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Das Ende der Zuckerfabrik

Das Werks-Aus der Südzucker AG in Brottewitz ist beschlossene Sache. Proteste von Mitarbeitern hatten es nicht stoppen können.

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Die Zuckerfabrik in Brottewitz liegt Luftlinie etwa 18 Kilometer von Riesa entfernt. Unter anderem aus der Lommatzscher Pflege südlich von Riesa fahren Rübenlaster dorthin, um die Ernte abzuliefern.
Die Zuckerfabrik in Brottewitz liegt Luftlinie etwa 18 Kilometer von Riesa entfernt. Unter anderem aus der Lommatzscher Pflege südlich von Riesa fahren Rübenlaster dorthin, um die Ernte abzuliefern. © Frank Claus

Von Frank Claus

Brotteweitz/Mannheim.  Alles Hoffen hat nichts genützt: Die Aufsichtsrat der Südzucker AG hat am Montagabend die Schließung der zwei Werke in Brottewitz (Brandenburg) und Warburg (Nordrhein-Westfalen) bestätigt.

Dabei waren Brottewitzer Zuckerwerker extra nach Mannheim zur Zentralen von Südzucker gefahren, um für ihre Jobs zu kämpfen. Früh um 3 Uhr waren 90 Beschäftigte und Unterstützer in Brottewitz in die zwei Busse geklettert. Nach achteinhalbstündiger Fahrt mit Staus und zähfließendem Verkehr erreichten sie das Ziel und werden von Kollegen und Rübenanbauern aus Warburg empfangen. Mit ihren Tröten, Sirenen, Pfeifen und Rasseln übernahmen sie schnell die Lautstärke-Hoheit auf dem Platz vor dem weißen Hochhaus der Konzernzentrale.

Vertreter von Gewerkschaften traten ans Mikro, prangerten den Sinneswandel des Südzucker-Vorstandes und die ihrer Meinung nach verfehlte Agrarpolitik von Bund und EU an. Ingolf Fechner, Gewerkschaftssekretär der NGG (Nahrung-Genuss-Gaststätten) aus Cottbus: „Nicht mal eineinhalb Jahre nach Abschaffung der Zuckermarktordnung bekommt Südzucker kalte Füße und wer muss es ausbaden? Die Arbeiter. Es sterben mehr als zwei Zuckerfabriken, es stirbt eine Branche, es sterben Regionen.“

Leidenschaftlich argumentierte auch der Arbeitnehmervertreter und stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende der Südzucker AG, Franz-Josef Möllenberg. Der Ex-Bundesvorsitzende der NGG will Zeit gewinnen, eine mögliche Entscheidung vertagen, um die Politik in die Pflicht zu nehmen. „Wenn man die 50 Jahre bewährte Zuckermarktordnung opfert, dann hat man sich schuldig gemacht“, sagt er, vor allem weil die Politik verzerrte Wettbewerbsbedingungen zugelassen habe.

Mehrfach bekam Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) ihr Fett weg. „Wir müssen Frau Klöckner sagen, dass so eine Agrarpolitik auf dem Rücken der Beschäftigten nicht geht.“ 28.000 Landwirte seien, so Möllenberg, von der Misere betroffen, mehr als 5.000 Beschäftigte in der Zuckerwirtschaft, etwa 40.000 bis 45.000 in Nachfolgegewerken sowie 50.000 Beschäftigte in der Süßwarenindustrie.

Ärger über Agrarpolitik

Dass die Politik zügig reagiert, dieses „Vertrauen habe ich verloren“, sagte Südzucker-Vorstand Dr. Wolfgang Heer, der die Aufsichtsratssitzung nach 15 Minuten angesichts des Lautstärkepegels vor der Zentrale unterbrochen hatte und mit dem gesamten Gremium vor die etwa 350 Demonstranten getreten war. Südzucker verfolge mit der Schließung der zwei Werke nicht „Gewinnmaximierung, sondern Verlustreduzierung“, sagte er und führte den immensen Unternehmensverlust an. Zudem gebe es auf dem Weltmarkt eine massive, subventionierte Überproduktion vor allem in Indien, Brasilien, Pakistan und Thailand. Uneinheitlich geregelt sei der Zuckermarkt auch in der EU, wo elf Staaten trotz Wegfall der Zuckermarktordnung immer noch erhebliche staatliche Zuschüsse erhalten würden. Nachteile gebe es in Deutschland hinsichtlich des Pflanzenschutzes. Hinzu kämen die Unsicherheiten, die die Politik mit ihren Debatten zur Zuckersteuer und zur Zucker-Reduktionsstrategie verursachen würde. Der von der Südzucker AG initiierte wissenschaftlich begleitete Dialog mit Berlin und Brüssel habe zu keinen Ergebnissen geführt.

Für die Region zwischen Riesa und Meißen bedeutet das Aus der Brottewitzer Zuckerfabrik perspektivisch weniger Lkw-Verkehr, da die Zuckerrüben künftig statt nach Norden in Richtung Westen ins sachsen-anhaltische Zeitz geliefert werden dürften, wo die nächste Südzucker-Fabrik steht. Für die Bauern steigen die Transportkosten. 

 Auch Demos von Mitarbeitern vor der entscheidenden Aufsichtsratssitzung am Montag im Mannheim konnten das nicht abwenden.
 Auch Demos von Mitarbeitern vor der entscheidenden Aufsichtsratssitzung am Montag im Mannheim konnten das nicht abwenden. © Frank Claus