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Studententreff an der Tharandter

Die Haltestelle am unteren Ende der Kesselsdorfer Straße ist besonders beliebt. Nicht nur wegen der jungen Fahrgäste.

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© Sven Ellger

Von Annechristin Bonß

Gegen die tägliche Enge in der Buslinie 61 hat Lena Peter ein ganz eigenes Rezept. Sie macht einen Umweg. Die Studentin wohnt in Plauen. Eigentlich würde sie an der Nürnberger Straße in den Bus einsteigen. „Dort bekomme ich aber kaum mehr einen Platz“, sagt sie. Die Linie gilt als Studentenshuttle. Vor allem bevor die Vorlesungen beginnen, quetschen sich viele junge Leute in die Busse. Also fährt Lena auf dem Weg zur Uni erst an die Kesselsdorfer Straße, steigt dort in die noch leere 61 ein und ergattert meist einen Sitzplatz. Ein kleiner Umweg, der sich lohnt.

So trägt auch die 20-jährige Studentin einen Teil dazu bei, dass die Haltestelle am unteren Ende der Kesselsdorfer Straße der viertbeliebteste Stopp der Dresdner Verkehrsbetriebe (DVB) in der ganzen Stadt ist. 28 000 Fahrgäste steigen hier täglich ein und aus. Die meisten davon nimmt die Linie 61 auf. Die fährt zwischen Löbtau und Strehlen auch am Campus der TU Dresden vorbei. Doch nicht nur die vielen Fahrgäste der 61 treiben die Zahlen in die Höhe. Viele Studenten wohnen in Löbtau und Gorbitz. Hier gibt es günstige Wohnungen. Zur Tharandter Straße fahren sie mit den Straßenbahnen der Linien 6, 7 und 12. Zusammen kommen die drei Linien auf über 17 000 Passagiere an dieser Stelle pro Tag.

So ist die Tharandter der wichtigste Halt der DVB im Dresdner Westen. Dazu tragen auch Pendler bei. Die Linien aus Kesselsdorf und Freital enden hier. Weiter geht’s dann mit den Dresdner Bussen und Bahnen. Über 2 700 Passagiere zählt der Regionalverkehr Dresden (RVD) hier an Werktagen in den Linien 333 sowie A. Damit ist die Tharandter auch im Ranking des RVD ganz weit vorn. Im gesamten Umland steigen nur am Busbahnhof Freital-Deuben an Werktagen mehr Fahrgäste an einer der RVD-Haltestellen ein oder aus, sagt Sprecher Volker Weidemann.

Die hohen Passagierzahlen stellen vor allem Auto- und Busfahrer vor Herausforderungen. So wie Fred Stolzenbach, der auf der Linie 61 eingesetzt ist. Die Ampel zeigt Grün. Eigentlich könnte er jetzt seinen gelben Linienbus um die Kurve lenken und links abbiegen. Doch die Kreuzung ist dicht. Fußgänger eilen über die Straße – auch sie haben Grün. Und dort, wo Fred Stolzenbach hinfahren will, in die Kesselsdorfer Straße, stehen bereits Busse und Autos. Ein meterlanger Bus passt eigentlich nicht mehr in die Straße. Der Busfahrer atmet durch, lässt sich Zeit, kurz bevor die Ampel auf Gelb springt, fährt er los und stoppt mitten auf der Kreuzung. „Irgendwann müssen wir auch mal fahren“, sagt er. Auch wenn nun erst einmal der Verkehr blockiert ist.

Diese Szenen bestimmen den Alltag am unteren Ende der Kesselsdorfer Straße. Fußgänger wechseln nicht nur an den Ampeln die Fahrbahn. Neben jungen Leuten rennen auch Mütter mit Kinderwagen und alte Menschen mit Gehhilfe hinter und vor den Bahnen über die Straße. Ein Mann beschwert sich lauthals über den Bus, der den Weg der Fußgänger blockiert. Ein junges Mädchen bleibt erschrocken stehen, als sich doch noch ein Auto am Bus vorbeiquetscht. „Das ist sehr gefährlich“, sagt Fred Stolzenbach. Schwere Unfälle hat es hier zum Glück lange nicht gegeben. Trotzdem freuen sich nicht nur die DVB, dass im kommenden Jahr der Umbau der Haltestelle beginnen soll. Autos dürfen dann hier keine mehr fahren.

René Warode blickt dem Vorhaben ebenfalls optimistisch entgegen. „Davon würde der Standort profitieren“, sagt der 44-Jährige. Er sitzt im Dönerladen Antalya, einem der ersten Geschäfte an der Haltestelle überhaupt. Gerade wurde umgebaut. Den Besitzer kennt René Warode gut, genau wie den Gewerbestandort. Früher hatte er einen Handyladen ein paar Meter weiter stadtauswärts an der Straße. „Es gibt hier viel Laufkundschaft“, sagt er.

Über die Jahre und vor allem mit dem neuen Einkaufszentrum wurde das Geschäft zusätzlich belebt. „Das hat der Straße gutgetan“, sagt er. Auf dem Weg nach Hause kaufen hier viele Menschen ein, bevor es mit der nächsten Bahn weitergeht. Nicht nur die Lebensmittelhändler profitieren: ein frisches Brot und Wurst fürs Abendbrot, Döner und asiatisches Pfannengericht zum Mittag. Auch ein Friseurshop, ein Schuhladen, Drogerie und Apotheke warten auf Kundschaft. Bis die mit Bahn und Bus weiterfährt.