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„Regierung muss Probleme Nordböhmens lösen“

Der Politologe Lukáš Novotný erklärt, was der Ausgang der Parlamentswahlen in Tschechien für den Bezirk Ústí bedeutet.

Von Steffen Neumann
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Politologe Lukáš Novotný im SZ-Gespräch.
Politologe Lukáš Novotný im SZ-Gespräch. © privat

Präsident Miloš Zeman liegt im Krankenhaus. Wird er Wahlsieger Petr Fiala mit der Regierungsbildung beauftragen?

Auch ihre Leser wissen inzwischen, dass Miloš Zeman mit seinen Entscheidungen die tschechische Gesellschaft mehr spaltet als zusammenführt. Jetzt geht es ihm gerade sehr schlecht, aber er hat eine weitere Möglichkeit zu zeigen, dass er zu einem realistischen Urteil in der Lage ist und die Regierungsbildung nicht unnötig verzögern will. Insofern sollte er Petr Fiala zum Premierminister ernennen.

Warum sollte er die Regierungsbildung verzögern?

Zeman und Andrej Babiš sind sehr enge Verbündete. Sie sind nur stark, wenn sie an der Macht sind. Seine Strategie kann sein, in seinem Sinne zu intrigieren.

Die Wahlen im Bezirk Ústí sowie in Nordböhmen allgemein hatten ein anderes Ergebnis als im Rest der Republik. Hier gewann immer ANO mit großem Vorsprung. Warum?

Die Grenzregionen nördlich von Prag haben ihre spezifischen Probleme. Die Menschen sind weniger gebildet und es geht ihnen wirtschaftlich schlechter. Das sind genau die Wähler von Babiš, dazu noch Senioren. An diese Gruppen sind seine einfachen Lösungen gerichtet, für sie ist das populistische Programm gedacht und damit hat er Erfolg.

Für den Bezirk Ústí werden 14 Abgeordnete im Parlament sitzen. Allein die Hälfte wurde für ANO gewählt. Was heißt das für den Bezirk, wenn in der Regierung künftig die Babiš-Gegner sitzen?

Der Bezirk Ústí war in den Wahlen hart umkämpft. Babiš selbst kandidierte hier, weil er wusste, dass er bei den Menschen beliebt ist. Das hat sich für ihn ausgezahlt. Er hat alle möglichen Versprechungen gemacht, vor allem viel Geld. Die kann er nun aus der Opposition nicht erfüllen.

Es ist nicht leicht, die Probleme im Bezirk zu lösen, weil sie komplexe und langfristige Lösungen erfordern, was bisher noch keiner Regierung gelungen ist. Ich würde also der Regierung raten, sofort damit anzufangen. Das Problem ist nicht das Geld, sondern, dass es dort ankommt, wo es Sinn macht. Wir dürfen nicht die Investition in die Bildung junger Menschen unterschätzen.

Welche Probleme sollte die Regierung zuerst angehen?

Das Grenzgebiet ist schon lange keine verlassene, unwirtliche Region mehr. Aber wir haben hier immer noch große Probleme. Wir brauchen vor allem eine effektive Regionalpolitik, die auf die Bedürfnisse nicht nur des Grenzgebiets, sondern anderer Gebiete an der Peripherie eingeht. Nordböhmen leidet an einem ganzen Komplex von Problemen, die mit dem schlechten Image der Region zusammenhängen. Sie finden hier die niedrigste Kaufkraft, die höchste Arbeitslosigkeit, die meisten Menschen mit Pfändungen, Armut und noch viele ökologische Altlasten. Neuerdings nennen wir den Bezirk Ústí und den Bezirk Karlovy Vary nur „Kohleregionen“. Aus dem EU-Fonds für gerechte Transformation soll viel Geld fließen. Wenn sich auf Basis der Politik der neuen Regierung und mithilfe dieses Geldes diese negativen Kennziffern sichtlich verbessern, werde ich froh sein.