Deutschland & Welt
Merken

Tschechisch-deutscher Brückenbauer František Černý ist tot

Frantisek Cerny hat sein Leben lang für die Beziehungen zwischen Tschechien und Deutschland gekämpft. Nun ist er im Alter von 92 Jahren gestorben.

Von Hans-Jörg Schmidt
 2 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Frantisek Cerny im Jahr 2010.
Frantisek Cerny im Jahr 2010. © dpa

"Irgendwo in dem schleierhaften blaugrauen Dunst über den von Grünspan bezogenen Kuppeln Prags gibt es ein Café mit vielen Tischchen, und von jedem kann man hinunterblicken in unsere Stadt“, beschrieb die große alte Dame der deutschen Prager Literatur, Lenka Reinerová, ihr „Traumcafé“. Dort sitzen sie alle, die sie einst kannte, und erinnern sich mit ihr: Egon Erwin Kisch, Max Brod, Theodor Balk, Anna Seghers. Nun ist auch František Černý zu diesem illustren Kreis gestoßen. Er hatte gemeinsam mit Reinerová und dem Kafka-Experten Kurt Krolop das Prager Literaturhaus gegründet, das sich der Wahrung des gemeinsamen kulturellen Erbes in Böhmen, Mähren und Schlesien widmet.

Černýs Leben spiegelt die gesellschaftlichen Brüche in der Tschechoslowakei wider. In eine multikulturelle bürgerliche Familie hineingeboren, in der Tschechisch und Deutsch gesprochen wurde, hatte er es nicht leicht. Wegen seiner Herkunft galt er den kommunistischen Machthabern nach dem Zweiten Weltkrieg als unzuverlässig. Ihm wurde ein Studium verwehrt, seinen Militärdienst musste er bei den Bausoldaten ableisten. Studieren durfte er erst nach einem „Kennenlernen der Arbeiterklasse“, sprich einer Ausbildung an einer Drehbank.

Nach dem Studium der Germanistik und Bohemistik arbeitete er als Redakteur im Tschechoslowakischen Rundfunk. Nebenher bemühte er sich darum, dass die Erinnerungen der Gesellschaft an die Millionen ehemaligen deutschen Mitbürger nicht vergessen wurden. In der politischen Tauwetterperiode vor dem Prager Frühling nahm er an der legendären Kafka-Konferenz auf Schloss Liblice/Liblitz teil. Als die Hoffnung auf einen Sozialismus mit menschlichem Antlitz 1968 unter Panzerketten der vermeintlichen Freunde aus den übrigen Ostblockländern endeten, verlor Černý seine Arbeit und musste sich als Deutschlehrer an einer Abendschule durchschlagen.

Sein Wunsch, nach 1989 wieder im Radio arbeiten zu können, wurde je durch einen Ruf der Dissidentenfreunde Václav Havel und Jiří Dienstbier beendet. Die brauchten Černý im diplomatischen Dienst. In Bonn und später in Berlin vertrat er seine Heimat. 2001 beendete er seine Arbeit an der Spree und kehrte an die Moldau zurück. Dort bleib er weiter ein hartnäckiger, kluger und hoch geachteter tschechisch-deutscher Brückenbauer mit einem besonderen Faible für die deutsche Prager Literatur.

Am Wochenende ist František Černý im Alter von 92 Jahren in Prag gestorben. Tschechiens Außenminister Jan Lipavský schrieb dazu auf dem sozialen Netzwerk X: „Die Nachricht vom Tod des herausragenden Diplomaten und Botschafters František Černý, dem unser Land unter anderem die Entwicklung der Beziehungen zu Deutschland verdankt, hat mich tief getroffen.“