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Terrorist oder Justizopfer?

Christian Ganczarski ist Angeklagter im Prozess um den Djerba-Brandanschlag.

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Von Tobias Schmidt, Paris

Um 09.30 Uhr wird Christian Ganczarski in Saal 3 des Pariser Justizpalastes geführt. Die Handschellen werden ihm abgenommen, als er im kugelsicheren Glaskasten Platz nimmt, drei bewaffnete Gendarmen an der Seite. Fünfeinhalb Jahre Untersuchungshaft hat der deutsche Islamist hinter sich. Die Anklage lautet Beihilfe zum Mord und Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung.

Kontakte zu al-Qaida hat der 42-Jährige, der in Mülheim, Duisburg und Wuppertal lebte, in den Vernehmungen eingeräumt. Ein Video zeigt ihn als Zuhörer bei einer Rede Osama bin Ladens in Afghanistan. Aus seiner strengen Religiosität macht er keinen Hehl. Während er dem Eröffnungsplädoyer der Staatsanwaltschaft lauscht, zupft er sich am langen, schwarzen Bart. Gelegentlich wendet er die Handflächen im Gebet nach oben, bevor er sich wieder seinem Übersetzer zuwendet.

Die offene Frage: Hat Ganczarski vor fast sieben Jahren, am 22. April 2002, grünes Licht für den Brandanschlag auf die Ghriba-Synagoge auf der tunesischen Ferieninsel Djerba gegeben? Nur Stunden vor dem Blutbad, bei dem 21 Menschen, darunter 14 deutsche Touristen, getötet wurden, erhielt er einen Anruf des Attentäters. Der deutsche Verfassungsschutz fing diesen ab. Laut Ermittlungen bat Nisar Nawar am Telefon um den „Segen“ für den Terrorakt. Die Antwort soll gelautet haben: „Gehe mit Frieden, Gottes Gnade und Segen sei mit dir.“ Ganczarski räumt das Telefonat ein, dies habe aber nichts mit dem Anschlag zu tun gehabt.

Der Deutsche wies gestern abermals alle Anschuldigungen entschieden zurück. Er spricht leise, zurückhaltend, doch seine Worte sind scharf: „Der Prozess soll nicht der Wahrheitsfindung dienen, es geht um meine Hinrichtung.“ Entlastende Elemente deutscher Ermittler seien nicht ins Französische übersetzt worden, so Ganczarski. Er habe nicht die Chance auf ein faires Verfahren, denn er sei in Frankreich bereits von höchster Stelle vorverurteilt worden.

In der Tat hatte der heutige Staatspräsident Nicolas Sarkozy schon kurz nach Ganczarskis Festnahme 2003 als damaliger Innenminister vor dem Parlament erklärt, der Deutsche sei ein ranghohes al-Qaida-Mitglied und der Internetspezialist des Terrornetzwerkes. Der Bundesgerichtshof lehnte 2002 einen Haftbefehl aus Mangel an Beweisen ab.

Ob der Nachweis über enge Beziehungen zur al-Qaida-Spitze ausreicht, um den Deutschen für den Djerba-Anschlag zu verurteilen, muss sich zeigen. Der Prozess ist auf fünf Wochen angelegt. (AP)