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Todesfahrer muss doch ins Gefängnis

Niko P. hatte alkoholisiert einen Unfall verursacht, bei dem eine 20-Jährige aus Pirna starb. Eine Richterin weist die Berufung mit klaren Worten ab.

Von Daniel Krüger
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Symbolbild.
Symbolbild. © Pexels/energepic.com

Es ist ein Fall, der - so traurig es klingen mag - Alltag ist für die Vorsitzende Richterin Bettina Garmann am Dresdner Landgericht. Bereits fünfmal wurden 2019 hier Fälle von alkoholisierten Fahrten mit Todesfolge verhandelt. Im juristischen Fachjargon spricht man auch von "fahrlässiger Tötung im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss". 

Im realen Alltag herrscht - neben dem Entsetzen über das Geschehene - oft entsetzliche Stille. Bei Tätern und bei den Angehörigen. So sitzen sich an diesem Dienstag in einem Gerichtssaal mit hohen Decken und wenigen Zuschauerplätzen zwei gebrochene Menschen gegenüber, die das Unfassbare kaum in Worte fassen können. 

Rechts, auf der Anklagebank, sitzt Niko P., lichtes Haar, stämmig gebaut, Piercing im Ohr, zwischen zwei Verteidigern. Links sitzt die Mutter der Toten. Ihre Blicke könnten sich treffen, doch beide bemühen sich sichtlich darum, den Moment des Kontaktes zu vermeiden. Es falle ihr schwer, hier zu sein, sagt die Mutter.

Doch sie müsse es tun, wolle mit der Sache abschließen. Auch ihrem Mann zuliebe, dem Vater der getöteten Krankenschwester, der nach der ersten Verhandlung am Amtsgericht Pirna Ende Juli zusammengebrochen war und nur wenige Wochen später an Bauchspeicheldrüsenkrebs starb. 

"Köche brauchen auch mal ihr Bier"

Die Sache. Am 26. Oktober 2018, gegen 21 Uhr, steigt der Koch Niko P., der in der Gaststätte seiner Eltern in Dürrröhrsdorf-Dittersbach arbeitet, in seinen Wagen, um den Heimweg nach Hohnstein anzutreten. Er ärgert sich, ist genervt, denn eigentlich hatte der Mann, der zu diesem Zeitpunkt an sieben Tagen die Woche arbeitet, vorgehabt, bereits am Nachmittag seinen von ihm getrennt lebenden Sohn zu sehen.

Ein späterer Alkoholtest ergibt,dass der 44-Jährige zu diesem Zeitpunkt vermutlich mehr als 1,3 Promille im Blut hat. "Köche brauchen auch mal ihr Bier", sagt Richterin Garmann. Sie kennt den enormen Druck, der in der Gastronomiebranche herrscht. Niko P. trinkt zu diesem Zeitpunkt nach eigenen Angaben beinahe täglich, aber nur an diesem Tag schon auf der Arbeit und nicht erst auf dem Sofa.

20 Minuten später setzt er, kurz nach dem Lohmener Ortsausgang, in Richtung Rathewalde, trotz durchgezogener Markierung zum Überholen eines Wagens vor ihm an. Es geht bergauf, die Strecke ist schlecht einsehbar - und das entgegenkommende Auto übersieht er. Es kommt zum unvermeidlichen Zusammenprall.

107 Zentimeter tief bohrt sich der Renault des Angeklagten in den Mazda der 20-jährigen Pirnaer Krankenpflegerin, die gerade eine Freundin besuchen fährt. Die junge Frau hat keine Chance, schwerste Verletzungen an Kopf und Organen beenden ihr Leben noch an der Unfallstelle.

"Sie sind kein schlechter Mensch"

Zu einer Gefängnisstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt ihn das Amtsgericht Pirna deshalb Ende Juli. Gegen das Strafmaß hat Niko P. Berufung eingelegt, nicht aber gegen die Verurteilung wegen fahrlässiger Körperverletzung mit Todesfolge und der fahrlässigen Gefährdung des Straßenverkehrs. Wie bereits in Pirna räumt der Koch seine Taten reumütig ein. Es gehe ihm nicht mehr aus dem Kopf, was geschehen sei, er würde alles tun, um die Tat rückgängig zu machen, sagt er. 

Die Verteidigung fordert aufgrund seiner Einsicht und der geordneten Lebensverhältnisse ein Jahr und vier Monate auf Bewährung, dafür soll Niko P. der Mutter des Opfers finanziell unter die Arme greifen. Die Staatsanwältin, die ebenfalls Berufung eingelegt hat, fordert hingegen sogar drei Monate länger Haft als in der ersten Instanz geurteilt. "Er kannte die Strecke gut und auch das Überholverbot", sagt sie. 

"Sie sind kein schlechter Mensch", sagt Richterin Garmann zum Angeklagten - und weist dann jegliche Änderungen am Strafmaß zurück. Das Amtsgericht in Pirna habe sehr gut entschieden und begründet, sagt Garmann. Der Fall von Niko P. unterscheide sich kaum von anderen Todesfahrten. Auch seine Einsicht bringe ihm keine Milde.

Der einzige Trost des Verurteilten, der sich in psychologischer Behandlung befindet: Die Mutter des Opfers nimmt die Entschuldigung des 44-Jährigen an, obwohl sie immer wieder mit den Tränen zu kämpfen hat. Anders der Bruder der Toten, der nicht im Gericht sitzt. Er sei noch immer voller Wut und verdränge das Geschehene. "Mein Sohn redet nicht mehr mit mir."

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