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Stopp für Lkw auf der B99

Der Schwerlastverkehr zwischen Ostritz und Hirschfelde ist zurückgegangen. Leiden dafür jetzt andere Orte?

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© Matthias Weber

Von Anja Beutler

Ostritz/Hirschfelde. Die Dampfwolken des Kraftwerkes Turow hängen tief am dunklen, schweren Regenhimmel. Und dennoch deuten die Zeichen für die drei Hirschfelder Wochenmarktbesucher auf Entspannung. Die zwei Damen und der Herr stehen mitten auf dem Marktplatz und halten ein Schwätzchen. Ihre Namen wollen sie nicht in der Zeitung lesen, aber erzählen können sie, wie anders alles vor einer Woche noch war. Da haben sie sich nämlich ebenfalls auf dem Markt getroffen und sich deutlich lautstärker unterhalten müssen. „Hier sind am Stück die Laster durchgedonnert“, sagt eine Dame mit kurzen, dunklen Haaren und schwarzer Fleecejacke. „Wir haben uns schon immer gefragt, wie man es in den Häusern hier an der Straße aushält – bei dem Lärm und Dreck“, ergänzt die zweite Hirschfelderin mit grauem Haar und Brille. Jetzt blicken alle drei – fast verblüfft – auf eine eher ruhige Straße.

So wie Jens Weigel aus Ostritz protestierten in den vergangenen Monaten viele Anwohner der B99 gegen den Schwerlastverkehr.
So wie Jens Weigel aus Ostritz protestierten in den vergangenen Monaten viele Anwohner der B99 gegen den Schwerlastverkehr. © Thomas Eichler
So wird der Lkw-Verkehr umgeleitet.
So wird der Lkw-Verkehr umgeleitet. © SZ

Von eben jenen Holzlastern ist am Dienstagvormittag nichts zu sehen. Nur ab und zu fährt ein Sattelschlepper – sogar mal einer mit Hänger – vorbei. Fast alle haben polnische oder tschechische Kennzeichen und dürften hier eigentlich nicht unterwegs sein. Denn seit Freitag gilt für Lkw über 20 Tonnen zwischen Zittau und Görlitz eine weiträumige Umleitung von rund 60 Kilometern, weil die kleine Brücke auf der B 99 zwischen Leuba und Ostritz für sie tabu ist. Dieses Bauwerk ist so stark baufällig, dass Landkreis und Freistaat in einer gemeinsamen Entscheidung bis auf weiteres die Tonnagebegrenzung verhängt haben. Das hat einen positiven Nebeneffekt für die Transit-geplagten Anwohner.

Ob das Verbot tatsächlich und dauerhaft wirkt – die Ostritzer, die am Vormittag zum Einkaufen unterwegs sind, bleiben skeptisch. Ein bisschen weniger sei es geworden, sagt ein älterer Herr, der seinen Einkauf in den Kofferraum seines jagdgrünen, geländegängigen Fahrzeuges packt. „Aber es waren ja Wochenende und Feiertag dazwischen, das wird sich erst zeigen“, meint er. Auch die Einkäufer in Hirschfelde glauben noch nicht so recht an die Lösung ihrer Verkehrsprobleme: Es sei wie immer gewesen – ab früh halb drei Uhr habe er die Laster gehört, sagt ein Mann und winkt ab. Auch Frank Wittig, der seinen Einkaufswagen aus dem Diska-Markt schiebt, will die Entwicklung erst einmal beobachten. Dass es etwas ruhiger geworden ist, findet er aber schon. Und er habe auch einen Holzlaster nach Dittelsdorf abbiegen sehen – offenbar wollte der Fahrer über Herrnhut ausweichen.

Dabei gibt es im Grunde kaum echte Alternativen, die auch für so schwere Brummis befahrbar sind: Weder die Strecke über den Ostritzer Galgenberg und den Eigen, noch die über Schlegel oder über Dittelsdorf sind für den Schwerlastverkehr ausgelegt. Das wissen auch die Lasterfahrer: In Bernstadt, Schönau-Berzdorf oder Herrnhut sind jedenfalls bislang noch keine Probleme aufgetaucht, heißt es aus den Rathäusern und Gemeindeämtern unisono. Dafür gibt es erste Zeichen, dass durch die weiträumige Umleitung tatsächlich mehr Verkehr über die neue B178 rollt. „Das hat man schon Ende vergangener Woche beobachten können“, bestätigt auch der Oberseifersdorfer Maler- und Lackierermeister Peter Hensel, der viel im Südkreis herumkommt.

Ob das so bleibt, hängt wohl auch davon ab, wie oft die Brummis auf der B99 kontrolliert werden – und welche Strafen sie erwarten. Eine Frau will gehört haben, dass Brummi-Sünder nur lächerliche 20 Euro zahlen müssen. „Da fahren die doch weiter hier entlang“, sagt sie. Da kann Tobias Sprunk von der Polizeidirektion Görlitz beruhigen: 75 Euro Bußgeld seien in solchen Fällen üblich – mit Luft nach oben, wenn die Fahrer mehrfach erwischt werden, betont er.

Piotr aus Polen hat mit seinem Laster jedenfalls nichts riskieren wollen – und die Kurve gerade noch gekratzt. Der polnische Fahrer zuckelt, von Hagenwerder kommend, schon auffallend zögerlich über die B 99 nach Leuba hinein. Sie sind ihm offenbar aufgefallen, die Schilder, die Lkw ab 20 Tonnen die Weiterfahrt verbieten und „Keine Wendemöglichkeit“ ankündigen. Vis-a-vis des Leubaer Autohauses setzt er mit seinem Sattelschlepper in eine Nebenstraße zurück, wendet und kehrt um.

Solche Fahrer sind auch Roberto Franke die liebsten. Der Hirschfelder werkelt an diesem Vormittag im Vorgarten, direkt da, wo von der B 99 die Straße nach Dittelsdorf abzweigt. Um die Hälfte weniger sei der Verkehr durchaus geworden, schätzt er. „Gefahren wird aber trotzdem“, sagt er. Und was geschehe eigentlich, wenn dann die kleine Brücke zwischen Leuba und Ostritz doch einmal intakt ist? „Vielleicht ist die Brücke am Ende schneller repariert, als in Polen die Straßenbauarbeiten beendet sind“, fragt er mit bitterer Ironie.

Roberto Franke bekundet seinen Ärger deshalb mit einem Protestplakat des Bürgerbündnisses an seinem Grundstück, wie es viele Anwohner in Ostritz und Hirschfelde tun. Denn die Bauarbeiten auf der Woiwodschaftsstraße 354 von Sieniawka Kleinschönau) zum Kraftwerk Turow waren der Auslöser der enorm angewachsenen Transit-Schlange über die B 99, die den Ostritzern und Hirschfeldern seit Monaten die Nerven raubt.

Deshalb setzen die Betroffenen darauf, weiter Druck zu machen, damit es eine echte Lösung gibt. Immerhin hat der Petitionsausschuss des Landtages eine Petition der Transit-Gegner angenommen und zur Eilpetition erklärt. Der Landtag ist nun aufgefordert, schneller als in den sonst üblichen sechs Wochen zu antworten. Vier Wochen sind bereits rum.