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Tragisches Ende eines Ausflugs

Drei Jungs baden nahe der Kulturinsel Einsiedel. Plötzlich verschwindet einer in der Neiße. Die Retter können ihn nur noch tot bergen.

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Von Carla Mattern

Ein Sommerausflug endet am Mittwochnachmittag in einer Katastrophe. Gerade baden noch drei Jungen aus dem kleinen polnischen Ort Bielawa Dolna in der Neiße, da ist einer plötzlich nicht mehr da. Die anderen zwei Jungs müssen zusehen, wie er untergeht. Als er nicht wieder auftaucht, rufen sie Hilfe herbei. Das geschieht alles am polnischen Neißeufer in der Nähe von Zentendorf. Die Neiße ist dort etwa zehn Meter breit. Die Stelle, an der die drei Jugendlichen badeten, soll dort bis zu vier Meter tief sein. An dieser Stelle fließt das Wasser schnell.

Mit einem großen Aufgebot suchten Polizisten und Feuerwehrleute auf der Neiße und an dem polnischen und deutschen Ufer nach dem 16 Jahre alten Jungen aus Polen.
Mit einem großen Aufgebot suchten Polizisten und Feuerwehrleute auf der Neiße und an dem polnischen und deutschen Ufer nach dem 16 Jahre alten Jungen aus Polen. © xcitepress/ce

Eine groß angelegte Such- und Rettungsaktion der polnischen Polizei und der Berufsfeuerwehr von Zgorzelec läuft an. Auch deutsche Rettungskräfte werden um Hilfe gebeten. Etwa gegen 18 Uhr alarmiert die Rettungsleitstelle in Hoyerswerda die Feuerwehren aus Groß Krauscha, Deschka, Zentendorf, Zodel, Nieder-Neundorf und Rothenburg. Thomas Lehmann von der Groß Krauschaer Wehr leitet den Einsatz auf deutscher Seite. Die Wehren aus der Neißeaue gehen von der Kulturinsel-Brücke über die Neiße auf die Suche nach dem Jugendlichen. „Von der Brücke aus sind wir mit Booten in beide Richtungen gefahren“, sagt Thomas Lehmann.

Weiter unterhalb sind die Nieder-Neundorfer und Rothenburger Kameraden unterwegs. Sie suchen mit dem Rothenburger Feuerwehrschlauchboot und dem privaten Boot eines Nieder-Neundorfer Kameraden nach dem Jungen. „Wir haben zuerst die Wehre kontrolliert auf der Strecke von Rothenburg nach Zentendorf“, berichtet der Rothenburger Stadtwehrleiter Torsten Juckel. Auch die teilweise sehr bewachsenen Ufer sehen sich die Feuerwehrleute aus der Neißestadt genauer an. Aber ohne greifbares Ergebnis.

Dann steht der Vater des vermissten Jungen auf polnischer Seite am Ufer. Er ist verzweifelt. Mit großer Sorge verfolgt er die Suche. Er läuft immer wieder am Ufer auf und ab. Fast macht es den Eindruck, als wolle er sich selbst in die Fluten stürzen, um seinen Jungen zu retten. Thomas Lehmann kann das nachvollziehen. Der 39-Jährige hat selbst zwei Kinder, die Große ist 15. „Da denkt man auch darüber nach, wie sich solch eine Situation anfühlen muss.“

Die Polizei hatte auch Tino Kittner von der Rothenburger Firma Neißetours über die Rettungsaktion telefonisch informiert. „Kunden von uns haben daraufhin bei der Suche geholfen“, erzählt Tino Kittner. „Zurzeit kann man in der Neiße fast überall stehen. Da ist es wirklich erstaunlich, dass so etwas Trauriges geschehen kann“, sagt der Unternehmer, der verschiedene Schlauchboot-Touren anbietet, einen Campingplatz und die Neiße-Taverne betreibt. Aber natürlich gebe es gefährliche Stromschnellen, nicht nur direkt an den Wehren, so Tino Kittner.

Fieberhaft und akribisch suchen die Feuerwehrleute von beiden Seiten der Neiße nach dem Vermissten. Den deutschen Kameraden aus der Neißeaue kommt zugute, dass ein Kamerad aus ihren Reihen aus Polen stammt. „Er wohnt jetzt in Deschka und hat uns als Dolmetscher gut geholfen“, erzählt Thomas Lehmann. Unterstützung gibt es auch von Bundespolizisten. Drei Beamte aus Ludwigsdorf sind von der Wache am ehemaligen Grenzübergang in Ludwigsdorf nach Zentendorf gekommen. Sie sind Hundeführer, begeben sich mit den geschulten Vierbeinern am Ufer auf die Suche nach dem polnischen Jugendlichen. Mit einem der Bundespolizisten spricht der Einsatzleiter aus Groß Krauscha auch über die immense Anspannung des Vaters des Jungen. Der Beamte selbst hat einen 16 Jahre alten Sohn.

Um keine Möglichkeit zu versäumen, den vermissten Polen zu finden, fordert Thomas Lehmann bei der Rettungsleitstelle in Hoyerswerda einen Hubschrauber an. „Mit der Wärmebildkamera sollte er über der Neiße hinwegfliegen, und an Orten nach dem polnischen Jugendlichen suchen, die für uns nicht zugänglich sind“, sagt Thomas Lehmann. Zur Unterstützung der ehrenamtlichen Feuerwehrleute trifft auch der stellvertretende Kreisbrandmeister Peter Eichler an dem Treffpunkt in Zentendorf ein. Nach der erfolglosen Suche sind hierher an die Brücke an der Kulturinsel auch die Wehren aus Nieder-Neundorf und Rothenburg gekommen.

Ein Wermutstropfen: Auch bei diesem Einsatz funktioniert der Digitalfunk nicht lückenlos. Das bestätigen sowohl der Einsatzleiter Thomas Lehmann als auch Stadtwehrleiter Torsten Juckel. „Wir müssen das ansprechen. Als wir mit den Schlauchbooten auf der Neiße unterwegs waren, hatten wir keine Chance, uns zu verständigen“, sagt der Rothenburger. Gerade erst gab es beim Einsatz im Rothenburger Gewerbegebiet am Flugplatz die gleichen Probleme.

Einige Zeit vergeht, bis auch der Helikopter der Polizei kommt, um nach dem polnischen Jugendlichen zu suchen. Gerade als der Helikopter der Bundespolizei aus Chemnitz eintrifft, entdeckt ein Taucher der Zgorzelecer Berufsfeuerwehr den Jungen. Sein lebloser Körper befindet sich in etwa zweieinhalb Meter Tiefe, gerade dort, wo ihn die beiden anderen Jungs zuletzt gesehen hatten. Er ist nicht abgetrieben. Warum und wie das Unglück geschehen konnte, darüber gibt es noch keine Informationen. Für den 16-Jährigen kommt die Hilfe zu spät.

Es ist nicht der erste Tote in der Neiße. Die anderen Unfälle liegen jedoch bereits einige Zeit zurück, so Torsten Juckel. Bei einer Schlauchbootfahrt kam ein Mann an einem Wehr ums Leben. Ein älterer Mann aus Nieder-Neundorf war beim Angeln in die Neiße gefallen, und nicht mehr lebend herausgekommen. Viele Jahre liegt ein weiterer Fall zurück. Da hatte ein Flüchtling aus dem asiatischen Raum den Versuch mit dem Leben bezahlt, die Neiße zu überqueren, um nach Deutschland zu kommen.

Damit nicht weitere tragische Unglücksfalle geschehen, nutzt der Görlitzer Polizeisprecher Thomas Knaup den Badeunfall des Jugendlichen, um auf die Gefahren beim Baden in freien Gewässern aufmerksam zu machen. „Hohe Temperaturunterschiede zwischen Luft und Wasser, Hindernisse unter der Wasseroberfläche, unkalkulierbare Strömungen oder Verwirbelungen an Buhnen können schnell zur tödlichen Gefahr werden“, so der Polizist.