Von Kay Haufe und Franz Herz
Dresden.Sie ist kerzengerade und von sattem Grün. Dicht wachsen zahlreiche Äste an ihren Seiten, nirgends fällt der Blick auf ein Loch im Nadelkleid. „Diese Weißtanne ist ein Weihnachtsbaum ganz nach meinem Geschmack. Schön anzusehen, und der Duft! Hoffentlich hält er noch ein bisschen“, sagt Anneliese Fröbel, die gestern mit Dutzenden Schaulustigen auf den Altmarkt gekommen ist, um das Aufstellen der Striezeltanne zu beobachten.
Die Striezelmarkt-Tanne ist da
Punkt 12.30 Uhr ist es geschafft. Mit letzten Hammerschlägen sorgt Yves Brendahl dafür, dass die Keile den Baum fest in der Bodenhülse verankern. Mit ihnen ist das 22 Meter hohe Prachtstück so eingeklemmt, dass ihr kein Sturm gefährlich werden kann. Die Männer um Andreas Deppner, dessen Baumpflege-Firma seit Jahren für das Fällen und Aufstellen des wichtigsten Dresdner Baumes sorgt, kehren die Sägespäne unter der Weißtanne weg. Nun müssen noch die untersten Äste ab, weil sonst Fahrradfahrer stürzen könnten. Kaum liegt das Tannengrün auf dem Boden, gibt es Interessenten. Eine Frau gewinnt den Zweikampf. Während sie die großen Äste aufnimmt, setzt sich neben ihr ein tonnenschwerer Autokran in Bewegung. Vorsichtig lenkt Ralf Sprung den Vierachser vom Altmarkt. Hinter dem 47-Jährigen von der Kranfirma Michael Mross liegen ereignisreiche Stunden.
Kurz vor 7 Uhr ist er mit seinem Kollegen Andreas Häßler mit zwei Kränen in Lauenstein im Müglitztal eingetroffen. Dort warten bereits die Kollegen von Deppners Baumpflege vor dem Grundstück von Familie Kasiske. Die hatte sich mit einer stattlichen Weißtanne für den Striezelmarktbaum beworben. Die Schönheit kam in die Endrunde der letzten drei und gewann den Publikumsentscheid mit deutlichem Abstand. 3 960 Stimmen bekam sie, 700 mehr als der Zweitplatzierte. Unter anderem auch die von Ralf Sprungs Familie.
Doch bevor Kasiskes Baum auf den Altmarkt rollt, muss sie gefällt und verladen werden. Im Vorjahr passierte dabei in Kreischa ein Unglück. Die dortige Fichte brach während des Aufladens in zwei Teile. Dieser Fehler sollte nicht noch einmal passieren. Deshalb sind die Beteiligten besonders vorsichtig. Und die Lauensteiner Zuschauer müssen nicht lange bangen.
Dabei bläst der Wind gestern Morgen unerwartet heftig. Aber Ralf Sprung im
80-Tonnen-Kran sieht das gelassen. Sein Windmesser am Kran warnt vor gefährlichen Situationen. „Ab 40 Stundenkilometer wird es kritisch. Jetzt haben wir zwischen zehn und zwanzig Stundenkilometer.“ Also startet die Aktion. Markus Kopsch schnallt sich mit seinem Klettergeschirr am Kranhaken fest und lässt sich in die Höhe ziehen. Im Wipfel steigt er in den Baum und sucht eine günstige Stelle, um den Schlupf zu befestigen. Das ist eine Kette mit einem Mantel aus Textil, damit sie die Rinde nicht beschädigt. Dann geht es schnell. Der Schlupf ist angebracht. Markus Kopsch seilt sich ab. Der Kran zieht leicht an und Yves Brendahl wirft die Kettensäge an. Erst von der einen, dann von der anderen Seite setzt er einen glatten Schnitt und der Baum schwebt frei am Kranhaken.
Sprung schwenkt die Tanne auf die Straße, und just in diesem Moment bläst eine kräftige Böe. Sie lässt den Stamm mehrere Meter hin und her schwanken. Aber das bleibt im grünen Bereich. Zu dritt fangen die Mitarbeiter der Firma Deppner den Stamm ein und haken ihn an den kleineren Kran. Dieser zieht an, während der große Kran absenkt, bis die Lauensteiner Tanne schließlich waagerecht auf dem Transporter liegt. Die Forstarbeiter haben jetzt zu tun, die Äste zusammenzubinden. Der Baum darf für den Transport nicht breiter als 5,20 Meter und nicht höher als 4,45 Meter sein. Das dauert über eine Stunde, ehe die Striezelmarkttanne um 10 Uhr mit Polizeibegleitung Richtung Dresden fährt. In dieser Zeit lädt die Chefin des Dresdner Striezelmarktes, Sigrid Förster, Familie Kasiske zur Eröffnung nach Dresden ein.
Ab heute wird der Altmarkt gesperrt und die 2 900 Meter lange Lichterkette mit 16 200 LEDs am Baum angebracht. Bis zum 20. November sind die Pyramide, Fahrgeschäfte und die 233 Buden aufgestellt. Dann wird geschmückt, bevor der Markt am 26. November öffnet. Bis dahin wird die erste Tanne des Marktes, bisher standen hier ausschließlich Fichten, noch viele Komplimente erhalten.