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Tschechien: Besuch im Bunker

Zum Tag des offenen Denkmals öffnen sich auch ungewöhnliche Türen, wie die eines Vorkriegsbunkers in Ústí nad Labem.

Von Steffen Neumann
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Für die Führungen in seinem Bunker legt Josef Drobný eine Replik einer Uniform der tschechoslowakischen Armee nach 1918 an. Richtig strammstehen kann er aber nicht. Dafür ist der Bunker zu eng.
Für die Führungen in seinem Bunker legt Josef Drobný eine Replik einer Uniform der tschechoslowakischen Armee nach 1918 an. Richtig strammstehen kann er aber nicht. Dafür ist der Bunker zu eng. © Steffen Neumann

Der Bunker ist von der Straße aus kaum zu sehen. Versteckt in einer Anhöhe führt ein kleiner Graben zum Eingang. Der ist keinen Meter hoch. Auch kleinere Menschen müssen sich da hindurchzwängen, um über einen Absatz in den Bunker zu gelangen. Und der ist drinnen auch nicht gerade geräumig. Sechs mal zwei Meter misst die Fläche. „Zu einer Besatzung gehörten maximal sechs Soldaten“, erklärt Josef Drobný. Der Bunker in der Hostovická-Straße in Ústí nad Labem (Aussig) ist Teil des ehemaligen tschechoslowakischen Verteidigungswalls, der das Land vor einem Überfall Hitler-Deutschlands schützen sollte. Zum Ernstfall kam es nie. Die Tschechoslowakei trat die Sudetengebiete auf Druck von Deutschland sowie ihrer Verbündeten Großbritannien und Frankreich im Münchner Abkommen Ende September 1938 ab. Der Verteidigungswall fiel kampflos in die Hände der Deutschen.

Gemeinsam mit einigen Mitstreitern gehört Drobný der Bunker. Besucher hat das gedrungene Bauwerk wegen der Corona-Pandemie schon lange nicht gesehen. Doch am kommenden Wochenende besteht im Rahmen des Tages des offenen Denkmals endlich wieder die Möglichkeit. Jeweils von 10 bis 16 Uhr ist geöffnet. Der Eintritt ist frei.

Entstauben für Besucher

Bis dahin hat Drobný noch einiges zu tun. Er wischt ständig Spinnweben weg und verjagt Spinnen. „Jetzt war ich wirklich einige Wochen nicht hier drin“, gesteht er. Doch das ist nichts im Vergleich zu der Arbeit, die Drobný und seine Freunde vor fast 20 Jahren hatten, als sie den Bunker zum kleinen Museum herrichteten. „Hier lag bis oben hin Müll und Schutt“, erinnert sich Drobný. Von der Ausstattung war fast alles weg, außer die Rahmen für die Schiebetüren an den Luken. „Damals gab es zum Glück noch keine Akkuflexer, sonst wären die auch ab gewesen“, sagt Drobný und meint, dass die Stahlrahmen Opfer von Metalldieben geworden wären.

Der Bunker aus dem Jahr 1936 gehörte zu den ersten, die die Tschechoslowakei zur Verteidigung gegen einen deutschen Angriff baute.
Der Bunker aus dem Jahr 1936 gehörte zu den ersten, die die Tschechoslowakei zur Verteidigung gegen einen deutschen Angriff baute. © Steffen Neumann

Mit dem Bunker verbindet Drobný genau genommen schon sein ganzes Leben. „Schon als Kind spielten wir hier. Dann ging ich zum Studium nach Plzeň (Pilsen) und war lange nicht hier.“ Als er wiederkam, erinnerte er sich wieder an das Bauwerk und nahm sich vor, es zu erhalten. Doch der Kauf gestaltete sich schwierig. „Sieben Jahre dauerte es, aber die Armee als Besitzer ließ uns den Bunker schon herrichten, bevor er uns gehörte“, erzählt Drobný.

Leichte Festung Modell 36

Der Bunker ist überschaubar. Drei Geschützplätze mit Luken. Wände und Decke sind mit Brettern verschalt. „Das war früher auch so, als Dämmung und zusätzlicher Schutz“, erzählt Drobný. Der Bunker heißt offiziell „Leichte Festung Modell 36“. Der Name verweist auf das Baujahr 1936, als die Tschechoslowakei mit dem Bau des Verteidigungswalls begann. Der war nicht dafür gedacht, um das Land zu verteidigen. „Aber er sollte die deutschen Truppen bei einem Angriff aufhalten und zugleich die Möglichkeit für einen langsamen Rückzug absichern, so lange, bis unsere Verbündeten Großbritannien und Frankreich in den Krieg eintreten konnten“, sagt Drobný. 20.000 Schuss hatte der Bunker in Ústí, dann musste die Besatzung ihn aufgeben.

„Ab 1937 baute die Armee noch eine verbesserte Version, die sogenannten ŘOP 37 und 38“, erzählt Drobný. Sie waren besser gesichert. „Unser Bunker war leichter verwundbar und hatte noch einen anderen Zweck. Er sollte Truppen am Überschreiten des nahen Flusses Bílina hindern.

Solche Bunker wie in Ústí stehen heute noch Tausende in den ehemaligen Sudetengebieten. Die Deutschen ließen sie nach der Einnahme der Sudeten einfach stehen. Auch nach 1945 änderte sich nichts. Eine Beseitigung wäre zu teuer gewesen. Heute versucht die Armee, so viele wie möglich zu verkaufen. Nicht wenige gehen in das Eigentum solcher Hobbyhistoriker wie Drobný. Der 42-Jährige ist eigentlich Elektrotechniker, aber sein Wissen vor allem über den Zweiten Weltkrieg scheint unerschöpflich. „Als die Deutschen die Sudeten und später die Tschechoslowakei einnahmen, fiel ihnen außer den Bunkern auch ein gewaltiges Militärarsenal in die Hände. Die Tschechoslowakei hatte nach 1918 nämlich keine eigene Munitionsproduktion und da Deutschland entmilitarisiert wurde, kaufte man Rüstungsanlagen billig dort, mit der Folge, dass Munition und Geschütze mit den deutschen kompatibel waren. Davon profitierte später Hitler“, weiß Drobný.

Offene Denkmäler: An den kommenden beiden Wochenenden und in der Woche dazwischen öffnen eine Vielzahl von Denkmälern, die sonst geschlossen sind. Der Eintritt ist häufig kostenlos. Sächsische.de gibt einige Tipps.

Masaryk-Schleuse
Sie wurde in den 1920er- und 1930er-Jahren gebaut und prägt heute das Stadtbild von Ústí.
Geöffnet: 11. und 18.9., 10-16 Uhr, kostenlos

Eisenbahn-Depot Chomutov (Komotau)
Hier sind eine Vielzahl historischer Lokomotiven versammelt.
Geöffnet: 18.9., 9-17 Uhr, kostenlos, Cernovická-Straße

Kantor-Villa in Jablonec (Gablonz)
Die funktionalistische Villa wurde von einem Schüler von Adolf Loos errichtet.
Geöffnet: Führungen am 11.9. jede volle Stunde, letzte Führung 16 Uhr.
Vorherige Anmeldung ist Pflicht unter https://evstupenka.cz/. Palackého ulice 25/3111, kostenlos

Hopfentrockner in Dubá
Geöffnet: 11.9., 10-19 Uhr, Jana-Roháce-Straße 195, kostenlos

Ein Verzeichnis aller beteiligten Denkmäler und die Öffnungszeiten findet sich auf der Webseite:https://www.historickasidla.cz/cs/dny-evropskeho-dedictvi/ unter „Prehled památek“. Es gibt eine deutsche Sprachversion.

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Empfang in Uniform

Am Wochenende wird er alle Besucher in seiner Uniform empfangen, eine Replik, für die er 600 Euro hingeblättert hat. Zwar spricht er kein Deutsch, führt Besucher aber auf Englisch in den Verteidigungsbau ein. Wer noch das Nachfolgemodell des Bunkers in Ústí besichtigen möchte, hat dazu am Wochenende in Velké Březno (Großpriesen) die Möglichkeit, wo nahe des Elberadwegs zwischen 13 und 17 Uhr ebenfalls ein Bunker besichtigt werden kann. Und wer die Chance verpasst, für den hat Josef Drobný einen Trost. „Nach Vereinbarung kann man unseren Bunker auch zu anderen Zeiten besichtigen“, bietet er an. Der Kontakt findet sich auf der Webseite www.lo36.cz. Ein Parkplatz befindet sich übrigens gleich über die Straße.