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Die Baum-Retter vom Forstbotanischen Garten Tharandt

Der Forstbotanische Garten Tharandt öffnet nach den ersten vorzeitigen Blüten bereits Karfreitag für Besucher. Gepflanzt und getopft wird aber auch für andere.

Von Gabriele Fleischer
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Gerüstet für den Saisonstart am Karfreitag: Kustos Ulrich Pietzarka und Sebastian Florian, Technischer Leiter des Forstbotanischen Gartens, begutachten die blühende Pflaumenkirsche.
Gerüstet für den Saisonstart am Karfreitag: Kustos Ulrich Pietzarka und Sebastian Florian, Technischer Leiter des Forstbotanischen Gartens, begutachten die blühende Pflaumenkirsche. © Egbert Kamprath

Noch sind die Tore verschlossen und nur einige Studenten zu sehen, die am Baumbestand forschen. Auch eine Kindergruppe kommt unüberhörbar den Berg hinauf. Für solche Exkursionen durch den Forstbotanischen Garten in Tharandt machen Kustos Ulrich Pietzarka und seine acht Mitarbeiter schon mal eine Ausnahme. Umweltbildung ist für sie eine Herzenssache. Offiziell geöffnet wird dann für alle am Karfreitag, dem 29. März.

Zu sehen gibt es schon einiges. Auch wenn man unter den 75.000 Bäumen und Sträuchern suchen muss, weiße und zart rosa Blüten schimmern schon durch: Wildkirsche, Wildpflaume, Rot-Ahorn, Aprikose, Zierkirschen, auch die Scheinhasel entfaltet ihr Kleid. Etwa zwei Wochen sei die Vegetation voraus, schätzt Sebastian Florian, der Technische Leiter des Gartens.

Auch diese blühende Kamelie, die Kustos Ulrich Pietzarka hier im Gewächshaus zeigt, bekommen die Besucher ab Karfreitag zu sehen.
Auch diese blühende Kamelie, die Kustos Ulrich Pietzarka hier im Gewächshaus zeigt, bekommen die Besucher ab Karfreitag zu sehen. © Egbert Kamprath

Die Erderwärmung kann hier wohl keiner mehr leugnen. Die Blütezeit einiger Pflanzen ist bereits vorbei. „Die Dahurische Azalee zum Beispiel blüht normalerweise zwischen Februar und April, dieses Jahr bereits ab Januar“, sagt Florian. Frost im Februar hat die Blüten zerstört, die Pflanze zum Glück nicht.

Vegetation ist zwei Wochen voraus

Auch die Sal- oder Kätzchenweide sollte erst Anfang April blühen, dieses Jahr schon im Februar. Dennoch wird für die Besucher noch viel zu entdecken sein. Wild- und Felsenbirne oder auch die Magnolien und Azaleen öffnen demnächst ihre Blüten. Gut geschützt im Gewächshaus sorgt gerade eine anemonenblütige Kamelie für Farbenpracht.

Doch auch wenn sich die Vegetation in dem 1811 angelegten Kleinod nach den Dürrejahren ab 2018 durch mehr Niederschlag in den vergangenen zwei Jahren erholt hat, bemüht sich Kustos Pietzarka seit Jahren um trockenresistente Alternativen, ohne die Artenvielfalt im 35 Hektar großen Garten anzutasten.

Aline Wagner und Elias Teubner setzen kleine Bäumchen in Töpfe. In einigen Jahren sollen die Pflanzen der Forschung dienen. Untersucht wird dann unter anderem, welche Art sich veränderten Umweltbedingungen am besten anpassen kann.
Aline Wagner und Elias Teubner setzen kleine Bäumchen in Töpfe. In einigen Jahren sollen die Pflanzen der Forschung dienen. Untersucht wird dann unter anderem, welche Art sich veränderten Umweltbedingungen am besten anpassen kann. © Egbert Kamprath

Aber das braucht Zeit nicht - nur bei der Anzucht, sondern auch für die Forschung. Genau dafür topfen die Gärtner gerade vom Sachsenforst und Baumschulen gelieferte Bäume, die aus Samen und Steckhölzern gezogen wurden.

Die Pflanzen haben eine Höhe zwischen 20 Zentimetern und 1,50 Meter und kommen in ein Substrat aus Erde und Sand. An die 2.000 von insgesamt 3.500 sind bereits in Töpfen – Ulmen, Eichen, Kiefern, Ahorn, Pappeln, Weiden, Schwarznuss, Baumhasel und Hopfenbuche zum Beispiel.

Gärtner bereiten Forschungen vor

Ein, zwei Jahre müssen diese Pflanzen hoch oben über Tharandt anwurzeln, ehe sie etwas weiter nach unten ans Institut für Forstbotanik zu Professor Bernhard Schuldt, dem Direktor des Forstbotanischen Gartens, kommen.

Wissenschaftler und Studenten schauen sich an, wie die verschiedenen Arten auf Trockenstress und sich verändernde Umweltbedingungen reagieren, welche Pflanze sich am besten anpasst. Perspektivisch werden die Ergebnisse dieser Forschungen dann Auswirkungen auf Neuausrichtungen von Pflanzen im Forstbotanischen Garten, aber auch anderswo in Parks und Grünanlagen haben.

Professor Schuldt möchte für seine Forschungen den Park vor seiner Haustür mehr noch als bisher nutzen. Eine Funktion, die auf die Ursprünge der Anlage 1811 zurückgeht, als Johann Heinrich Cotta mit seiner in Thüringen gegründeten Forstlehranstalt nach Tharandt umsiedelte.

Tharandter leisten Nachbarschaftshilfe

Ganz im Sinne Cottas dürfte auch ein weiteres Projekt der Fachleute im Forstbotanischen Garten sein. Die 2023 begonnene Zusammenarbeit mit den Staatlichen Schlössern, Burgen und Gärten Sachsen nimmt Fahrt auf.

Von wertvollen Pflanzen, die abzusterben drohen, hat Sebastian Florian im Januar und Februar sogenannte Reiser geschnitten. Das sind einjährige Triebe, die auf eine Stamm-Unterlage veredelt werden und so die Eigenschaften des Mutterbaumes erhalten können.

Sebastian Florian, Technischer Leiter im Forstbotanischen Garten, zeigt die bereits vollzogene Veredlung von Blutbuche und Farnblättriger Buche aus dem Schlosspark Pillnitz. Mit dieser Initiative in Tharandt soll alter Baumbestand weiterleben.
Sebastian Florian, Technischer Leiter im Forstbotanischen Garten, zeigt die bereits vollzogene Veredlung von Blutbuche und Farnblättriger Buche aus dem Schlosspark Pillnitz. Mit dieser Initiative in Tharandt soll alter Baumbestand weiterleben. © Egbert Kamprath

Wie Tilman Gebhardt, Gartenbereichsleiter von Großem Garten und Schlosspark Pillnitz in Dresden sowie Barockschloss Rammenau und Burg Stolpen, auf Nachfrage informierte, sollen dank Nachbarschaftshilfe in Tharandt elf Bäumen aus dem Pillnitzer Park, einer aus dem Garten vom Barockschloss Rammenau und fünf aus der Anlage von Burg Stolpen neues Leben eingehaucht werden, darunter Buchen, Eichen, Linden, Esskastanien und Apfelbäumen.

Patienten warten im Gewächshaus auf den Umzug

Dabei sind auch Reiser jener markanten 1895 gepflanzten Blutbuche, die im Pillnitzer Lustgartenbereich zwischen Wasser- und Bergpalais steht. Ihre Schwester musste 2021 gefällt werden, weil sie abgestorben war. Die Trockenjahre hatten der alten Dame zugesetzt.

Auch die übrig gebliebene Buche ist gefährdet. Genauso wie die Farnblättrige Buche auf der gegenüberliegenden Seite. Höchste Zeit also für die Rettungsaktion.