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Dresdner Bloggerin geht offline

Als "Kleinstadtcarrie" machte sich Luise Morgeneyer einen Namen. Jetzt schlägt sie einen neuen Weg ein - als Buchautorin.

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Öfter mal was Neues: Luise Morgeneyer geht unter die Buchautoren.
Öfter mal was Neues: Luise Morgeneyer geht unter die Buchautoren. © Martin Stier

Jeder, der sich ab und zu mal auf Blogs im Internet herumtreibt, hat diesen Namen schon mal gehört: Kleinstadtcarrie. Vor acht Jahren begann die Dresdnerin Luise Morgeneyer, im Internet über ihren Alltag zu philosophieren. Damals war sie gerade mal 15. Ihre Seite machte sie bekannt genug, um von der Werbung in ihren Beiträgen leben zu können. Doch damit ist nun Schluss. Kleinstadtcarrie ist Geschichte. Im wahrsten Sinne des Wortes.

Wie kommt eine erfolgreiche Bloggerin mit Anfang 20 dazu, plötzlich ein Buch zu schreiben?

Dafür gab es wahnsinnig viele Gründe. Einige sprachen gegen die Onlinewelt und genauso viele für das Buch. Vor allem wollte ich mich nach acht Jahren von dem Namen „Kleinstadtcarrie“ verabschieden. Die Idee, aus den Beiträgen ein Buch zu machen, reifte schon seit 2016 in mir. Ganz am Anfang habe ich das mal einem Taxifahrer erzählt, und der hat mich nur angeschaut und gesagt: „Das würde ich nicht machen. Wer kauft denn noch Bücher?“ Aber ich habe auf mein Herz gehört.

Aber warum gibst du deine Marke „Kleinstadtcarrie“ auf?

Weil sie schon seit Längerem nicht mehr zu mir passt. Der Name bezieht sich ja auf Carrie Bradshaw, eine Figur aus der Serie „Sex and the City“, der es nur um die neuesten Schuhe und Designertaschen geht. Sie hat mal gesagt: „Ich mag mein Geld genau da, wo ich es sehen kann ... hängend in meinem Kleiderschrank.“ Damit kann ich mich überhaupt nicht mehr identifizieren.

Wer bist du denn jetzt?

Jetzt will ich Luise Morgeneyer sein und mein Glück nicht von irgendwelchen Dingen abhängig machen, die ich besitze.


Bis vor Kurzem hast du dein Geld noch damit verdient, in deinen Beiträgen Werbung für Firmen zu platzieren.

Ja, ich war zuletzt das, was man heute eine Influencerin nennt. Irgendwann habe ich angefangen zu hinterfragen, was ich da eigentlich mache. Ich habe mir meine Unternehmen zwar schon danach ausgesucht, dass sie zu mir passen, aber auch darauf hatte ich keine Lust mehr. Ich wollte mein Geld nicht mehr mit Werbung verdienen und hatte die Nase voll davon, jungen Leuten das Gefühl zu geben, sie brauchten dieses oder jenes. Ich wollte mit dieser Szene abschließen, die sich immer schneller und krasser entwickelt hat. Das war es nicht, warum ich mit 15 angefangen habe.

Und was war es dann?

Ich wollte einfach schreiben. Ich bin damals online gegangen, weil ich Bock darauf hatte, und nicht, weil ich Geld verdienen wollte.

Warum hast du den Blog jetzt nicht einfach gelöscht?

Darin stecken immerhin acht Jahre meines Lebens, und die meisten Beiträge sind mir immer noch total vertraut. Deswegen habe ich mich auch entschieden, sie nun gesammelt in einem Buch herauszugeben. Zusammen mit einer Freundin habe ich dafür einen eigenen Verlag gegründet, ein halbes Jahr lang mit einer Lektorin und vielen anderen Helfern daran gearbeitet. Dieses Buch jetzt in den Händen zu halten, macht mich wahnsinnig stolz. Es ist ja quasi meine Jugend zwischen zwei Deckeln.

Auf den ersten Blick fällt auf: In dem Buch gibt es keine Fotos.

Das war ein großer Schritt und eine bewusste Entscheidung, Ich wollte diesen extremen Bezug zu mir als Person herausnehmen. Immerhin geht es da um Themen, mit denen sich viele junge Mädchen und Frauen beschäftigen. Viele meiner Fans haben die Entscheidung nicht verstanden.

Was vermisst du am meisten am Influencer-Dasein?

Ganz sicher den Kontakt mit meinen Followern. Aber uns ist ja noch Instagram geblieben. Den Account dort behalte ich.

Diese Frage muss noch sein: Warum bist du aus Dresden weggezogen?

Das werde ich oft gefragt, habe aber noch immer keine einfache Antwort darauf parat. Ich bin damals viel gereist und war schon recht minimalistisch unterwegs. Irgendwann habe ich mich entschieden, meinen Mietvertrag zu kündigen. Acht Monate lang hatte ich keine eigene Wohnung. Eigentlich wollte ich nie nach Berlin, weil dort alle Blogger waren und ich mit Dresden ein Alleinstellungsmerkmal hatte, das für viele Firmen interessant war. Als ich dann aber noch Probleme mit der rechten Szene bekam, reichte es mir. Trotzdem bleibt Dresden für mich die schönste Stadt, und ich liebe es, hier zu Gast zu sein.

Was machst du jetzt, nachdem das Buch erschienen ist?

Ich schreibe weiter, aber ganz für mich privat. Zum ersten Mal seit acht Jahren kann ich etwas schreiben, ohne zu wissen, was damit mal passiert. Und nicht ständig denken: Das muss jetzt fertig werden, weil die Leute schon auf Nachschub warten.

Wirst du jemals wieder bloggen?

Das möchte ich nicht ausschließen, aber erst einmal will ich mich in der Offline-Welt ausprobieren. Ich mag beide Welten. Wenn ich noch mal blogge, dann möglichst ohne Werbung.

Das Interview führte Henry Berndt.

 „Wurzeln zu Blüten“, Luise Morgeneyer. Handgeschrieben Verlag, 275 Seiten, für 25 Euro hier: www.handgeschrieben-verlag.net
 „Wurzeln zu Blüten“, Luise Morgeneyer. Handgeschrieben Verlag, 275 Seiten, für 25 Euro hier: www.handgeschrieben-verlag.net © Martin Stier