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Stühlerücken im Ärztehaus

Nach einem Streit verließ eine Allgemeinärztin die einstige Poliklinik Am Kutzschenstein. Nun ist Besserung in Sicht.

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© Lutz Weidler

Von Dörthe Gromes

Riesa. Riesa ist mit Haus- und Allgemeinärzten förmlich überversorgt. Das ergibt sich zumindest aus den Zahlen der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen (KVS): Demnach liegt der sogenannte Versorgungsgrad mit Allgemeinmedizinern bei 107,2 Prozent. Umgerechnet bedeutet das, dass 46,5 Haus- und Allgemeinärzte in Riesa praktizieren. Maximal möglich wären 48 – dann wäre der höchstens zulässige Wert von 110 Prozent erreicht. Die ungerade Zahl ergibt sich dadurch, dass nicht alle in Vollzeit arbeiten. Theoretisch ist die Situation demnach sehr gut. Praktisch kann es anders aussehen. Das merkten etwa Patienten, die in der allgemein-ärztlichen Praxis im Ärztehaus Am Kutzschenstein in Behandlung sind. Dort praktizierte bis Ende September 2015 Dr. Ruth Hachmöller als Vertragsärztin der Elbland-Polikliniken-GmbH. Doch es habe „Reibungspunkte“ zwischen ihr und ihrem Arbeitgeber gegeben, so Ralph Schibbe, Geschäftsführer der Elbland-Polikliniken.

Keine Altersgrenze

Frau Dr. Hachmöller kündigte, die Praxis wurde interimsmäßig von verschiedenen Honorarärzten betreut. „Die KVS gibt uns sechs Monate Zeit, eine Praxis neu zu besetzen“, erklärt der Geschäftsführer. Sonst falle die Stelle quasi an die KVS zurück. Das sei so üblich – auch bei privaten Arztpraxen, deren Inhaber in Rente gehen und die keine Nachfolger finden. Da kennt Ralph Schibbe etliche Beispiele aus der Region. Es werden wohl noch einige folgen: Denn von den derzeit exakt 46,5 Hausärzten in Riesa sind statistisch betrachtet 6,5 Ärzte bereits 65 Jahre alt oder älter. Wie lange sie noch praktizieren, ist ungewiss. Allerdings werden sie nicht zwangsweise in Rente geschickt. „Eine Altersgrenze zur Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit gibt es nicht mehr“, sagt KVS-Sprecher Ingo Mohn. „Wann die Ärzte in den Ruhestand gehen, liegt in ihrem eigenen Ermessen.“ – Um dem drohenden Ärzteschwund entgegen zu wirken, setzen die Elbland Polikliniken auf ein schon aus DDR-Zeiten bewährtes Modell. Die dort beschäftigten Ärzte sind nicht selbstständig, sondern arbeiten als Angestellte mit festem Gehalt und Urlaubsanspruch. „Es gibt einen Trend, dass viele Ärzte nicht mehr selbstständig wirtschaften wollen“, sagt Ralph Schibbe. „Bei uns können sie sich auf ihre Tätigkeit als Mediziner konzentrieren und sind nicht mit dem ganzen Verwaltungs- und Abrechnungsaufwand belastet, den die Selbstständigkeit mit sich bringt.“

Aus zwei wurden 19 Praxen

2007 wurde die Elbland-Polikliniken-GmbH als hundertprozentige Tochter der Elblandkliniken gegründet. Sie konzentrieren sich auf die ambulante Versorgung. Das Unternehmen fing mit zwei Arztpraxen an, mittlerweile sind es 19 Praxen und 72 Mitarbeiter im ganzen Landkreis, die von Allgemeinmedizin über HNO bis zur Orthopädie viele Fachbereiche abdecken.

Im Ärztehaus am Kutzschenstein sind die Elbland-Polikliniken selbst nur Mieter. Früher fungierte das Gebäude unter anderem als Betriebsklinik des VEB Rohrkombinats, bevor das Haus 1993 von einem privaten Betreiber übernommen wurde. Auf 3 500 Quadratmetern sind diverse Arztpraxen, eine Physiotherapie und eine Röntgenpraxis untergebracht. Das Schild am Eingang weist noch immer auf Ruth Hachmöller hin. Voraussichtlich ab dem 1. April wird dort ein neuer Name stehen: Denn es ist den Elbland-Polikliniken gelungen, einen Nachfolger für die verwaiste Praxis zu finden. „Da das Besetzungsverfahren noch nicht abgeschlossen ist, kann ich noch keinen Namen nennen“, so Ralph Schibbe. Er sei jedoch zuversichtlich, dass für die Patienten nach der Unruhe der vergangenen Monate dann wieder Kontinuität einkehren werde.