Die Baum-Retter vom Forstbotanischen Garten Tharandt
Der Forstbotanische Garten Tharandt öffnet nach den ersten vorzeitigen Blüten bereits Karfreitag für Besucher. Gepflanzt und getopft wird aber auch für andere.
Von
Gabriele Fleischer
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Noch sind die Tore verschlossen und nur einige Studenten zu sehen, die am Baumbestand forschen. Auch eine Kindergruppe kommt unüberhörbar den Berg hinauf. Für solche Exkursionen durch den Forstbotanischen Garten in Tharandt machen Kustos Ulrich Pietzarka und seine acht Mitarbeiter schon mal eine Ausnahme. Umweltbildung ist für sie eine Herzenssache. Offiziell geöffnet wird dann für alle am Karfreitag, dem 29. März.
Zu sehen gibt es schon einiges. Auch wenn man unter den 75.000 Bäumen und Sträuchern suchen muss, weiße und zart rosa Blüten schimmern schon durch: Wildkirsche, Wildpflaume, Rot-Ahorn, Aprikose, Zierkirschen, auch die Scheinhasel entfaltet ihr Kleid. Etwa zwei Wochen sei die Vegetation voraus, schätzt Sebastian Florian, der Technische Leiter des Gartens.
Die Erderwärmung kann hier wohl keiner mehr leugnen. Die Blütezeit einiger Pflanzen ist bereits vorbei. „DieDahurische Azalee zum Beispiel blüht normalerweise zwischen Februar und April, dieses Jahr bereits ab Januar“, sagt Florian. Frost im Februar hat die Blüten zerstört, die Pflanze zum Glück nicht.
Vegetation ist zwei Wochen voraus
Auch die Sal- oder Kätzchenweide sollte erst Anfang April blühen, dieses Jahr schon im Februar. Dennoch wird für die Besucher noch viel zu entdecken sein. Wild- und Felsenbirne oder auch die Magnolien und Azaleen öffnen demnächst ihre Blüten. Gut geschützt im Gewächshaus sorgt gerade eine anemonenblütige Kamelie für Farbenpracht.
Doch auch wenn sich die Vegetation in dem 1811 angelegten Kleinod nach den Dürrejahren ab 2018 durch mehr Niederschlag in den vergangenen zwei Jahren erholt hat, bemüht sich Kustos Pietzarka seit Jahren um trockenresistente Alternativen, ohne die Artenvielfalt im 35 Hektar großen Garten anzutasten.
Aber das braucht Zeit nicht - nur bei der Anzucht, sondern auch für die Forschung. Genau dafür topfen die Gärtner gerade vom Sachsenforst und Baumschulen gelieferte Bäume, die aus Samen und Steckhölzern gezogen wurden.
Die Pflanzen haben eine Höhe zwischen 20 Zentimetern und 1,50 Meter und kommen in ein Substrat aus Erde und Sand. An die 2.000 von insgesamt 3.500 sind bereits in Töpfen – Ulmen, Eichen, Kiefern, Ahorn, Pappeln, Weiden, Schwarznuss, Baumhasel und Hopfenbuche zum Beispiel.
Gärtner bereiten Forschungen vor
Ein, zwei Jahre müssen diese Pflanzen hoch oben über Tharandt anwurzeln, ehe sie etwas weiter nach unten ans Institut für Forstbotanik zu Professor Bernhard Schuldt, dem Direktor des Forstbotanischen Gartens, kommen.
Wissenschaftler und Studenten
schauen sich an, wie die verschiedenen Arten auf Trockenstress und sich verändernde
Umweltbedingungen reagieren, welche Pflanze sich am besten anpasst. Perspektivisch
werden die Ergebnisse dieser Forschungen dann Auswirkungen auf Neuausrichtungen
von Pflanzen im Forstbotanischen Garten, aber auch anderswo in Parks und Grünanlagen
haben.
Professor Schuldt möchte für seine Forschungen den Park vor seiner Haustür
mehr noch als bisher nutzen. Eine Funktion, die auf die Ursprünge der Anlage
1811 zurückgeht, als Johann Heinrich Cotta mit seiner in Thüringen gegründeten
Forstlehranstalt nach Tharandt umsiedelte.
Tharandter leisten Nachbarschaftshilfe
Ganz im Sinne Cottas dürfte auch ein weiteres Projekt der Fachleute im Forstbotanischen Garten sein. Die 2023 begonnene Zusammenarbeit mit den Staatlichen Schlössern, Burgen und Gärten Sachsen nimmt Fahrt auf.
Von wertvollen Pflanzen, die abzusterben drohen, hat Sebastian Florian im Januar und Februar sogenannte Reiser geschnitten. Das sind einjährige Triebe, die auf eine Stamm-Unterlage veredelt werden und so die Eigenschaften des Mutterbaumes erhalten können.
Wie Tilman Gebhardt, Gartenbereichsleiter von Großem Garten und Schlosspark Pillnitz in Dresden sowie Barockschloss Rammenau und Burg Stolpen, auf Nachfrage informierte, sollen dank Nachbarschaftshilfe in Tharandt elf Bäumen aus dem Pillnitzer Park, einer aus dem Garten vom Barockschloss Rammenau und fünf aus der Anlage von Burg Stolpen neues Leben eingehaucht werden, darunter Buchen, Eichen, Linden, Esskastanien und Apfelbäumen.
Patienten warten im Gewächshaus auf den Umzug
Dabei sind auch Reiser jener markanten 1895 gepflanzten Blutbuche, die im Pillnitzer Lustgartenbereich zwischen Wasser- und Bergpalais steht. Ihre Schwester musste 2021 gefällt werden, weil sie abgestorben war. Die Trockenjahre hatten der alten Dame zugesetzt.
Auch die übrig gebliebene Buche ist gefährdet. Genauso wie die Farnblättrige Buche auf der gegenüberliegenden Seite. Höchste Zeit also für die Rettungsaktion.
Sebastian Florian zeigt die Patienten im Tharandter Gewächshaus. Ein spezielles Klebeband verbindet die Reiser mit der Unterlage. Sind beide miteinander verwachsen, wird die Pflanze getopft und an Stäbe gebunden. Dafür gehen sie zuvor auf Reisen in die Anlagen, wo noch die Ursprungsbäume stehen. Gartenbauingenieur Florian wird dafür auch mit in Pillnitz sein.
Lange Betreuung hilft dem Erhalt historischer Gärten
„Nach ein bis zwei Jahren kommen die Pflanzen für eine optimale Wurzelentwicklung in unsere neuen Anzuchtflächen“, erklärt Gartenbereichsleiter Gebhardt das weitere Vorgehen.
Dann dauert es noch einmal drei bis fünf Jahre, ehe die Jungbäume in die Parks gepflanzt werden können. Durch längere und aufwändigere Betreuung würden sich die Pflanzen besser an ihren neuen Standort und an die sich verändernden klimatischen Bedingungen anpassen, glaubt Gebhardt. „Erfahrungsgemäß holen die Kleinen den Größenvorsprung über die Jahre wieder auf, den ein größer gepflanzter Baum anfangs hat.“
So würde original genetisches Material erhalten, das art- und standortgleich nachgepflanzt werden kann. Ob und inwieweit diese Nachzuchten mit den künftigen Umweltbedingungen langfristig zurechtkommen, bleibt abzuwarten. Für Tilman Gebhardt aber ist es ein Baustein auf dem Weg, die historischen Gärten in ihrer Substanz zu bewahren.
Eine Zisterne für Dürrejahre fehlt noch immer
Dieses Ziel gibt es im Forstbotanischen Garten genauso. Und immer, wenn die ältesten über 200 Jahre alten Bäume aus der Entstehungszeit wieder neue Blüten und Blätter ansetzen, ist das ein Erfolg. Auch für dieses Jahr sieht es für die Alterskandidaten, ein Quartett aus Esskastanien, Tulpenbaum und Schneeglöckchenbaum, gut aus.
Bei aller Euphorie aber bleiben für Kustos Pietzarka Sorgen. So sollte der Garten für die nächsten Dürreperioden gewappnet sein. Noch fehlen dafür Finanzspritzen. Eine größere Zisterne zum Beispiel, die wenigstens 100, besser 300 Kubikmeter Wasser fasst, könnte helfen.
Wann dafür endlich Mittel bereitgestellt werden, weiß der Kustos nicht. Zunächst wollen die Garten-Mitarbeiter nach einem vom Sachsenforst unterzeichneten Gestattungsvertrag die alte 1835 angelegte Wasserleitung zu einer Quelle im Tharandter Wald ein weiteres Stück erneuern. 500 Meter sind dieses Jahr geplant.
Im Forstgarten auf der anderen Seite des Zeisiggrundes könnte einer der dort angelegten Teiche für die Wasserentnahme umfunktioniert werden. Aber auch dafür braucht es Geld.
Besucher können Neues entdecken
Nicht nur darüber macht sich Pietzarka Gedanke, Sorgen bereitet ihm auch die Beschaffung von neuem Pflanzgut. Nicht nur, weil der Krieg Russlands gegen die Ukraine Exkursionen in Fernost, wo bisher viel Material für den Tharandter Garten geholt wurde, unmöglich macht – auch neue Bestimmungen der Europäischen Union für Kontrollen in den Herkunftsländern erschweren die Arbeit. Was bleibt, ist der Austausch mit Botanischen Gärten und Baumschulen innerhalb der EU.
Die Besucher werden von all den Problemen nichts spüren und Neues entdecken. So wird der neu entstandene Pavillon im Nordamerikateil, dem Forstgarten in Hartha, rechtzeitig zum Saisonstart fertig. Auch die Nachfrage nach Umweltprojekten für Kindergärten und Schulen ist ungebrochen. Bereits vor der Eröffnung sind für die kommenden Wochen und Monate 30 Führungen gebucht.
Der Forstbotanische Garten Tharandt hat vom 29. März bis 31.
Oktober, täglich 8 bis 17 Uhr geöffnet. Der Eintritt ist frei. Über Spenden zur
Erhaltung der Anlage sind die Mitarbeiter dankbar. Führungen, die zwischen
eineinhalb und zwei Stunden dauern, können angemeldet werden. Pro Gruppe mit
maximal 15 Personen kostet das 70 Euro. Anfragen sind per Mail über [email protected] oder telefonisch unter 0351 463 31373, Montag bis Mittwoch 8 bis 12 Uhr, möglich.