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Drei mal Hinfallen für 1.200 Mark

Ein Buch singt ein Loblied auf Stuntmen, die im DDR-Film Kopf und Kragen riskieren.

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Defa-Schauspieler Gojko Mitic war sein eigener Kaskadeur und übernahm die gefährlichen Szenen selbst, hier im Film "Chingachgook, die große Schlange".
Defa-Schauspieler Gojko Mitic war sein eigener Kaskadeur und übernahm die gefährlichen Szenen selbst, hier im Film "Chingachgook, die große Schlange". © Defa / SZ-Archiv

Von Heinz Fiedler

Eigentlich ist es gar kein anerkannter Beruf. Dennoch gibt es genügend Bewerber, die bereit sind, für die Allmacht von Kinohelden Kopf und Kragen zu riskieren. Doubeln ist so alt wie der Film. Als allererster Stuntman der Geschichte gilt ein waghalsiger Amerikaner, der anno 1908 für den Hoolywoodstreifen „Der Graf von Monte Christo“ von einer Felsklippe ins Mittelmeer springt. Die Gage soll fünf Dollar betragen. In Deutschland lässt Harry Piel (1892 – 1963), lange Sensationsdarsteller Nummer eins, bei jeder sich bietenden Gelegenheit durchblicken, dass ausschließlich er für sämtliche aufregende Leinwandmomente zuständig sei. Erst als man ihm das Gegenteil nachweist, bequemt sich Harry zu einem Rückzieher. Defa-Indianer Gojko Mitic bewährt sich nicht nur als Regisseur und Schauspieler, sondern auch als Kaskadeur für gefährliche Sachen.

Soeben ist im Engelsdorfer Verlag ein Buch aus der Feder des Leipziger Filmfreundes Jens Rübner erschienen, das unter dem Titel „Die Unsichtbaren – Kaskadeure in der DDR“ dem Mitwirken couragierter Damen und Herren gewidmet ist. Ihr Einsatz vollzog sich fast ausschließlich in der Anonymität, ihre Namen wurden kaum zitiert – Menschen im Schatten prominenter Leinwandgrößen. Ihr Mitspiel steht als unverzichtbar längst fest. Wo sich ein Kinostar nicht traut, müssen Kaskadeure ran. Sie müssen sich durch brennende Prärien schlagen, halbtot von galoppierenden Pferden stürzen, aus schwindelerregender Höhe in die Tiefe springen. Man schleudert sie aus dahinrasenden Autos und lässt sie bei Hauereien jede Menge Prügel beziehen. All das und noch etliches mehr ist glaubhaft darzustellen. Und die Gage? Für eine Kaskade zahlte die Defa zwischen 300 und 400 Mark, für drei Mal Hinfallen gab es zwischen 900 und 1 200 Mark.

Der Autor präsentiert den Stoff als eine muntere Abhandlung, da wird nicht mit erhobenem Zeigefinger doziert. Locker vom Hocker lässt Rübner Episoden und Geschehnisse am Rande aus bekannten oder fast schon vergessenen Defa- und Fernsehproduktionen der DDR anklingen. Etwa vom „Spur des Falken“ bis „Sachsens Glanz und Preußens Gloria“. Schade, dass der Bildanteil etwas zu kurz kommt. Ansonsten eine interessante Lektüre, die vor allem bei Kinogängern und Defa-Konsumenten Erinnerungen wecken dürfte.

Jens Rübner: Die Unsichtbaren - Kaskadeure in der DDR. Engelsdorfer Verlag, 173 Seiten, 19,90 Euro