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Trauer um Agnes Rachel

Die 90-jährige Sorbin hatte von 1950 bis 2018 mehrmals täglich die Glocke der Cunnewitzer Kapelle per Hand bedient. Dann übernahm ein Automat – und jetzt ist die gute Seele gestorben.

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Die Sorbin Agnes Rachel hatte seit 1950 mehrmals täglich per Hand die Kirchenglocken in der kleinen Kapelle in Cunnewitz bei Ralbitz-Rosenthal geläutet. Bis es nicht mehr ging. 2018 übernahm ein Automat die Aufgabe, und am Montag wurde Agnes Rachel nun be
Die Sorbin Agnes Rachel hatte seit 1950 mehrmals täglich per Hand die Kirchenglocken in der kleinen Kapelle in Cunnewitz bei Ralbitz-Rosenthal geläutet. Bis es nicht mehr ging. 2018 übernahm ein Automat die Aufgabe, und am Montag wurde Agnes Rachel nun be © Archivfoto: Roland Bonß

Ralbitz-Rosenthal. SZ-Leserin Sylvia Müller aus Oßling hat der Redaktion dieser Tage eine längere Mail geschrieben. Eine Art Nachruf, der Erinnerung und Danksagung zu gleich ist. An Agnes Rachel aus Cunnewitz, die jetzt mit 90 Jahren verstorben ist. „Für das, was sie getan hat, kann man gar nicht genug danken. Aber es ist auch ein gutes Gefühl, wenn man es spürt, dass viele genauso denken und fühlen wie ich.“ Sylvia Müller berichtet noch einmal von einem bemerkenswerten Leben, das ganz und gar dem Glockenklang der kleinen Kapelle im Dorf gewidmet war. Agnes Rachel hat mehrfach am Tag die Glocke per Hand zum Klingen gebracht und dabei auch die Mission ihrer Mutter übernommen.

„Sie war für mich eine bewundernswerte Frau“, schreibt Sylvia Müller. „Jeder Osterreiter kannte diese Frau, denn mit ihrer eigenen Kraft hat sie die Glocken der kleinen Kapelle in Cunnewitz dreimal täglich läuten lassen und bei jeder Osterreiterprozession freute sie sich über jeden Osterreiter, der ihr mit einem Lächeln und Zuzwinkern einen Gruß zusandte.“

Auch Sylvia Müller mit ihrer Familie und deren Gästen erlebte mehrfach die Gastfreundlichkeit besonders am Osterwochenende mit. „Sie bereitete Schnittchen, Kaffee und Kuchen für die vor, die sie besuchten – und die Tür stand den ganzen Tag für jeden Besucher offen.“ Man habe ganz viel von der Geschichte der Osterreiterprozession von ihr erfahren können. Ihre Aufgabe mit der Glocke habe sie über Jahrzehnte jeden Tag treu erfüllt. „Übrigens ohne einen einzigen Tag Urlaub im Leben, was heute für viele Menschen vollkommen undenkbar ist.“

Mehrfach hatte die SZ in den vergangenen Jahren über die Mission der Agnes Rachel berichtet. Auch im vergangenen Jahr wieder, als es darum ging, die Glockenbetrieb in der Kapelle in Cunnewitz nun doch auf automatischen Betrieb umzustellen. Damit hatte auch die gute Seele im Ort, wie man sie nannte, keine Aufgabe mehr, wie Sylvia Müller schreibt. Das erste Mal schaute sich Agnes Rachel die Osterreiterprozession vom Straßenrand aus an und hörte die Glocke von selbst läuten. „Von diesem Tag an saß sie nur noch vor der Kapelle auf der Bank, oftmals auch mit ihrer Freundin.“ Zuerst war ihre Kraft zum Läuten der Glocke nicht mehr gefragt, und nun habe in der vergangenen Woche auch ihr Herz aufgehört zu schlagen. „Als ich von dieser Nachricht hörte, war ich mit sehr vielen Menschen aus dem Ort sehr traurig und wir waren uns sicher: Dieser bewundernswerte Mensch war und bleibt einmalig.“ In diesem Jahr zur Osterreiterprozession werde Agnes Rachel nun gar nicht mehr an der Kapelle stehen und die Osterreiter begrüßen. „Viele werden sie vermissen – und auch ich werde an dieser Stelle wie jedes Jahr stehen und zum Himmel schauen und ihr zuzwinkern, dass wir alle an sie denken“, schreibt die Oßlingerin. „Agnes Rachel wird bei uns allen im Herzen bleiben, und besonders zu Ostern werden viele an die liebe gute Seele denken. Da bin ich mir ganz sicher.“

Am Montag dieser Woche ist Agnes Rachel in Ralbitz beerdigt worden. Viele Bewohner von Cunnewitz und aus der Umgebung begleiteten sie auf ihrem letzten Weg und dankten einer herzensguten Frau. (SZ)