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Zeitreise in die Eisenbahngeschichte

Mit viel Begeisterung haben zwei böhmische Bahnfans die Station Dubí zum Museum ausgebaut.

Von Steffen Neumann
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Ladislava und Karel Našinec haben den Bahnhof Dubí (Eichwald) mit viel Liebe in ein kleines Museum verwandelt. Führungen sind auf Nachfrage möglich.
Ladislava und Karel Našinec haben den Bahnhof Dubí (Eichwald) mit viel Liebe in ein kleines Museum verwandelt. Führungen sind auf Nachfrage möglich. © Steffen Neumann

Auf den ersten Blick scheint hier die Zeit stehengeblieben. Am weinrot-weiß gestrichene Zaun vor dem Bahnhofsgebäude in Dubí (Eichwald) blühen Blumen in allen Farben. In der Tür steht Karel Našinec und schaut dem anfahrenden Triebwagenzug nach, der soeben den Bahnhof Richtung Most (Brüx) verlässt. Und wer sich traut, die mit „čekárna“ (deutsch: Warteraum) überschriebene Tür zu öffnen, betritt einen Raum, in dem sich nicht nur die Zeit bis zum nächsten Zug aushalten ließe.

Ein Triebwagen der Eisenbahn Most-Moldava im Spitzkehrenbahnhof Dubí.
Ein Triebwagen der Eisenbahn Most-Moldava im Spitzkehrenbahnhof Dubí. © Steffen Neumann

Rechts hängt eine dieser alten Stecktafeln, wo fein säuberlich alle Abfahrtszeiten nicht nur der Eisenbahn, sondern auch der nahen Buslinie 398 von Teplice (Teplitz) nach Dresden angeheftet sind. Links kann man in alten typisch böhmischen Fahrplanrollen stöbern.

Man erfährt, dass vor über 100 Jahren Dubí viermal am Tag per Direktzug mit Prag verbunden war. Laut Plan von 1921 stieg man 11.21 Uhr am Prager Hauptbahnhof in den Zug und kam 17.49 in Dubí an. Wer wollte, konnte über Moldava (Moldau) nach Freiberg fortsetzen und dort in den Zug nach Dresden steigen, wo man 23.01 Uhr ankam.

Ruhige Lage mitten im Wald

Der alte Bollerofen in der Ecke wärmt zwar nur in der Phantasie, doch warm ist es hier in der kalten Jahreszeit trotzdem. „Weil der Raum über unsere Zentralheizung mitgewärmt wird“, erklärt Našinec. „Wir haben schon erlebt, dass die Leute hier ihren Proviant und die Gitarre ausgepackt haben und eine schöne Zeit hatten“, erzählt er.

Našinec ist in Wirklichkeit nicht der Bahnhofsvorsteher. Den gibt es in Zeiten der Digitalisierung schon seit Jahren nicht mehr. Als Letzter verließ vor sieben Jahren der Stellwerksleiter die Station. Našinec arbeitet zwar selbst als Fahrdienstleiter in Teplice, von wo aus die Signale der Station Dubí gesteuert werden. Doch in Dubí ist er rein privat. Als sie vor 18 Jahren eine neue Bleibe suchten, kam ihnen die Wohnung im ersten Stock gerade recht.

Im Verkehrsbüro steht ein originales elektromechanisches Stellwerk der Firma Rank.
Im Verkehrsbüro steht ein originales elektromechanisches Stellwerk der Firma Rank. © Steffen Neumann

Einerseits sind sie beide Eisenbahnfans, andererseits lieben sie die Ruhe. „Gleichzeitig sind wir von hier schnell in Teplice oder Dresden, eine perfekte Lage“, erzählt Našinec.

Dabei ist die Bahnhofslage mitten im Wald, weit weg von der Stadt, ein Kompromiss. Als die Prag-Duxer Eisenbahn im 19. Jahrhundert die Strecke plante, war ursprünglich ein Bahnhof nahe des Theresienbades vorgesehen. „Danach sollte die Strecke über einen Spiraltunnel auf den Erzgebirgskamm gehoben werden, um von dort Richtung Sachsen verlegt zu werden“, erzählt der Eisenbahnkenner. Primär diente die Strecke nämlich als Transport von Braunkohle aus dem böhmischen Vorerzgebirge nach Sachsen.

Doch dann fehlte Mitte der 1870er-Jahre das Geld und der Spitzkehrenbahnhof entstand als preisgünstige Variante.

Führungen auch auf Deutsch

Seitdem hat der Bahnhof von einem Flugzeugabsturz bis zu einem Zug, der nichts von der Spitzkehre wusste und ungebremst weiterraste, bis zum Ende der grenzüberschreitenden Verbindung nach Freiberg einiges erlebt. Vor vier Jahren konnten die Našinec‘ das Gebäude kaufen und ihren Traum verwirklichen. Aus dem Bahnhof ist eine Art Museum geworden. „Offiziell dürfen wir das nicht so nennen. Wir machen das auch nur rein privat, nehmen keinen Eintritt. Aber alle, die Interesse haben, bekommen von uns eine Führung – wenn wir denn da sind. Aber das sind wir zumindest im Sommer meistens“, erklärt Našinec.

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Er, der Eisenbahner, führt auf Tschechisch, seine Frau, eine Lehrerin, ist für die deutschen Führungen verantwortlich.

Und die kann je nach Interesse auch mal zwei Stunden dauern. Neben dem Warteraum, der nicht Bestandteil der Führung ist, können sich Besucher im Büro des Bahnhofsvorstehers mit alten Büromöbeln, im Verkehrsbüro mit Telegraphen und einem elektromechanischen Stellwerk der Firma Rank, das auf Wunsch auch vorgeführt wird, vertraut machen. Es gibt alte Fahrkarten und einen gepanzerten Schreibtisch aus dem Jahr 1858.

Das Rätsel in der Wand

„Die Einrichtung ist nicht original. Als wir den Bahnhof übernahmen, war nichts mehr erhalten“, klärt Našinec auf. Mit einer Ausnahme allerdings. Im Büro des Bahnhofsvorstehers findet sich in der Wand ein grauer Safe. „Der war über die Jahre mehrfach übermalt worden und damit vergessen. Als wir die Farbe abkratzten, kam er wieder zum Vorschein“, erzählt er. Schlüssel haben sie keinen und sie haben auch noch gar nicht versucht, ihn zu öffnen. „Meine Frau sagt, da wäre ein Goldbarren drin. Ich bin der Meinung, dass wir dort zwei tote Fliegen finden würden, die es nicht geschafft hatten, rechtzeitig rauszufliegen“, schmunzelt Našinec.

Der Warteraum ist immer geöffnet und lässt einen auch mal die Zeit vergessen.
Der Warteraum ist immer geöffnet und lässt einen auch mal die Zeit vergessen. © Steffen Neumann

Dabei hätten sie den Goldbarren durchaus nötig, soviel Geld sie schon in den Bahnhof gesteckt haben und immer noch investieren wollen. Wegen Schwamm mussten sie eine Ecke des Hauses völlig abreißen und neu bauen. Das Haus hat ein neues Dach und neue Wasserleitungen. „Da das Gebäude wie die ganze Strecke unter Denkmalschutz steht, ist alles noch etwas komplizierter“, erklärt Našinec. Im Keller ist die Vorführung von Bahntechnik geplant, verrät er schon die nächsten Pläne.

Der größte Wunsch der beiden ist aber die erneute Verbindung der Bahnstrecke nach Sachsen. „Das sollte eigentlich normal sein. Für uns gibt es die Grenze nicht mehr“, sagt Našinec. Wenn dann auf dem kleinen Bahnhof auch etwas mehr los ist, kann ihm das nur recht sein.