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Tharandter Forstgarten verliert Raritäten

Nach dem Sturm zieht der Forstpark in Tharandt Bilanz. Etliche Bäume sind entwurzelt, auch seltene. Sie zu ersetzen, wird schwierig.

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© Egbert Kamprath

Von Verena Schulenburg

Tharandt. Sie stand nicht nur inmitten der Parkanlage, sondern auch mitten im Leben. Nun liegt sie flach. Die Libanonzeder gehörte zu den seltenen Exemplaren im Forstbotanischen Garten in Tharandt. Den heftigen Sturm Herwart, der vor zwei Wochen wütete, hat sie nicht überlebt. Obwohl sie mit ihren rund 150 Jahren sicher schon so manch rauer Witterung trotzte. So alt schätzt Ulrich Pietzarka den 20 Meter hohen Baum. „Genau wissen wir es, wenn wir die Jahresringe zählen“, sagt der Kustos des Forstgartens. Ein zweiter Baum, den es dieser Art im Forstpark gibt, steht glücklicherweise noch. Diese Libanonzeder aber muss zersägt werden. Gärtner und Forstgarten-Mitarbeiter André Postranecky setzt bereits die Säge an. In den nächsten Wochen wird er mit seinen Kollegen in der Anlage noch gut zu tun haben.

Die japanische Hemlocktanne hat es komplett entwurzelt, wie Kustos Ulrich Pietzarka zeigt. Sie kippte in eine Schwarzbirke. Nun müssen die Forstgarten-Mitarbeiter schauen, ob sie wenigstens Letztere retten können.
Die japanische Hemlocktanne hat es komplett entwurzelt, wie Kustos Ulrich Pietzarka zeigt. Sie kippte in eine Schwarzbirke. Nun müssen die Forstgarten-Mitarbeiter schauen, ob sie wenigstens Letztere retten können. © Egbert Kamprath

Nicht nur der Verlust der Libanonzeder schmerzt den Forstwissenschaftler. Insgesamt 42 Bäume haben die Windböen am letzten Oktoberwochenende in dem beliebten Tharandter Ausflugsziel gebrochen oder gar entwurzelt und umgeworfen. „Es ist nicht der erste Sturm, den ich hier erlebt habe, aber für uns definitiv das heftigste Ereignis der vergangenen 20 Jahre“, sagt Ulrich Pietzarka. An dem unglücklichen Wochenende war er selbst noch vor Ort, beobachtete, wie der Wind aufkam und immer stärker wurde. „Es hat nur so gekracht im Park, das wurde sogar mir unheimlich“, erzählt der Tharandter. Am Sonnabend zur späten Stunde telefonierte der Forstgarten-Chef schließlich mit einem Mitarbeiter und entschied, den Park am letzten Oktobersonntag nicht mehr zu öffnen – drei Tage vorm eigentlichen Saisonschluss. Ein Zettel am Eingangstor informierte über die vorzeitige Schließung. Mancher Besucher wunderte sich dennoch und wollte hinein. „Unbegreiflich“, sagt er.

Die vorzeitige Schließung der Anlage erwies sich letztlich als richtige Entscheidung. Viele Nadelbäume haben dem Sturm nicht standgehalten, darunter besonders Fichten. Während die Laubbäume ihr Blätterkleid zuvor schon größtenteils abgeworfen hatten, bot das immergrüne Gewand der Nadelbäume eine Angriffsfläche für den Wind. Auch besondere Eigenschaften der Holzstruktur machten viele Fichten für den Sturm anfällig, resümiert Pietzarka. Unweit der Libanonzeder hat es auch eine japanische Hemlocktanne komplett entwurzelt, die in den 30er-Jahren im Forstbotanischen Garten gepflanzt wurde. Der Sturm hat den Baum derart umgekippt, dass er hangabwärts in eine Schwarzbirke kippte und noch immer dort lehnt. „Wir müssen schauen, ob wir wenigstens diese retten können“, sagt der Tharandter. Die Bäume, die es hier erwischt hat, standen am Hang, wurzelten daher besonders flach. Es ist wohl ein Grund, warum sie dem Sturm nicht standhielten.

Besonders schlimm sieht es allerdings weiter oberhalb des Parks aus. An einem relativ exponierten Standort befindet sich das Fichtenquartier. Von dort hatten Besucher noch bis vor Kurzem einen herrlichen Blick auf die bunte Laubfärbung des Nordamerika-Areals. Es ist aber auch der Ort, von dem der Wind aus Westen bläst. Am Wochenende als Herwart tobte, pustete der Sturm von genau dort auf die wertvollen Fichtenbestände. Etliche bestanden die Bewährungsprobe der Natur nicht.

Eine amerikanische Stechfichte beispielsweise mit einem Stamm von 30 Zentimetern Durchmesser haben die Kräfte der Natur in neun Meter Höhe einfach abgebrochen. Auch eine alte Borstenfichte hat es nicht überlebt. „Sie hatte im Stamm schon etwas Fäule, das wussten wir“, erklärt der Forstgarten-Chef. Einer „normalen Belastung“ hätte sie problemlos weiterhin standgehalten, allerdings nicht einem derartigen Orkan.

Und nun? Für die Mitarbeiter des Forstbotanischen Gartens geht es in den nächsten Wochen daran, die Schäden zu beseitigen. Ganze Baumkronen hängen mitunter noch abgeknickt an ihren Stämmen und baumeln über den Wegen. Es ist eine gefährliche Situation, und es sind schwierige Arbeitsbedingungen für die Gärtner. Für manche Bäume werde vermutlich die Hilfe von Spezialisten benötigt. Bis der Forstgarten im April 2018 wieder seine Tore für Besucher öffnet, sollen alle Schäden behoben sein. Ersetzt sind die verlorengegangenen Bestände bis dahin aber noch lange nicht. „Hier wird es noch eine ganze Weile kahle Stellen geben“, resümiert Pietzarka. Nächste Woche fliegt er nach China und wird bei dieser Gelegenheit Kontakt mit Forstgärten aufnehmen, um nach Ersatz für verloren gegangene Exemplare zu schauen. Das Ansinnen des Forstparks ist es, die Herkunft der Bestände genau zu kennen. Nur so könne mit verlässlichen Erkenntnissen in der Botanik geforscht werden.

Für die fehlende Libanonzeder sei dem Tharandter zum Glück bereits Saatgut aus dem Libanon zugesichert worden. Auch für das stark verwüstete Fichtenquartier muss zunächst Samen ausgesät und neue Bestände herangezogen werden. Bevor sie im Park ausgepflanzt werden können, werden wohl noch drei bis vier Jahre vergehen, erklärt der Forstgarten-Chef. Unabhängig davon blinzeln aber schon einige junge Fichten auf dem Quartier gen Sonne.