgermeister Lutz Hönicke zum Thema:

Herr Hönicke, Steina ist pleite, hört man es aus vielen Ecken munkeln. Wie viel Wahrheit steckt dahinter?

Leider viel. In unserem Haushalt klafft ein Loch von 180 000 Euro. Mit einem Minus von 30 000 Euro hatten wir ja gerechnet. Solche Summen sind durchaus gängig. Und werden bereits als Defizit im Haushaltsplan mit aufgenommen. Dieser wurde ordnungsgemäß Ende Januar 2014 verabschiedet. Darin waren alle laufenden Ausgaben für Pflicht- und freiwillige Aufgaben sowie die Investitionen (größer als 1000 Euro) festgeschrieben und finanziell abgesichert. Es war also ein fast ausgeglichener Haushalt, der so auch vom Rechts- und Kommunalamt des Landratsamtes Bautzen bestätigt wurde. Und nun das! Wir sind schockiert und haben uns die letzten Wochen nur mit diesem einen Thema befasst. Wir wissen leider auch erst seit Jahresende von dieser Schieflage…

Wie kann es sein, dass die Gemeinde erst so spät von ihrem Problem erfuhr?

Seit 17 Jahren laufen unseren Finanzen komplett über die Stadt Pulsnitz, weil wir damals der Verwaltungsgemeinschaft beitraten. Als Hintergrund: Dafür bezahlen wir eine Verwaltungsumlage – immerhin 158 880 Euro pro Jahr. Eine beträchtliche Summe mit steter Steigerung. Da verlässt man sich auch ein bisschen auf die Verantwortlichen vor Ort. Noch im August gab es einen schriftlichen Bericht zum ersten Haushaltshalbjahr. Ich zitiere hier nur mal die letzten Worte: „… es besteht die Prognose, dass zum Ende des Jahres ein positives Ergebnis erzielt wird!“ Erst Mitte Oktober 2014 gab es dann den ersten dringenden Hinweis aus der Pulsnitzer Kämmerei, dass mit einem erheblichen Minusbetrag zum Ende des Haushaltsjahres zu rechnen ist. Daraufhin wurde sofort die Haushaltssperre verhängt. Wir waren und sind noch jetzt ein bisschen ratlos.

Hat man bereits herausgefunden, woher das große Minus kommt?

Es gibt viele Hinweise. Und auch erste Schuldeingeständnisse seitens der Stadt Pulsnitz. Dennoch ist das meiste nicht nachvollziehbar für uns. Die größte Mehrausgabe gab es wohl bei den Personalaufwendungen in der Kita. Hier soll man nicht ausreichend Reserven berücksichtigt beziehungsweise in den Haushalt eingestellt haben. Wir können das nicht nachvollziehen! Zumal bekannt war, dass sich 2014 die Personalkosten durch entsprechende Tarifabkommen erhöhen werden.

Wie kann es sein, dass man sich bei den Kita-Personalkosten derart verrechnet?

Als Begründung offerierte uns die Kämmerei Pulsnitz kürzlich, dass die Personalkosten in unserer Einrichtung wegen des ständig wechselnden Personalschlüssels schlecht planbar seien. Dazu kämen Doppelzahlungen durch Altersteilzeit und Beschäftigungsverbot einzelner Mitarbeiter. Das können wir natürlich so nicht als Begründung akzeptieren. Die Stundenanzahl der Erzieherinnen wird seit Jahren immer wieder an den Schlüssel angepasst. In den vorangegangenen Jahren muss man das ja schließlich auch berücksichtigt haben. Warum stellte es bis dato kein Problem dar? Nun stehen wir allein hier vor einer Differenz von immerhin 63 000 Euro. Dies alles scheint ja zwar die Mittelüberschreitung zu erklären, aber nicht, warum diese Punkte nicht von vornherein anders eingeplant wurden. Dazu kommt, dass die Konzessionseinnahmen für Energie und Gas viel zu hoch angesetzt waren. Da stehen wir nun mit 16 900 Euro im Minus. Und so läppert sich es sich weiter zusammen …

Hätte die Gemeinde Schlimmeres verhindern können?

Die Haushaltspläne werden immer komplizierter. Der Bürgermeister und sein Gemeinderat sind auf die fachliche Kompetenz und den Sachverstand der Kämmerei angewiesen. Wir mussten uns hier sogar den Vorwurf von Pulsnitz anhören, wir hätten ja schließlich auch genauer hinschauen können. Das empfinde ich schlicht als Unverschämtheit. Zum Aufgabengebiet der Kämmerei gehört eine durchgehende Überwachung der gemeindlichen Liquidität und der Durchsetzung der resultierenden Handlungen. Wir haben in den letzten Wochen sämtliche Unterlagen gewälzt und sind zu dem Fazit gekommen: An dieser Schieflage sind wir schuldlos!

Es wurde ja aber noch einiges weiter gebaut und investiert …

Wenn der Gemeinderat und ich im Juni oder Juli informiert worden wären, dass die Hochrechnung für geplante Maßnahmen uns in eine solche schwierige Lage bringt, hätten wir entsprechend reagieren können! Und wir hätten natürlich gegengesteuert! Angedachte Projekte wie die Sanierung des Kleinspielfeldes, der Kauf der neuen Sirenen oder der Beginn der Hochwasserschadensbeseitigung hätten problemlos nach hinten verschoben werden können!

Was kommt nun konkret auf die Steinaer Bürger zu?

Um arbeitsfähig zu bleiben und unseren eigenständigen Status behalten zu können, muss gespart werden. Wir müssen Pläne entwickeln, die es uns ermöglichen einen Haushalt zu verabschieden. Das wird nicht vor Juni passieren. Bis dahin gibt es einen Investitions-Stopp. Im Gemeinderat haben wir am Dienstag über einen 35-Punkte-Plan beraten, wie und wo wir sparen können und müssen. Es wird Einschränkungen im gesellschaftlichen wie privaten Leben der Bürger geben. So viel steht fest. Leider ist die Erhöhung der Kita-Gebühren oder die Anhebung der Grundsteuer auch Thema gewesen. Genaue Informationen folgen. Wir wollen weiter als Gemeinde selbstständig entscheiden. Und nicht von Bautzen ferngesteuert werden. Das könnte im schlimmsten Fall passieren.

Wird es überhaupt Konsequenzen für die Kämmerei Pulsnitz geben?

Das lassen wir gerade alles prüfen. Wir stehen im Kontakt mit der Kämmerei und Bürgermeister Peter Graff. Viele Fragen sind offen, Probleme ungeklärt. Vielleicht ist hier ja auch etwas über die Eigenschadenversicherung der Stadt zu machen? Die Rechtsaufsicht des Landratsamtes muss sich ebenfalls bald positionieren. Wir stehen gerade in ersten Gesprächen. Wir möchten unbedingt, dass man uns hier den Rücken stärkt!

Herr Hönicke, im Juni wird auch in Steina gewählt. Treten Sie wieder an?

Ja, gerade jetzt werde ich mir nicht nachsagen lassen, ein sinkendes Schiff zu verlassen. Ich kandidiere auch mit FDP-Mandat. Wir alle wollen doch gemeinsam das Beste für unseren schönen Ort. Vieles haben wir in den letzten Jahren geschafft. Und wir haben noch viele Ideen im Kopf. Und nicht alles ist schließlich schlecht. Wir dürfen uns jetzt nicht kirre machen lassen. Vieles ist offen, wir kämpfen weiter!

Das Gespräch führte Ina Förster.